Bewerbungsprozess: 5 Phasen & Ablauf optimieren

Mit den Herausforderungen und unerwarteten Wendungen, die Recruiter*innen tagtäglich im Bewerbungsprozess erleben, ließen sich ganze Romane füllen: Das Rekrutieren eines Fullstack-Programmierers gleicht der beschwerlichen Suche nach dem Heiligen Gral, dann lässt die Absage der Traumkandidat*in in letzter Minute das ganze Team fassungslos zurück. Manches lässt sich eben nicht kontrollieren, die optimale Gestaltung des Prozesses hingegen liegt ganz in Ihrer Hand. Wir verraten Ihnen, was alles zum Bewerbungsprozess gehört und wie sich einzelne Aspekte optimieren lassen.

Bewerbungsprozess: Was ist damit gemeint?

Auf den Punkt gebracht: Der Bewerbungsprozess aus Unternehmenssicht beschreibt alle Phasen der Rekrutierung. Er startet mit der Ausschreibung einer Stelle anhand eines möglichst genauen Anforderungsprofils. Darauf folgt die Auswahl passender Kandidat*innen. Nach der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages endet der Bewerbungsprozess mit dem erfolgreichen Onboarding.

Modelle betrachten den Ablauf des Bewerbungsprozesses aus verschiedenen Blickwinkeln: Das Spektrum reicht vom optimalen Workflow mit der besten Kosten-Nutzen-Rechnung bis hin zur Perspektive der Kandidat*innen auf den Ablauf, der sogenannten Candidate Journey. Auch wenn ausgefeilte Potenzialdiagnostik äußerst nützlich ist, spielt die sogenannte Candidate Experience die Hauptrolle. Wie Bewerber*innen diesen Prozess auf einer persönlichen Ebene erleben, entscheidet darüber, ob sie die Stelle annehmen und wie sie anderen gegenüber über das Unternehmen sprechen. Wenn sich Kandidat*innen im Bewerbungsprozess wertgeschätzt fühlen, wirkt sich dies automatisch positiv auf das Unternehmensimage als Arbeitgeber aus. In Zeiten des vielbeklagten Fachkräftemangels ist dieser positive Beitrag zum Employer Branding unumgänglich.

Ablauf des Bewerbungsprozesses – die 5 wichtigsten Schritte

Im Folgenden beleuchten wir die 5 wesentlichen Phasen im Detail:

1. Ein klares Anforderungsprofil definieren

Die Basis, auf welcher der gesamte Erfolg des Bewerbungsprozesses aufbaut, bildet ein detailliertes und realistisches Anforderungsprofil. Es ist wesentlich einfacher, die richtige Person ohne Umwege zu finden, wenn deren gewünschte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften im Vorhinein klar sind. Dies gilt insbesondere für die kritischen Eigenschaften, die jemand haben muss, um in der gesuchten Position erfolgreich zu sein. Eine gute und ehrliche Kommunikation mit der Fachabteilung ist das A und O dafür. So lassen sich unliebsame Überraschungen und Enttäuschungen zu einem späteren Zeitpunkt im Laufe des Prozesses auf ein Minimum reduzieren. In größeren Unternehmen gibt es häufig bereits formale Stellenbeschreibungen, die eine ausgezeichnete Ausgangsbasis für die Suche liefern. Geborgt aus dem Marketing inspiriert nun auch im Recruiting die Idee einer sogenannten „Candidate Persona“, also dem fiktiven Profil der perfekten Persönlichkeit, um eine Stelle zu besetzen. Sie kann als gedankliche Basis für alle weiteren Maßnahmen dienen.

2. Eine aussagekräftige Stellenausschreibung formulieren

Ein treffend formuliertes Stelleninserat ist das Herzstück eines gelungenen Bewerbungsprozesses. Mehr Kann- und weniger Muss-Anforderungen laden eine breitere Anzahl an Bewerber*innen ein, sich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben. Bescheidenheit gilt als Tugend, nicht jedoch im Stelleninserat des 21. Jahrhunderts. Zeigen Sie potenziellen Interessent*innen, welche Benefits Sie bieten und erwähnen Sie nicht nur pflichtbewusst das Mindestgehalt. Wenn Sie bereit sind, mehr als das kollektivvertragliche Minimum zu bezahlen, erwähnen Sie dies unbedingt, entweder mit dem Hinweis auf (deutliche) Überbezahlung oder in der Form einer grafisch unterlegten Gehaltsspanne. Zu häufig schreckt ein zu niedriges Gehalt interessierte Bewerber*innen ab. Das ist mehr als bedauerlich, wenn Unternehmen bereit gewesen wären, mehr zu bezahlen, dies aber im Inserat unerwähnt lassen.

