Candidate Experience

Im Wettstreit um die besten Talente kann eine positive Candidate Experience den Unterschied machen. Wer sich darauf fokussiert, einen guten Gesamteindruck bei den Bewerber*innen zu hinterlassen, setzt damit auch den Startschuss für eine gelungene langfristige Zusammenarbeit.

Definition: Was versteht man unter Candidate Experience?

Unter der sogenannten Candidate Experience (auf deutsch: Erfahrungen von Bewerber*innen) versteht man alle Erfahrungen und Wahrnehmungen, die Bewerber*innen während der Bewerbungsphase bzw. im ersten Kontakt mit einem potenziellen Arbeitgeber haben. Das beginnt bei der Stellenanzeige, dem Internet- und Social-Media-Auftritt des Unternehmens und schließt alle Kontaktpunkte mit dem Unternehmen ein von der Einladung zu einem Bewerbungsgespräch, Rückmeldungen bis hin zur eventuellen Einstellung oder aber auch Absage. Aus all diesen Kontakt- und Berührungspunkten ergibt sich ein Gesamteindruck, den die Bewerber*innen über das Unternehmen formen, der sehr individuell sein kann.

Von der Candidate Experience abzugrenzen ist der sehr verwandte Begriff der Candidate Journey. Dabei wird der gesamte Weg der Bewerber*innen betrachtet, also der gesamte Bewerbungsprozess aus sich der Bewerber*innen. Hierbei geht es um die Reise, die neue Mitarbeiter*innen durchlaufe vom ersten Berührungspunkt mit dem Unternehmen bis hin zum Onboarding.

Warum ist die Candidate Experience (gerade jetzt) so wichtig?

Die Candidate Experience ist die Summe der ersten Eindrücke, die neue Mitarbeiter*innen mit einem Unternehmen haben. Verläuft diese gut, ist das die beste Voraussetzung für eine gute und langfristige Zusammenarbeit. In diesen ersten Erfahrungen können wichtige Grundsteine gelegt werden für gegenseitiges Vertrauen und dem Gefühl, den richtigen Arbeitsplatz für sich gefunden zu haben. Bedenken Sie dabei immer: Jeder Recruiting-Prozess kostet einem Unternehmen Zeit und Geld – für die Personalsuche, das Onboarding, die Einschulung sowie zuvor auch für das Offboarding von ausscheidenden Mitarbeiter*innen. Das Ziel sollte es daher immer sein, Arbeitnehmer*innen langfristig ans Unternehmen zu binden und auch keine Produkivitätsverluste sowie Knowhow-Verluste durch zusätzliche Abgänge zu riskieren. Und das beginnt bereits damit, die ersten Erfahrungen von Bewerber*innen positiv zu gestalten.

Hinzu kommt, dass die Situation am Arbeitsmarkt aktuell sehr schwierig ist. Durch das große Stellenangebot und den weiter anwachsenden Fachkräftemangel wird es für Unternehmen zunehmend schwieriger, gute Talente zu finden und für sich zu gewinnen. Durch eine positive Candidate Experience und ein gutes Employer Branding können sich Unternehmen von der Masse abheben und sich als attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren. Denn natürlich erhöht sich die Arbeitgeberattraktivität, wenn ein Unternehmen sich von Anfang an im Bewerbungsprozess engagiert und für eine positive Erfahrung der Bewerber*innen bemüht. Haben Bewerber*innen beispielsweise die Auswahl zwischen zwei verschiedenen Arbeitgebern mit vergleichbaren Angeboten, werden sie sich vermutlich für jenen entscheiden, bei dem der Gesamteindruck im Bewerbungsprozess positiver war.

Studie: Wie ist es um die Candidate Experience in Österreich bestellt?

