Gegenwind und Chancen im Gastro-Recruiting

Österreichs Recruiter*innen äußern sich in einer aktuellen Stepstone-Studie besorgt über den zusätzlichen Arbeitsaufwand, der durch unbesetzte Stellen entsteht. Wie Arbeitgeber auch in einer herausfordernden Lage eine starke Position einnehmen. 

Die Mehrbelastung des bestehenden Personals wird vor allem in der Gastronomie und Hotellerie als besonders große Herausforderung gesehen, und zwar in 65 Prozent der Unternehmen. Trotz stagnierender Wirtschaft und hoher Inflation sind die Verbrauchernachfrage und das Beschäftigungswachstum stark geblieben und der Tourismus in Österreich verzeichnet sehr gute Nächtigungszahlen. Die Wintersaison ähnelte bereits dem Rekordwinter 2018/19 und die erste Hälfte der Sommersaison 2023 (Mai bis Juli) verbuchte mit 39,5 Millionen sogar ein leichtes Nächtigungsplus von +1,7 Prozent im Vergleich zu 2019.

Auch die Einstellungsaussichten für Kandidat*innen sind durch den allgemeinen Fachkräftemangel gut und Arbeitgeber suchen in allen Branchen weiterhin Personal. Im ersten Halbjahr 2023 wurden österreichweit mehr als 270.000 Stellen ausgeschrieben. Im Vergleich zum letzten Halbjahr 2022 ist das sogar eine leichte Steigerung um 2 Prozent. Auch in der Hotellerie und Gastronomie bleiben die Ausschreibungen konstant hoch, so wurden im ersten Halbjahr 2023 25.700 Stellen ausgeschrieben, im Halbjahr davor waren es 26.000 Stellen.

Leider bleiben aufgrund des allgemeinen Arbeitskräftemangels viele davon zumindest eine Zeitlang unbesetzt: Durch den Fachkräftemangel verlängere sich mittlerweile spürbar die Zeitspanne von der Stellenausschreibung bis zur Besetzung einer offenen Stelle, das sagen 61 Prozent der befragten Personaler*innen. 58 Prozent beklagen unbesetzte Stellen und 65 Prozent spüren bereits die negativen Auswirkungen in der Mehrbelastung des bestehenden Personals.

Herausforderungen für Recruiter*innen in Österreich 

  1. Talente mit gefragten Fähigkeiten und Skills finden: 66 %
  2. Arbeits-/Fachkräftemangel: 63 %
  3. Mitarbeiter*innen halten und begeistern: 50 %
  4. den wachsenden Anforderungen gerecht werden (New Work, flexibles Arbeiten, etc.): 39 %
  5. passive Kandidat*innen erreichen & ansprechen: 35 %
  6. fehlende HR-Ressourcen: 28 %
  7. den Kulturwandel im Unternehmen begleiten: 21 % 

Herausforderungen im Tourismus und dem Gastgewerbe

  • Mitarbeiter*innen halten und begeistern: 56 % 
  • den wachsenden Anforderungen der Beschäftigten (New Work, flexibles Arbeiten, etc.) gerecht zu werden: 45 % 
  • den Kulturwandel im Unternehmen zu begleiten: 28 % 

Kulturwandel in der Gastronomie begleiten 

Diesen Kulturwandel im Unternehmen zu begleiten, Innovation zu fördern und den wachsenden Bedürfnissen der Beschäftigten nach flexibleren Rahmenbedingungen und Work-Life-Balance gerecht zu werden, sind wesentliche Herausforderungen, insbesondere für die Personalverantwortlichen der Gastronomie-, Lebensmittel- und Freizeitwirtschaft. Knapp 30 Prozent der befragten Recruiter*innen der Branche sehen den Kulturwandel als die große Challenge der kommenden Jahre an, mehr als in den anderen Branchen. 

Kein Wunder, unterlag das Gastgewerbe in den letzten Jahren doch immensen Veränderungen. Die Pandemie, neue Ansprüche der Gäste und der Wertewandel bei den Beschäftigten hin zu mehr Flexibilität und weniger Arbeitsstunden bereiten heute so manchem Gastronomen und so mancher Gastronomin Sorgen.

Starke Positionierung in herausfordernden Zeiten 

Drei Maßnahmen sind hierfür zentral: Erstens Mitarbeiter*innen motivieren, denn nur wer sich mit dem Arbeitgeber, seinen Produkten und Werten identifizieren kann, erzielt gute Leistungen. Wer etwa Entwicklungsmöglichkeiten und eine sinn- bzw. wertvolle Arbeit bietet, kann Beschäftigte motivieren. Zweitens ist es wichtig, in die attraktive und zukunftstaugliche Arbeitgebermarke zu investieren. Drittens: Strategisch Rekrutieren. Gefragte Positionen gut besetzt zu haben, ist wichtiger denn je, um sicherzustellen, dass kurzfristiger wirtschaftlicher Gegenwind den Geschäftserfolg nicht langfristig beeinträchtigt. 

Wechselbereitschaft nutzen, langfristig denken und Nachwuchs aufbauen 

Typisch für die Branche ist die hohe Wechselbereitschaft der Beschäftigten. Aktuelle Studien der Stepstone Group zeigen, dass ein großer Teil der Fachkräfte weltweit immer noch einen Arbeitsplatzwechsel in Erwägung zieht, auch wenn sich die Konjunktur aktuell abkühlt und die Einstellungszahlen sinken. In Deutschland ist die Wechselbereitschaft auf einem Höchststand.