3. Geeignete Kanäle für die Suche auswählen und nutzen

Es gibt zahlreiche Wege Bewerber*innen zu finden. Wie die aktuelle Stepstone-Recruiter-Studie zeigt, nutzen 95 % der Personalsuchenden das klassische Online-Stelleninserat. Die große Reichweite, die ständige Verfügbarkeit und die hohe Popularität bei Bewerber*innen hieven das Medium auf Platz Eins der Recruiting-Kanäle. Filter ermöglichen es, dass Bewerber*innen passgenaue Inserate finden. Ein weiterer Vorteil für registrierte Jobsuchende ist die Option, sich mit nur einem einzigen Klick zu bewerben. Eine Win-win-Situation für beide Seiten, denn Unternehmen, die Bewerber*innen einen raschen und unkomplizierten Bewerbungsprozess bieten, liegen klar im Vorteil.

Nach den beliebten Online-Jobportalen folgen Social Media und die firmeneigene Karrierewebsite als Suchmethoden – häufig zusätzlich, um digitale Stelleninserate zu ergänzen. Interessanterweise verfügt jedoch weniger als die Hälfte der Unternehmen über eine aktuelle und gut gepflegte Karriereseite. Hier versteckt sich viel ungenutztes Potenzial, denn diese Seite ist häufig die erste digitale Anlaufstelle für interessierte Bewerber*innen. Neben ihrer zentralen Rolle im Employer-Branding liefert sie eine praktische Schnittstelle für eingehende Bewerbungen. Auch Mitarbeiterempfehlungsprogramme liegen seit einigen Jahren im Trend. Wenig verwunderlich, denn im sozialen Umfeld bereits erfolgreicher Mitarbeiter*innen weitere zu suchen, macht Sinn. Mehr als die Hälfte die Unternehmen nutzt diese Möglichkeit bereits.

4. Sichten der Unterlagen, Auswahlverfahren und Bewerberorganisation

In der nächsten Phase werden die eingehenden Bewerbungsunterlagen ausgewertet. Das Auswahlverfahren hängt von der jeweiligen Position und den Ressourcen des suchenden Unternehmens ab. Für die meisten Positionen erfolgen ein oder mehrere biografisch orientierte Vorstellungsgespräche, mitunter ergänzt durch weitere Testverfahren. Insbesondere bei der Auswahl von Führungskräften werden mitunter auch Assessment-Center durchgeführt. Parallel zur Suche und Auswahl erfolgt die laufende Verwaltung der eingehenden Bewerbungen.

Wie bereits oben erwähnt, legen viele Unternehmen noch Wert auf die klassische Bewerbung, einschließlich eines individuell erstellten Motivationsschreibens und der oftmals aufwendigen händischen Eingabe von Daten in ein Bewerbermanagementsystem. Insbesondere Personen, die nicht aktiv nach einem Job suchen, werden so davon abgehalten, ihre Fühler nach neuen Möglichkeiten auszustrecken. Wäre es nicht wesentlich bequemer, auf diese Weise Interessent*innen für sich zu gewinnen, als wochenlang Active Sourcing zu betreiben und wenige unpassende Bewerbungen mit ausführlichem Bewerbungsschreiben zu erhalten? Die „One-Klick-Bewerbung“ holt interessierte Personen dort ab, wo sie gerade stehen, beispielsweise auf ihrem Smartphone im Pendlerzug durch Stellenangebote scrollend, mit dem vagen Gedanken im Kopf, einen Arbeitsplatz in der Nähe zu finden. Mit der Funktion „Quick-Apply“ bietet auch Stepstone eine solche Lösung an.

Mehr als die Hälfte der in der Studie befragten Unternehmen führt Erstgespräche zum Kennenlernen der Kandidat*innen persönlich, knapp weniger als ein Drittel führt das Erstgespräch online und lädt in der zweiten Runde persönlich ein. Kommen im ersten Schritt mehrere Personen infrage und geht es um ein erstes Kennenlernen, bietet das Online-Gespräch ökonomische und zeitliche Vorteile. Es spart Ressourcen für die Anreise seitens der Bewerber*innen und lässt sich problemlos in nahezu jeden Terminkalender integrieren.

