Überqualifikation am Arbeitsplatz

Warum solltest du dich für eine Stelle bewerben, für die du überqualifiziert bist und wie überzeugst du den Personaler von dieser Idee?


19.06.2018

Es muss nicht immer negative Folgen haben, wenn du auf der Karriereleiter eine Stufe nach unten wanderst. In einigen Fällen kann es durchaus Sinn machen. Wir verraten dir, warum es manchmal auch seine Vorteile hat, sich für eine Stelle zu bewerben, für die man überqualifiziert ist.

Gründe und Argumente für eine Bewerbung bei Überqualifikation

1. Der Einstieg in dein Traumunternehmen

Ausgangssituation 1: Stelle dir vor, du hast soeben dein Studium der Kommunikationswissenschaften abgeschlossen und dein Traum ist es, im Redaktionsteam eines Fernsehsenders als Journalist(in) zu arbeiten. Aber hunderte anderer begabter, junger Hochschulabsolventen haben garantiert genau denselben Traum.

Lösung: Wenn es schwierig ist, direkt in die gewünschte Position in deinem Wunschunternehmen einzusteigen, kannst du zunächst eine andere Stelle anvisieren, für die du überqualifiziert bist. So hast du zumindest den ersten Fuß in der Türe des Unternehmens und hast die Möglichkeit, dich zu deinem eigentlichen Traumjob hochzuarbeiten. Aber Vorsicht: Bewerbe dich nur, wenn du dir sicher bist, dass du innerhalb des Unternehmens aufsteigen kannst.

Argumente für den Arbeitgeber: Am besten legst du beim Bewerbungsgespräch die Karten offen auf den Tisch. Wenn du nach deiner Motivation für die Bewerbung gefragt wirst, dann sage ganz ehrlich, dass du hochmotiviert bist, weil du darin eine Chance siehst, dich auf deine Wunschposition in deinem Traumunternehmen hochzuarbeiten. Das zeugt davon, dass du nicht davor zurückscheust, hart zu arbeiten, um über kurz oder lang jene Stelle zu erlangen, von der du träumst. Als zusätzliches Argument kannst du einbringen, dass du auf diesem Weg das Unternehmen, die Abläufe, die Strukturen und die Kultur bereits kennenlernen kannst, um dieses Wissen dann auch für die neue Stelle zu nutzen.

 

2. Etwas kürzer treten

Ausgangssituation 2: Du arbeitest seit Jahren als Risikomanager/in bei einem amerikanischen multinationalen Konzern. Nun bist du Mutter oder Vater geworden und merkst, dass sich deine Prioritäten geändert haben. An Stelle von langen Arbeitstagen, stundenlangem Pendeln und dem Lebensziel, die Karriere voranzutreiben, möchtest du nun eher mehr Zeit mit der Familie verbringen und berufliche Abstriche machen.

Lösung: Auch in diesem Fall kann eine Bewerbung für eine Abhilfe schaffen, für die du überqualifiziert bist, die dir aber mehr Freiheiten einräumt. Durch ein kleineres, lokaleres Unternehmen in deiner Nähe ersparst du dir lange Anfahrtszeiten und wenn du dort keine Managerposition mehr hast, verkürzen sich damit vielleicht auch die überlangen Arbeitstage zu regulären, planbaren Arbeitszeiten.

Argumente für den Arbeitgeber: Unsere Prioritäten verändern sich im Laufe unseres Lebens. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Auch hier kommst du mit Ehrlichkeit am Weitesten: Erwähne, dass du nach einer Stelle gesucht hast, die sich mit deinen Kenntnissen und Fähigkeiten deckt, die dir aber auch genügend Freiräume lässt. Der neue Arbeitgeber versteht bestimmt, dass Zehn-Stunden-Tage plus ein einstündiger Anfahrtsweg morgens und abends nicht unbedingt mit einer Familie kompatibel sind.  Immerhin ist es ein guter Grund, sich für eine Stelle unter deinen Qualifikationsniveau zu bewerben. Und im schlimmsten Fall: Sollte er es nicht verstehen, ist die ausgewählte Firma vermutlich auch nicht die richtige für deine Zielsetzung.

 

3. Sprungbrett zu einer neuen Karriere

Ausgangssituation 3:  Du hast Wirtschaftswissenschaften studiert, wie sich deine Eltern das immer gewünscht haben, aber du hast im Herzen immer schon davon geträumt, als Koch/Köchin zu arbeiten.

Lösung: Bei radikalen beruflichen Veränderungen kann es sinnvoll sein, sich vielleicht um einen Wochenendjob zu bewerben. In diesem Fall: als Assistent bei einem Koch. So sammelst du Erfahrung auf dem Gebiet, für das du dich interessierst, und zugleich zeigst du deinen künftigen Arbeitgebern, dass du ernsthaft zum Einstieg in eine neue Laufbahn entschlossen bist.

