Gender Pay Gap Österreich – Gehaltsunterschiede 2023

Der Gender Pay Gap ist in Österreich nach wie vor hoch: Frauen verdienen aktuell im Jahr im Schnitt 15,5 Prozent weniger als Männer – je nach Bildungsgrad, Firmengröße und anderen Charakteristika fällt dieser Wert unterschiedlich aus. Was man im Recruiting und als Arbeitnehmer*in dagegen tun kann, zeigen unsere Experten-Tipps.

Was ist der Gender Pay Gap?

Der Gender Pay Gap beschreibt, wie viel Frauen im Durchschnitt im Jahr weniger als Männer verdienen. Üblicherweise wird der Gender Pay Gap in Prozent angegeben, er entsteht u.a. durch Diskriminierung am Arbeitsplatz, ungleiche Chancen, traditionelle Rollenbilder und mangelnde Kinderbetreuung.

Es gibt sowohl einen „unbereinigten Gender Pay Gap“, der Unterschiede wie Berufserfahrung, Bildungsabschlüsse, Branchen nicht berücksichtigt, sondern die männlichen und weiblichen Beschäftigten in ihrer Gesamtheit miteinander vergleicht. Der „bereinigte Gender Pay Gap“ zeigt detaillierter auf, wie hoch die Gehaltsdifferenz ist, die auch zwischen einer Frau und einem Mann mit vergleichbaren Charakteristika besteht. Unter Charakteristika versteht man etwa die Berufsgruppe, Branche, Firmengröße, das Bundesland, den Bezirk, Alter oder Bildungsabschluss, die Berufserfahrung und Führungsverantwortung. Die Beseitigung des Gender Pay Gap ist für eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern und eine berufliche Geschlechtergerechtigkeit unerlässlich.

Wie hoch ist der Gender Pay Gap 2023 in Österreich?

Die Basis für die Berechnung des Gender Pay Gap bildet das Jahres-Durchschnittsgehalt in Österreich. Aktuelle Daten dazu bietet der Stepstone Gehaltsreport 2023, für den rund 40.500 Vergütungsdaten (im Zeitraum von November 2020 bis April 2023 erhoben) ausgewertet wurden, ausschließlich von Vollzeitbeschäftigten.

Wie groß ist der bereinigte Gender Pay Gap in Österreich?

Der bereinigte Gender Pay Gap beschreibt den Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern mit identischen Charakteristika.  Der bereinigte Gender Pay Gap beträgt aktuell 11,3 Prozent (mit einer Schwankungsbreite von 2,1 Prozent), d.h. Frauen mit denselben Charakteristika wie die Männer in diesem Datensatz verdienen jährlich um rund 6.000 Euro weniger.

Wie groß ist der unbereinigte Gender Pay Gap in Österreich?

Der unbereinigte Gender Pay Gap liegt in Österreich 2023 bei 15,5 Prozent (mit einer Schwankungsbreite von (+/- 3 Prozent). Eine in Vollzeit beschäftigte Frau verdient demnach im Durchschnitt um 8.340 Euro weniger als ein Mann. Ein geringer Teil davon – 2.264 Euro – lässt sich dadurch erklären, dass Frauen etwa in niedriger bezahlten Berufen tätig sind, über weniger Berufserfahrung oder keine Führungsverantwortung verfügen. Der größere Anteil von 6.094 Euro ist jedoch nicht über statische Merkmale erklärbar und die Ursache in der Ungleichbehandlung und mangelnden Chancengleichheit zu suchen.

Gehaltsunterschiede nach Berufserfahrung

Mit der Berufserfahrung steigt auch der Gehaltsunterschied. In den ersten fünf Jahren der Berufstätigkeit liegt der Gender Pay Gap bei rund 10 Prozent.  Im Laufe des Berufslebens geht die Gehaltsschere – auch angesichts verpasster Karrierechancen während oder nach der Karenz sowie Betreuungspflichten – immer weiter auf. Unter Beschäftigten mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung liegt der Gehaltsunterschied bereits bei 17,4 Prozent. 

Einkommensschere nach Bildungsgrad und Personalverantwortung

Am höchsten ist der Gender Pay Gap unter Beschäftigten mit akademischer Bildung. Um knapp ein Viertel weniger Gehalt verdienen Absolventinnen von Fachhochschulen und Universitäten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegender Gehaltsunterschied liegt bei den höchsten Bildungsabschlüssen bei rund 23 Prozent.

