Teilzeitarbeit in Österreich

Vollzeit oder Teilzeit? Viele Arbeitnehmer*innen stehen vor dieser Frage. Gute Gründe gibt es für beide Anstellungsarten. Der aktuelle Stepstone-Jobreport 2023 geht der Frage nach, warum immer mehr Menschen in Teilzeit arbeiten bzw. weshalb sie sich andere doch für eine Vollzeitstelle entscheiden. Mehr als 2000 befragte Personen geben Auskunft über ihre Präferenzen, Ängste und Herausforderungen und was sie sich von Arbeitgebern wünschen. 

Alle Informationen auf einen Blick


Definition: Wann spricht man von Teilzeit? 

Grundsätzlich werden unter einer Teilzeitanstellung all jene Arbeitsverhältnisse verstanden, bei denen Arbeitnehmer*innen weniger als die übliche 40-Stunden-Woche bzw. weniger als die kollektivvertraglich festgelegte wöchentliche Normalarbeitszeit arbeiten. Das schließt auch geringfügig Beschäftigte mit ein. 

 

Teilzeitarbeit in Österreich

Wie sieht die Situation in Österreich aus? Welche Entwicklung gibt es hierzulande in Bezug auf Teilzeit- und Vollzeitstellen? Laut Statistik Austria zeichnet sich in Österreich ganz klar ein Trend ab: Immer mehr Erwerbstätige bevorzugen eine Teilzeitbeschäftigung. So ist die Anzahl der Teilzeitstellen von 1.339.300 im Jahr 2021 um rund 100.000 Stellen auf 1.437.100 im Jahr 2022 gestiegen. (Erhebungszeitraum war jeweils das 2. Quartal des Jahres). Das entspricht einem Anstieg von über 7 Prozent innerhalb eines Jahres. Ein klarer Trend ist auch im Stepstone-Jobreport ersichtlich: Könnten sie frei wählen, würden nur 35 Prozent der Österreicher*innen eine Vollzeitanstellung wählen. 

 

Gründe für die Vollzeitarbeit 

Was spricht für eine Anstellung in Vollzeit? Im Rahmen der aktuellen Stepstone-Studie wurden von den Befragten die folgenden Gründe für die Vollzeitarbeit genannt: 

  1. Ich möchte Altersarmut vermeiden und meine volle Pension sichern (77 %) 
  2. In Teilzeit würde mir das Einkommen nicht reichen (72 %)  
  3. Ich arbeite gerne in Vollzeit (64 %) 
  4. Meine Position ließe sich nicht in Teilzeit ausführen (47 %) 
  5. Ich möchte beruflich aufsteigen, in Teilzeit hätte ich schlechtere Karrierechancen (42 %) 
  6. Mein Arbeitgeber ist dafür nicht offen (30 %) 
  7. Es würde in meinem sozialen Umfeld nicht gut ankommen; man erwartet von mir Vollzeit zu arbeiten (27 %) 

Volle Pension sichern

Sieben von zehn Männern geben den Wunsch, sich eine volle Pension sichern zu wollen, als Hauptgrund für die Vollzeittätigkeit an. Unter Frauen und Beschäftigten über 42 nennen sogar 8 von 10 die Vermeidung von Altersarmut als Hauptgrund für die Vollzeittätigkeit. Aber auch für die Generation Z ist die verringerte Pension bei der Teilzeitarbeit der Hauptgrund für die Vollzeittätigkeit (68 Prozent).  

Ein Teilzeiteinkommen würde nicht ausreichen 

72 Prozent der Studienteilnehmer*innen geben an, dass Ihnen ein Teilzeiteinkommen nicht ausreichen würde. Frauen stimmen dieser Aussage mit 78 % deutlich eher zu als Männer (68 %) und auch für Personen ohne Personalverantwortung hat der finanzielle Aspekt einen etwas stärkeren Einfluss. 

Verständnis von Leadership unter Vollzeit-Angestellten 

„Als Führungskraft habe ich eine wichtige Vorbildwirkung und sollte voll erreichbar sein“ – dieser Aussage stimmen vor allem männliche Führungskräfte zu.  Sieben von 10 männlichen Führungskräften empfinden die ständige Erreichbarkeit als ideal, bei weiblichen Führungskräften sind es jedoch nur 46 Prozent. Die höchste Zustimmung gibt es im Verkauf (Einzel- und Großhandel), wo sogar mehr als 8 von 10 Führungskräften der Meinung sind, als Vorbild immer erreichbar sein zu müssen.  

Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung

Welche Gründe sprechen nun für eine Teilzeitanstellung und wieso entscheiden sich immer mehr Menschen dazu, in Teilzeit zu arbeiten? Auch hier gibt der aktuelle Stepstone-Jobreport 2023 Auskunft. Folgende Gründe wurden von den Studienteilnehmer*innen für eine Teilzeitbeschäftigung angegeben: 

  1. Das Leben ist zu kurz, ich will mehr Zeit für mich und mein Umfeld haben (55 %) 
  2. Meine Arbeit fordert mich zu sehr, Vollzeit würde ich mental nicht schaffen (38 %) 
  3. Meine Arbeit fordert mich zu sehr, Vollzeit würde ich körperlich nicht schaffen (37 %) 
  4. Teilzeit rentiert sich steuerlich/finanziell mehr (35 %)  
  5. Lieber reduziere ich meine Ausgaben als mehr zu arbeiten (33 %) 
  6. Es fehlt mir an Betreuungsmöglichkeiten für meine Angehörigen (Kind, pflegebedürftige Familienmitglieder o.ä.), um Vollzeit zu arbeiten (31 %) 
  7. Wofür soll ich mehr verdienen, wenn meine großen Träume (Eigenheim / Auto etc.) ohnehin nicht mehr leistbar sind (30 %)
  8. Mein Arbeitgeber ist nicht offen dafür/ hat keinen Bedarf (26 %)  

Work-Life-Balance ist Hauptgrund für Teilzeit

Der Hauptgrund, warum Menschen einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, ist der Wunsch nach mehr Zeit für sich selbst und ihr Umfeld. Von Männern wird dieser Wunsch mit 57 Prozent sogar noch häufiger genannt als von Frauen (53 %).  

Mehr als jede*r dritte Teilzeitbeschäftigte empfindet die eigene Arbeit als zu fordernd 

Hier spielen zwei Komponenten eine wesentliche Rolle: eine körperliche und eine mentale Überforderung. Während 38 Prozent der Befragten angeben, dass sie eine Vollzeitstelle mental nicht schaffen würden, wäre die Vollzeitbeschäftigung für 37 Prozent körperlich überfordernd. Die mentale Belastung ist tendenziell stärker bei Männern (42 %) und Beschäftigten über 58 Jahren (40 %) ausgeprägt. Unter den mental fordernden Berufen finden sich Positionen im Personalwesen (67 %), in der Produktion/Fertigung (61 %), in der IT (58 %) oder auch im Marketing/PR/Werbung (57 %). Körperlich belastend sind tendenziell eher die Berufsfelder Produktion/Fertigung (56 %) oder auch Hotellerie/Gastronomie (53 %).  

Die Doppelbelastung durch fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Angehörige, wie etwa Kinder, geben 31 Prozent als Grund für die Teilzeitbeschäftigung an.

Ist Teilzeit ein Generationenthema?  

Wenn es um den Teilzeit-Trend geht, zeigt die Studie, dass die Gründe, die für Vollzeit- bzw. auch Teilzeitarbeit sprechen, von den unterschiedlichen Generationen unterschiedlich bewertet werden. 

So spielt der finanzielle Aspekt – sowohl im Bereich der Altersvorsorge als auch beim Auskommen mit dem aktuellen Einkommen – bei den unterschiedlichen Generationen jeweils eine andere Rolle: Vor allem die Baby-Boomer arbeiten wirklich gerne in Vollzeit (67 %), aber auch in der Generation Z arbeiten immerhin 57 Prozent gerne in Vollzeit. Den beruflichen Aufstieg haben die Baby-Boomer bereits hinter sich und auch das Einkommen empfinden sie als gut genug – anders die jüngeren Befragten: Für sie ist es deutlich wichtiger, Vollzeit zu arbeiten, um ihre Karrierechancen zu verbessern und ein ausreichend hohes Einkommen zu erzielen. 

Wenn es um die Vorbildwirkung als Führungskraft bzw. die ständige Erreichbarkeit geht, haben vor allem die Führungskräfte der Babyboomer-Generation den Anspruch an sich selbst, voll erreichbar sein zu müssen. Am wenigsten stimmen die Führungskräfte der Generation Y diesem Anspruch zu (56 %). 

Weitere Unterschiede gibt es in Bezug auf die Work-Life-Balance: Am stärksten ist der Wunsch nach mehr Zeit für sich selbst und das persönliche Umfeld mit 57 % bei der Generation X ausgeprägt, also bei Beschäftigten zwischen 42 und 57 Jahren – am schwächsten bei der Generation Z (51 %).  

Teilzeitarbeit und Frauen  

Die Zahlen der Statistik Austria sprechen ganz klar für sich: Teilzeitarbeit ist vorrangig weiblich. Während die Teilzeitquote 2021 unter Männern lediglich 11,6 Prozent betrug, war sie bei Frauen bei knapp 50 Prozent (49,6 %). Die Gründe dafür sind vielschichtig. Hauptgrund ist bei den meisten Frauen, dass die nötige Infrastruktur nicht vorhanden ist und Betreuungspflichten somit zur Doppelbelastung werden, wenn es um Kindergärten, Nachmittagsbetreuung und ähnliches geht. Auch die Care-Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle, da die Pflege von Angehörigen tendenziell häufiger von Frauen übernommen wird als von Männern. Das bestätigt auch die Stepstone-Studie, bei der als Grund für eine Teilzeitarbeit die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten von Angehörigen häufiger von Frauen (34 %) genannt wurde als von Männern (21 %). 