In Österreich sagten Anfang des Jahres über 40 Prozent, dass sie einem Jobwechsel offen gegenüberstehen, in Hotellerie und Gastronomie sogar jeder zweite – Potenzial ist also da. Allerdings wird es immer wichtiger, nicht erst aktiv zu werden, wenn eine vakante Stelle besetzt werden soll und der Hut brennt, sondern sich vorausschauend zu positionieren, und zwar da, wo sich die gesuchten Profile bewegen und umsehen. Bei Kandidat*innen allgemein die Sichtbarkeit zu erhöhen ist zunehmend wichtig, ebenso, wie gute Talentpools aufzubauen. Ein großes Potenzial eröffnet sich auch jenen, die nicht nur reaktiv, sondern proaktiv auf Jobsuchende und Fachkräfte der Branche zugehen. Auch der Aufbau des Nachwuchses zahlt auf eine nachhaltige Recruiting-Strategie ein: Wer ausbildet baut nicht nur Fachkräfte, sondern auch Beziehungen auf.  

Tipps für erfolgreiches Gastro-Recruiting

Überforderung vermeiden

Auch wenn es angesichts von Unterbesetzung und langer Time-to-Hire schwierig ist: Überlastete, unzufriedene Mitarbeiter*innen wirken sich langfristig negativ auf Ihren Geschäftserfolg aus. 

Engagement steigern

Im Gegensatz dazu sind motivierte, glückliche Mitarbeiter*innen, die sich mit Ihrem Betrieb, Ihren Produkten und Werten identifizieren können, einfach leistungsfähiger. Employee Engagement muss daher in der Unternehmensführung eine Priorität sein. Eine groß angelegte internationale Stepstone-Studie zeigt, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen laufend und nachhaltig motivieren können.

Systematisch weiterbilden

Mit der systematischen Förderung und Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter*innen schlagen Sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Gezielte Weiterbildung steigert zum einen die Produktivität und erfüllt zum anderen persönliche Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen nach Weiterentwicklung und Sicherheit. Außerdem sind interne Akademien richtig gute Talentpools: Wer die eigenen Beschäftigten aufbaut und strategisch entwickelt, beugt unbesetzten Stellen vor und macht sich von der allgemeinen Arbeitsmarktsituation unabhängiger. 

Flexible Arbeitsbedingungen

Da branchenbedingt flexible Arbeitsbedingungen schwierig umzusetzen sind, versuchen Sie mit unterschiedlichen Arbeitsmodellen zu punkten, wie „keine Arbeit an Feiertagen“, mit „geregelten“ Arbeitszeiten oder Miteinbeziehung bei der Dienstplanerstellung. Auch die Verteilung der Arbeitszeit kann ein echter Benefit sein – immer häufiger werden in Stellenanzeigen der Branche etwa eine 5-Tage-Woche oder eine 4-Tage-Woche angeboten.

Teilzeitarbeit

Wunsch nach Teilzeitarbeit verstehen und begegnen: Körperliche Überlastung zählt zu den häufigsten Gründen, die gegen eine Vollzeitstelle sprechen. „Meine Arbeit fordert mich zu sehr, Vollzeit würde ich körperlich nicht schaffen“, sagt jede*r zweite Teilzeitangestellte im Gastgewerbe (Stepstone-Jobreport 2023). Wer es schafft, diese Belastungen am Arbeitsplatz zu reduzieren oder Unterstützung und Ausgleich anbieten kann, punktet als Arbeitgeber. 

Benefits personalisieren

Zwei Drittel der befragten Recruiter*innen gehen heute nicht auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Beschäftigten bei Benefits ein – ein großes Potenzial gerade für Arbeitgeber in der Gastro, wo man sowieso gewohnt ist, auf Bedürfnisse und Kundenwünsche zu reagieren.

Kulturwandel begleiten

Purpose, Nachhaltigkeit und Mitbestimmung:(Jungen) Mitarbeiter*innen ist heute wichtig, im Betrieb aktiv ihre Ideen einbringen zu können und in Entscheidungen eingebunden zu sein. Im Recruiting sollten Sie kommunizieren, welche aktive Funktion die Person haben wird, welcher Sinn und Zweck mit dieser Arbeitsstelle erfüllt wird, und auch, wie zukunftsorientiert und nachhaltig in Ihrem Betrieb gearbeitet wird.

Strategisch recruiten

Typisch für die Branche ist die hohe Wechselbereitschaft der Beschäftigten. In Hotellerie und Gastronomie steht jede*r zweite einem Jobwechsel in diesem Jahr offen gegenüber.  Immer wichtiger wird es, sich bei diesen Wechselwilligen und Jobsuchenden vorausschauend als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, allgemein präsent zu seien, etwa auf Karrieremessen und Branchenplattformen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Talentpools aufzubauen, aktiv auf Jobsuchende und Fachkräfte der Branche zuzugehen, den Nachwuchs fördern und vor allem: nicht erst aktiv zu werden, wenn eine wichtige Stelle akut besetzt werden muss. 

Kurze und einfache Bewerbungsprozesse etablieren

Sich in wenigen Klicks bewerben können, einfach seine Unterlagen hochladen und schnell eine Antwort erhalten – als Digital Natives erwarten sich vor allem junge Kandidat*innen einen einfachen und schnellen Bewerbungsprozess.  

Authentisches Employer Branding

Wer Jobsuchende und junge Menschen heute abholen will, punktet vor allem mit einem authentischen Auftreten. Wenn der Chefkoch persönlich auf der Jobmesse steht und von seinen positiven Erfahrungen im Arbeitsalltag spricht oder man Lehrlinge nach ihren Eindrücken fragen kann, wird der Arbeitgeber wirklich greifbar. 

Whitepaper zur Studie downloaden

Autorin: Corina Drucker
Bildnachweis: istock/PeopleImages

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