Gender Pay Gap Österreich & Unternehmensgröße

In Bezug auf die Unternehmensgröße gilt – auf den ersten Blick überraschend – je größer das Unternehmen, desto größer die Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern. Das könnte daran liegen, dass in größeren Unternehmen weniger offener Austausch darüber herrscht, was einzelne Arbeitnehmer*innen verdienen und auch daran, dass ein größerer Verhandlungsspielraum bei Gehaltsverhandlungen und vor allem variablen Gehaltsbestandteilen besteht.

Wann ist der Equal Pay Day 2023 in Österreich?

Der Equal Pay Day ist 2023 in Österreich am 31. Oktober. Am 31. Oktober haben Männer das Einkommen erreicht, für das Frauen bis Jahresende arbeiten müssen. Für den Equal Pay Day werden die Einkommen ganzjährig beschäftigter Männer und Frauen verglichen. Die Entgeltdifferenz zwischen Männern und Frauen liegt laut Daten des Bundeskanzleramts bei aktuell 16,9 Prozent, was 62 Kalendertagen entspricht. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Entgeltdifferenz um einen Tag verbessert.

Warum ist der Gender Pay Gap in Österreich so hoch?

Für den sehr hohen unbereinigten Gender Pay Gap nennt Martina Ernst, Expertin und Beraterin zum Thema faire Vergütung für Berufstätige und Unternehmen, drei Gründe auf Basis aktueller Daten:

  1. 50,5 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit – und nur knapp 11 Prozent der Männer (Statistik Austria 2021)
  2. 22,4 Prozent der Frauen arbeiten im Niedriglohnsektor – und nur 9,3 Prozent aller Männer (Statistik Austria 2018)
  3. 19,2 Prozent aller Frauen sind in Österreich in Top-Positionen (Studie des Weltwirtschaftsforums 2020)

Warum auch im bereinigten Gender Pay Gap der Unterschied noch bei mehr als 10 Prozent liegt? Für Ernst ist das auf die sogenannte „motherhood penalty“ zurückzuführen: „Wenn zwei Leute im Job neu beginnen, entwickeln sie sich zunächst gleich; dann geht die Frau irgendwann in Mutterschutz und Karenz und sind die Gehaltssprünge nicht kollektivvertraglich geregelt, steigt sie häufig dort ein, wo sie aufgehört hat. Frauen kommen zudem vermehrt in Teilzeit zurück und das sind zumeist nicht so hoch bewertete Jobs. Zudem sind gut bezahlte Führungspositionen in Teilzeit bzw. Job-Sharing noch Mangelware.“

Gehaltsunterschiede: Warum verdienen Frauen immer noch weniger?

Hierbei sind laut Martina Ernst zwei Aspekte besonders wichtig, der erste betrifft die Kollektivverträge: „Spannend sind die Kollektivverträge der männerdominierten Metaller versus der frauendominierten Pflegeberufe: spätestens dann weiß man, dass weder die eigene Qualifikation oder der persönliche Verantwortungslevel einen gleich hohen Lohn ermöglichen, sondern zum Großteil die Branche und die Verhandlungsmacht der Sozialpartner entscheidend für die Gehaltshöhe sind.“ Der zweite Aspekt ist jedoch, dass Frauen ihren beruflichen Aufstieg und ihr Gehalt seltener verhandeln würden als Männer, da sie erwarten, dass Unternehmen ihre Leistung anerkennen und von sich aus den ersten Schritt machen.

Was kann man bei Gehaltsunterschieden tun?

Was Unternehmen gegen den Gender Pay Gap tun sollten

Laut Martina Ernst gibt es viele Möglichkeiten, was Unternehmen für faire und gleichwertige Arbeitsbedingungen und Gehälter tun können, zum Beispiel: „Unternehmen sollten Kandidatinnen das Gehalt zahlen, das aufgrund der Funktion, Verantwortung und Leistung vorgesehen ist, auch wenn die Frau weniger gefordert hat.“ Auch interne Quoten nennt Ernst als Möglichkeit, um bewusst Frauen in Führungspositionen zu bringen.

In Bezug auf mögliche Maßnahmen der Politik führt Ernst an, dass diese zwar 2023 endlich erkannt habe, dass es Kinderbetreuungsmöglichkeiten brauche, nun aber alle auf die konkrete Umsetzung warten würden. Zudem wäre es sinnvoll, ein verpflichtendes Pensions-Splitting einzuführen und Einkommensberichte (die aktuell für Unternehmen ab 150 Mitarbeitenden verpflichtend sind) auszuweiten.