Wie es um die Candidate Experience bzw. im weiteren Verlauf auch um die Employee Experience in Österreich bestellt ist, zeigt die Studie „Employee Experience – Nutzen Sie den Wow-Effekt?“ von StepStone und der Employer Branding Agentur Identifire. Daraus lassen sich Erkenntnisse zur Candidate Experience bei unterschiedlichen Kontaktpunkten ableiten: in der Stellenanzeige, im Bewerbungsprozess und auch wie es mit Feedback aussieht.

Candidate Experience in der Stellenanzeige

Standard-Ausschreibungen waren gestern. Wer auch in Zeiten des Fachkräftemangels die besten Talente für sich gewinnen möchte, sollte sich genau überlegen, was es in der perfekten Stellenanzeige braucht, um bei Bewerber*innen dieses Gefühl von „Wow, hier will ich arbeiten“ auszulösen. Dabei kommt es vor allem auf die folgenden Elemente an:

  • Ansprechpartner*innen namentlich nennen
  • Die Möglichkeit, sich digital in unter zehn Minuten zu bewerben
  • Angebot und Anforderungen halten sich die Waage
  • Team und Arbeitsumfeld sind genau beschrieben
  • Ein Company-Portal, das Einblicke in den Betriebsalltag bietet
  • Eine Variation von Formulierungen und Bildern, um unterschiedliche Bewerber*innen anzusprechen
  • Vermittlung der Unternehmenskultur über speziellen Videocontent
  • Aktives Anbieten eines Schnuppertages

Hier zeigt die Studie, dass diesbezüglich in den Unternehmen dieses Landes noch deutlich Luft nach oben gibt:

Umso besser für Ihr Unternehmen, wenn Sie bereits jetzt versuchen, all diese Punkte in Ihren Stellenanzeigen umsetzen.

Candidate Experience im Bewerbungsprozess

Der Bewerbungsprozess ist essenziell für die Bildung einer positiven Candidate Experience, denn in dieser Phase findet der erste persönliche wie auch telefonische Kontakt statt. Hier haben Unternehmen die Möglichkeit, mit zeitnahen Reaktionen, reibungslosen Abläufen und sympatischer Markensprache zu punkten. Unsere Studie zeigt, dass viele Unternehmen hier bereits punkten, wenn es beispielsweise darum geht, sich innerhalb von 14 Tagen bei den Bewerber*innen zu melden (73 Prozent), ein automatisiertes Empfangsmail zu versenden (72 Prozent) oder die Einladung zum Erstgespräch telefonisch durchzuführen (63 Prozent). Ausbaufähig ist jedoch die telefonische Absage nach einem Erstgespräch, was nur 45 Prozent der Unternehmen machen, sowie das Abklären von Erwartungen vor dem Erstgespräch, was nur von 41 Prozent der Unternehmen am Schirm haben. Dies zeigt auch die folgende Grafik:

Candidate Experience & Feedback

Wer auch künftig bei Talenten punkten möchte, sollte kontinuierlich daran arbeiten, die Candidate Experience zu verbessern. Beste Anhaltspunkte dafür, wo es hier noch Verbesserungspotenzial gibt, liefern Feedbacks von bisherigen Bewerber*innen. Unsere Studie zeigt jedoch: Nur 40 Prozent der befragten Manager*innen und HR-Expert*innen holen Rückmeldungen zur Candidate Experience ein. Wo es ebenfalls noch Luft nach oben gibt, zeigt die nachfolgende Grafik:

Candidate Experience: die verschiedenen Touchpoints mit Kandidat*innen

Im Laufe des Bewerbungsprozesses gibt es eine Vielzahl an Touchpoints. Darunter versteht man die Berührungspunkte der (potenziellen) Bewerber*innen mit dem Unternehmen.