Ein gutes Bewerbermanagement-System spart Zeit, schafft Überblick und ermöglicht eine optimale Betreuung der Bewerber*innen. Rasche Rückmeldungen und freundlich formulierte Gedulds- und Absageschreiben vermitteln Kandidat*innen das Gefühl von Wertschätzung. Bleibt die zeitnahe Rückmeldung seitens des Unternehmens aus, leidet das Arbeitgeberimage. Wie die aktuelle Stepstone-Recruiter-Studie zeigt, verfügen zwar 59 % der Befragten über eine gute organisierte Bewerberdatenbank, dennoch nutzt nur jedes fünfte Unternehmen die Recruiting-Software für Terminmanagement und Datenpflege. Die Software auch hierfür zu nutzen, verringert administrativen Aufwand, ermöglicht es Interessent*innen optimal am Laufenden zu halten und spart Zeit, die für wichtigere Tätigkeiten bleibt. Ebenso bietet der Einsatz von KI (Künstlicher Intelligenz) bei standardisierten Tätigkeiten in dieser Phase großes Potenzial zur Verringerung der anfallenden Arbeit und der Steigerung der Effizienz. Erst 13 % der Unternehmen machen laut der aktuellen Stepstone-Recruiter-Studie davon Gebrauch. Insgesamt steckt also im digitalen Recruiting viel Optimierungspotenzial, das häufig noch nicht genutzt wird.

5. Vertragsunterzeichnung und Onboarding

Mit der Vertragsunterzeichnung ist der Bewerbungsprozess noch nicht zu Ende gedacht. Selbst wenn er in manchen Modellen mit der schriftlichen Fixierung der Arbeitstätigkeit abgeschlossen scheint, empfiehlt es sich nicht, sich danach zurückzulehnen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Nicht zuletzt aufgrund der guten Situation für Bewerber*innen kommt es vor, dass Kandidat*innen den Bewerbungsprozess einfach abbrechen. Immer öfter berichten HR-Verantwortliche vom Ghosting im Bewerbungsprozess: Bewerber*innen, die nach der Einladung zum Vorstellungsgespräch ohne Vorwarnung nicht zum Termin erscheinen oder sogar nach Unterschreiben des Arbeitsvertrags am ersten Tag im Job nirgends aufzufinden sind. Auch im Probemonat besteht für beide Seiten immer noch die Möglichkeit, es sich ohne Frist und Konsequenz anders zu überlegen. Das macht ein strukturiertes und gutes Onboarding umso wichtiger. In dieser Phase gilt es, den Neuankömmling aktiv sozial zu integrieren und zu binden. Gleichzeitig bietet sich das Onboarding dazu an, etwaige Qualifikationslücken zu schließen und den fachlichen Einstieg zu erleichtern.

Dauer des Bewerbungsprozesses

Die Dauer des Bewerbungsprozesses bis zur Vertragsunterzeichnung variiert von wenigen Tagen bis zu einigen Monaten. Ob der Bewerbungsprozess einem sportlichen Spint oder eher einem Spießrutenlauf gleicht, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Auch wenn die Position und die allgemeine Situation am Bewerbermarkt eine große Rolle spielen, haben Personalsuchende die Chance, den Prozess positiv zu beeinflussen. Einerseits durch die Nutzung geeigneter Suchstrategien, andererseits durch die geschickte Nutzung moderner Technologien, die den Bewerbungsprozess erleichtern und unterstützen.

Fazit

Mit einem klaren Anforderungsprofil bleibt so manche unliebsame Verzögerung während des Bewerbungsprozesses erspart. In vielen Betrieben gibt es im Bereich Digitalisierung und Automatisierung noch einiges an Optimierungspotenzial. Mit der One-Klick-Bewerbung statt aufwendiger Motivationsschreiben, mit digitaler Bewerbermanagement-Software statt einem Stapel ausgedruckter Lebensläufe und mit unkomplizierten Zoom-Meetings für das erste Kennenlernen lässt sich der Prozess für beide Seiten bequemer und zeiteffizienter gestalten. Effizienz und eine gute Candidate Experience stehen nicht im Widerspruch zueinander – bei der Erreichung beider Ziele greift den stark geforderten Recruiter*innen die Digitalisierung unter die Arme.


Autorin: Karina Rapp
Bildnachweis: istock/

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