Was kann der*die einzelne Berufstätige in Bezug auf den Gender Pay Gap für sich tun?

Hier mahnt Martina Ernst ein: „Wer nichts fordert, wird beim Wort genommen und erhält genau das: NICHTS.“ Zwei wertvolle Tipps von ihr zur Vorbereitung auf Gehaltsverhandlungen: „Den Marktwert der eigenen Funktion/des eigenen Produkts googeln und sich im Bekanntenkreis und bei Mentor*innen Rat holen, was sie für die Tätigkeit verlangen würden – das bestärkt den eigenen Selbstwert. Sich top vorbereiten und auf keinen Fall vergessen, dass die Vorgesetzten/ Vertragspartner*innen oft nicht die Entscheider*innen sind – also gute Argumente liefern, die auch weiter oben in der Hierarchie noch stimmig sind.“ Martina Ernst berät auch selbst, wie Unternehmen und Mitarbeiter*innen zu fairer Vergütung kommen. Nach ihrer Tätigkeit als Personalchefin in der Finanzindustrie, Geschäftsführerin und Aufsichtsratsvorsitzende ist sie nun mit ihren Firmen www.SalaryNegotiations.at und www.FairandEqualPAY.com beratend tätig.

Tipps fürs Recruiting – gegen den Gender Pay Gap vorgehen

Gerade angesichts des aktuellen Fachkräftemangels in Österreich wird es notwendiger, noch mehr potenzielle Arbeitskräfte anzusprechen und in gezieltes Female Recruiting zu investieren. Auch Nikolai Dürhammer weist darauf hin, dass der Gender Pay Gap ein Thema ist, das alle Arbeitgeber angehen sollten:

Natürlich haben wir in unterschiedlichen Branchen unterschiedliche Gehaltsspannen, die üblich sind und auch erwartet werden können. Jedoch besonders bei Geschlecht und Alter tun sich oft innerhalb eines Berufes Kluften auf. Die Einkommensschere bei Frauen zeigt sich dabei oft schon im Studium – Frauen erwarten rund 7000 EUR weniger Einstiegsgehalt als ihre männlichen Kollegen. Ich würde fair also so definieren, dass innerhalb einer Branche und bei ähnlichem Ausbildungsgrad unabhängig von Geschlecht dasselbe bezahlt wird. Und auch bei den Generationen ist darauf zu achten, dass die Kluft nicht zu groß wird. Gerade in hart umkämpften Jobmärkten kann das der Vorsprung im Kampf um die Talente sein. Wer alle Mitarbeiter fair behandelt und bezahlt, stärkt damit seine Arbeitgebermarke.

Geschäftsführer von Stepstone Österreich & Schweiz

Welche konkreten Schritte lassen sich im Recruiting setzen, um gegen den Gender Pay Gap vorzugehen?

  • Recruiting-Prozesse evaluieren: Bestehende Recruiting Prozesse evaluieren und einen Code of Conduct installieren, um einem möglichen Genderbias aufzudecken und konkrete Maßnahmen dagegen vorzuschlagen.
  • Unconscious Bias Training für Recruiter*innen: Welche Aussagen und Formulierungen verwenden sie im Umgang mit weiblichen Bewerber*innen und welche Ideen oder Vorstellungen verbergen sich dahinter? Wie lässt sich das in Zukunft vermeiden?
  • Genderbias Decoder: Mit Hilfe des Genderbias Decoder von Stepstone lässt sich einfach ein unbewusster Genderbias in Stellenanzeigen aufdecken.
  • Gehaltstransparenz schaffen: Konkrete und realistische Angaben schon in den Stellenanzeigen machen, sodass der Verhandlungsspielraum von vornherein klar ist.
  • Offene Unternehmenskultur: Transparenz und ein offener Umgang sorgen dafür, dass auch allen Mitarbeiter*innen klar(er) wird, wie und wo es Gehaltsunterschiede gibt und warum.
  • Beiträge zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Dazu gehören vor allem Angebote zur Kinderbetreuung, zur Pflegefreistellung und auch flexible Arbeitszeiten – übrigens nicht nur für Frauen, sondern ebenso gleichberechtigt für Männer.
  • Wer macht Karriere? Es gilt, Klischeevorstellungen zu überwinden und auch Männern Elternteilzeit, Stundenreduktionen usw. (aktiv) anzubieten bzw. davon auszugehen, dass sie auch für Männer interessant sein können.

Autorin: Sabine Schönfellner
Bildnachweis: www.eyeem.com / Hadi NS

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