Touchpoints vor der Bewerbung

Bevor die Bewerbung tatsächlich gesendet wird, werden von potenziellen Bewerber*innen Informationen eingeholt. Hierfür dienen die Website, die verschiedenen Kanäle in den sozialen Medien, Jobbörsen und die Stellenanzeige, die „Über uns“-Seite des Unternehmens, ein internes Jobportal aber auch Job-Messen, bei denen Firmen sich präsentieren. Auf all diese Bereiche haben Arbeitgeber Einfluss und können somit die Candidate Experience selbst mitgestalten. Weniger Einfluss haben Unternehmen bei Arbeitgeber-Bewertungen, die Kandidat*innen im Internet aufspüren können, um sich über das Unternehmen zu informieren.

Touchpoints während des Bewerbungsprozesses

Während des Bewerbungsprozesses können die Touchpoints sehr variieren – je nachdem in welcher Form der Auswahlprozess stattfindet, ob Sie diesen online oder persönlich gestalten und welche Tools dabei zum Einsatz kommen. Wichtige Touchpoints ergeben sich im Zuge der E-Mail-Kommunikation mit den Bewerber*innen, Telefonaten, Bewerbungsgesprächen (online oder offline), Assessment-Centern, Gespräche (telefonisch oder persönlich), etc.

Touchpoints im Zuge der Einstellung

Hier sind vor allem folgende Touchpoints zu nennen: Zusage-Gespräch (telefonisch oder persönlich), Kennenlern-Treffen mit zukünftigen Kolleg*innen, Probewoche, Vertragsgestaltung, Termin zur Vertragsunterzeichnung, Onboarding-Prozess (persönlich oder online), Unternehmensmappe, etc.

Achtung: Vergessen Sie nach erfolgreicher Besetzung der offenen Position nicht, dass neben der Zusage für jene Bewerber*innen, für die Sie sich entschieden haben, auch alle anderen Bewerber*innen eine Absage auf ihre Bewerbung erhalten sollten. Im Idealfall nehmen Sie sich hierfür Zeit, dies telefonisch durchzuführen, um diesen Kandidat*innen auch eine gewisse Wertschätzung entgegenzubringen und somit zu einer positiven Candidate Experience beizutragen.