Hinzu kommen weitere Gründe wie der nach wie vor anhaltende Gender Pay Gap, der die zwar veraltete, aber teilweise immer noch anhaltende Tradition aufrechterhält, dass der Mann das Geld nach Hause bringt und die Frau lediglich „dazuverdient“. Oftmals werden zudem in den Branchen, in denen vermehrt Frauen arbeiten, kaum noch bzw. gar keine Vollzeitstellen mehr angeboten, weshalb ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als eine Teilzeitstelle anzunehmen. 

Wer vermehrt auf Female Recruiting setzen möchte und so trotz Fachkräftemangel, geeignete, gut qualifizierte Bewerberinnen ins Unternehmen holen möchte, sollte sich über diese Aspekte Gedanken machen und geeignete Angebote schüren, die bei weiblichen Arbeitskräften gut ankommen und ihnen die Doppelbelastung (zumindest teilweise) abnehmen. 

 

Wunschbeschäftigung der Österreicher*innen  

Teilzeit als idealer Arbeitsumfang 

Wenn die Studie eines ganz klar gezeigt hat, dann dass die Teilzeitarbeit für immer Menschen interessanter und als idealer Arbeitsumfang gesehen wird: Wenn die Befragten frei wählen könnten, würden sich 35 Prozent von ihnen für eine Vollzeitanstellung entscheiden, wobei dies eher von Männern als von Frauen bevorzugt wird. Nahezu ebenso viele (34 %) würden sich für eine starke Teilzeit entscheiden (26 – 37 Stunden). Personen in Karenz sehen eine Teilzeitanstellung von 16-25 Stunden pro Woche als idealen Umfang für ihren beruflichen Wiedereinstieg.

 

Bedeutung der zunehmenden Teilzeitentwicklung für Unternehmen

„Wenn wir uns die Wünsche und Bedürfnisse der Kandidat*innen ansehen, zeigt sich, dass jeder dritten Teilzeitbeschäftigten Betreuungsmöglichkeiten für ihr Kind oder pflegebedürftige Angehörige fehlen und sich ein nicht unerheblicher Teil mental oder körperlich nicht in der Lage fühlt, mehr zu arbeiten. Wir sehen auch anhand der vielen Stellenanzeigen und innovativen Unternehmen auf unserer Plattform, dass es vielfältige Ansätze gibt, um Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen. Etwa mit Betreuungsmöglichkeiten, Homeoffice, flexiblen Arbeitsmodellen und einem klaren Fokus auf Employee-Wellbeing“,meint Arbeitsmarktexperte Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer Stepstone Österreich & Schweiz. 

Unternehmen, die auf Grund des aktuellen Fachkräftemangels Schwierigkeiten haben, passende Talente für Schlüsselpositionen zu finden, sollten daher über entsprechende Corporate Benefits nachdenken, wie beispielsweise Betriebskindergärten oder andere Betreuungsmöglichkeiten, sowie auch flexible Arbeitsmodelle, Teilzeitstellen (auch auf Führungsebene)  bzw. genau hinhören, was sich Mitarbeiter*innen bzw. Bewerber*innen wünschen. Das stärkt nicht nur das Employer Branding sowie die Arbeitgeberattraktivität, sondern erhöht auch die Mitarbeiterbindung. Denn ein Arbeitgeber, der seinen Angestellten zuhört und auf deren Wünsche und Bedürfnisse eingeht, bringt ihnen die nötige Wertschätzung entgegen, die langfristig gesehen für mehr Loyalität, Zufriedenheit, Produktivität und ein besseres Arbeitsklima sorgt. 

 

Karriere in der Teilzeit ermöglichen 

Schlechtere Karrierechancen in der Teilzeitanstellung wurde im Rahmen der Studie von 42 Prozent der Befragten als Grund angegeben, Vollzeit arbeiten zu wollen. Doch was, wenn beides ginge? Karriere in Teilzeitarbeit. Wer als Arbeitgeber auch künftig die besten Talente ins Boot holen und seine Arbeitgeberattraktivität steigern möchte, schafft Modelle, bei denen genau das möglich ist. Eine Möglichkeit, Karrieremöglichkeiten in Teilzeit anzubieten, stellt das sogenannte Topsharing dar, ein Modell des Jobsharings, bei dem sich zwei Führungskräfte eine Managementposition teilen. Das erhöht die Vielfalt und auch die Frauenquote in Führungspositionen. Da der Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen und diversen Teams steigt, können sich Arbeitgeber durch entsprechende Jobsharing-Angebote von der Konkurrenz abheben und im Wettstreit um die besten Talente einen Wettbewerbsvorteil sichern. 

 

Führen in Teilzeit

In der Episode #99 des “Der Führen in Teilzeit Podcast” spricht Johanna Fink mit Nikolai Dürhammer (Managing Director für Stepstone in Österreich und der Schweiz) über die Ergebnisse des Stepstone-Jobreport 2023.

Wie er die Zahlen interpretiert und welche Relevanz das Thema Teilzeitführung in der Debatte hat, erfahrt Ihr hier.

Viel Spaß beim Reinhören!

 

Autorin: Beatrix Mittermann
Bildnachweis: istock/PrettyVectors

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