6 Tipps für eine positive Candidate Experience

  • Stellenanzeige an die Bedürfnisse der Bewerber*innen anpassen: Überlegen Sie sich, was Kandidat*innen brauchen, um sich von der Stellenanzeige angesprochen zu fühlen. Was sorgt dafür, dass sie sich denken „Genau hier möchte ich arbeiten“. Heben Sie sich dabei von der Konkurrenz ab und punkten Sie vor allem auch mit Einblicken in Ihr Unternehmen. So können sich potenzielle Bewerber*innen bereits vorab vorstellen, wie es wäre, bei Ihnen tätig zu sein.
  • Auf Video-Content setzen: Mit Videos können Sie viel mehr Eindrücke gewähren als mit Texten. Stellen Sie potenziellen Bewerber*innen Ihr Unternehmen vor. Am authentischsten gelingt das, wenn auch bestehende Mitarbeiter*innen zu Wort kommen und sie exklusive Eindrücke in den Arbeitsalltag liefern. Das ist die beste Möglichkeit, damit Kandidat*innen sich ein umfangreiches Bild von Ihnen als Arbeitgeber machen können und sich schon ein bisschen hineinfühlen können, wie es wäre, für Sie zu arbeiten.
  • Information is key: Zu Beginn brauchen Bewerber*innen vor allem eines: Informationen. Je unbekannter das Unternehmen ist, desto wichtiger sind Informationen. Dazu zählen jedoch nicht nur die wichtigsten Eckdaten, sondern auch Informationen zur Unternehmenskultur, den Corporate Benefits, dem Engagement für die Mitarbeiter*innen, usw. Bleiben Sie hier jedoch auf dem Boden der Tatsachen und versprechen Sie nicht das Blaue vom Himmel, das Sie im Anschluss nicht einhalten können. Authentizität und Ehrlichkeit sind das A und O. Ebenso wichtig ist es, dass Sie den Bewerber*innen die Möglichkeit bieten, Fragen zu stellen – und zwar sowohl vor, während als auch nach dem Bewerbungsgespräch. So fühlen sie sich ernst genommen und erkennen das wahre Interesse, das Sie von anderen Arbeitgebern unterscheiden kann.
  • Auf Schnelligkeit im Bewerbungsprozess setzen: Bewerber*innen wenden nicht gerne viel Zeit für die Bewerbung auf. Der Trend geht deutlich hin zu mobilen Bewerbungsmöglichkeiten und ein Großteil der Bewerber*innen wünscht sich, nicht länger als 30 Minuten in die Bewerbung investieren zu müssen. Berücksichtigen Sie dies bei der Gestaltung Ihres Bewerbungsprozesses und nutzen Sie beispielsweise Stepstone Quick-Apply. Sollen Sie wirklich mehr Informationen Ihrer Kandidat*innen benötigen, können Sie diese auch zu einem späteren Zeitpunkt im Bewerbungsprozess noch einholen. Schnelligkeit ist nicht nur bei der Übermittlung der Bewerbungsunterlagen gefragt, sondern auch in der Kommunikation im gesamten Recruitingprozess. Das bedeutet: auch schnelle Rückmeldung nach Eingang der Bewerbungsunterlagen, rasche Entscheidung nach dem Bewerbungsgespräch etc.
  • Persönlicher Kontakt im Bewerbungsprozess: Kandidat*innen wollen sich von Anfang an gut aufgehoben in Ihrem Unternehmen fühlen. Dafür ist der persönliche Kontakt besonders wichtig. Dazu zählt, dass bereits in der Stellenanzeige eine Ansprechperson genannt wird und auch zu allen weiteren Phasen des Bewerbungsgespräches jemand zur Verfügung steht, an den Fragen gerichtet werden können. Je mehr Sie zudem auf telefonischen Kontakt an Stelle von schriftlicher Korrespondenz setzen, desto besser für die positive Candidate Experience.
  • Bedeutung von Absagen nicht unterschätzen: Auch wenn Sie sich gegen Bewerber*innen entschieden haben, ist es wichtig, sich auch hier für eine positive Candidate Experience zu bemühen. Denn auch jene Personen, die nicht für den Job ausgewählt wurden, können Arbeitgeber-Bewertungen abgeben. Zudem kann es sein, dass sie zwar nicht die richtigen für diese eine Stelle waren, aber in Zukunft vielleicht perfekt auf eine andere Stelle passen (Talentepool). Nehmen Sie sich also die Zeit, zumindest bei jenen Kandidat*innen, die Sie bereits zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen hatten, die Absage telefonisch durchzuführen (statt standardisierte E-Mails zu versenden) und nennen Sie auch Gründe. Dadurch bringen Sie ihnen Wertschätzung entgegen und können sie vielleicht für künftige Ausschreibungen wieder gewinnen. Wer sich im Bewerbungsprozess wirklich viel Mühe gibt, ist etwa Red Bull – dieser Beitrag ist viral gegangen. Und das mit ganz vielen positiven Gefühlen, obwohl dem Kandidaten abgesagt wurde:

Candidate Experience wird Employee Experience

Die Candidate Experience ist ein wichtiger Teil der im Anschluss entstehenden Employee Experience. Darunter versteht man, wie Mitarbeiter*innen das Unternehmen wahrnehmen. Für diesen Gesamteindruck über die Firma ist natürlich auch der Start im Unternehmen wichtig, also welche Erfahrungen die Arbeitnehmer*innen im Zuge des Bewerbungsprozesses und auch während des Onboardings bzw. digitalen Onboardings gemacht haben. Mehr zur positiven Gestaltung der Mitarbeiterwahrnehmung und dem gezielten Employee Experience Management erfahren Sie in unserem Artikel zur Employee Experience.

Autor: Beatrix Mittermann
Bildnachweis: www.eyeem.com / Westend61

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