Argumente für den Arbeitgeber: Das Zauberwort heißt hier: Bescheidenheit und harte Arbeit. Nur, weil du ein abgeschlossenes Hochschulstudium mitbringst und in der entsprechenden Branche bereits gearbeitet hast, bedeutet das nicht, dass du als Quereinsteiger in einem anderen Beruf ebenfalls in einer höheren Position einsteigen. Der Wille, in einer assistierenden Stelle einzusteigen und den Beruf von Grund auf zu erlernen, spricht in diesem Fall für dich. Erkläre dem Arbeitgeber deinen neuen Karrierewunsch und die Bereitschaft, dafür auch Gehaltseinbußen in Kauf zu nehmen. Wenn du wirklich von dem neuen Karriereweg überzeugt bist, dann lässt sich mit dieser Motivation auch der Arbeitgeber überzeugen.

 

4. Der Weg aus der Arbeitslosigkeit

Ausgangssituation 4: Stelle dir vor, du bist schon länger arbeitslos. Theoretisch würdest du gerne als Bankettmanager in einem Hotel arbeiten, da du in diesem Bereich schon Jahre Berufserfahrung mitbringst und bestens dafür ausgebildet bist. Seit mehreren Monaten sind in diesem Bereich jedoch keine Stellen ausgeschrieben.

Lösung: Flexibilität kann dir in dieser Situation helfen. Vielleicht wäre es für den Übergang eine Lösung, sich nach einer weniger qualifizierten Stelle umzusehen. Auch in anderen Bereichen kannst du Erfahrungen sammeln, wie zum Beispiel in der Event-Abteilung eines großen Unternehmens. Außerdem kannst du in der Meetingorganisation diverser Firmen tätig werden. Der Vorteil für dich ist, dass du die Arbeitslosigkeit hinter dir lässt und wieder ein Einkommen beziehst. Außerdem ist es in der Regel einfacher, eine passendere Stelle zu finden, wenn du bereits in Arbeit bist, als wenn du arbeitslos bist.

Argumente für den Arbeitgeber: Hier macht es wenig Sinn, komplett ehrlich zu sein, und dem neuen Arbeitgeber zu sagen, dass die Stelle für dich nur eine Übergangslösung ist. Fokussiere dich stattdessen auf das Positive: Erwähne, dass du auch in einem verwandten Bereich Erfahrungen sammeln willst. Der Vorteil für den Arbeitgeber liegt darin, dass du bereits mit Berufserfahrung einsteigst und damit die Herausforderung antrittst, dein Wissen in einem anderen Bereich bestmöglich einzusetzen und an den neuen Aufgaben zu wachsen.

 

5. Der Weg zurück von einer Führungsposition

Ausgangssituation 5: Viele träumen am Beginn ihrer Karrierelaufbahn vom großen Ziel einer Führungsposition. Verantwortung, Mitarbeiter führen, ein entsprechend hohes Gehalt – vieles spricht für eine Führungsrolle. Nicht jeder fühlt sich in dieser Position jedoch langfristig wohl. Denn irgendwann überwiegt vielleicht auch die Schattenseite der Managementrolle: der enorme Zeitaufwand. Verantwortung zu übernehmen bedeutet in vielen Fällen auch, ständig erreichbar zu sein, Überstunden werden oft zum Normalfall und irgendwann stellt man sich die Frage, wie lange man das Privatleben und die Freizeitgestaltung derart auf Eis legen möchte.

Lösung: Wer nicht länger den Stressfaktoren einer Führungsrolle ausgesetzt sein möchte und danach strebt, einen geregelten Tagesablauf zu haben, kann sich nach Stellen umsehen, die zwar den persönlichen Stärken entsprechen, die einem aber weniger abverlangen. In den meisten Fällen handelt es sich dabei jedoch um Stellen, für die du überqualifiziert bist. Denn wer einmal Führungsaufgaben übernommen hat, übertrifft meist die Anforderungen anderer Stellen. Das sollte jedoch kein Hindernis sein. Überlege dir, in welcher Position du dich stattdessen wohlfühlen würdest und bewerbe dich einfach dafür. Downshifting ist das Zauberwort, das dir mehr Zeit für dein Privatleben gibt.

Argumente für den Arbeitgeber: Dem neuen Arbeitgeber klar zu machen, weshalb man zukünftig auf eine Führungsrolle verzichten möchte, ist nicht immer einfach. Hier kann es Sinn machen, ehrlich zu sagen, dass sich deine Prioritäten geändert haben. Du kannst außerdem anmerken, dass jene Tätigkeiten, die du vor deiner Führungsposition ausgeübt hast, jene waren, die dir am meisten Spaß gemacht haben (sofern das auch die Tätigkeiten sind, mit denen du bei der neuen Stelle betraut sind). Wenn du damit argumentierst, dass die Führungsstelle zwar der logische nächste Schritt für dich war, du dadurch aber nur noch wenig Zeit für jene Aufgaben hatten, denen du immer am liebsten nachgegangen bist, ergibt sich der Rückschritt auf der Karriereleiter als logische Konsequenz, die auch für den Personaler nachvollziehbar ist.

 

Tipps & Tricks für die Bewerbung

✓ Versuche bereits im Anschreiben bei der Beschreibung deiner Kompetenzen und Stärken nicht zu dick aufzutragen und erwähne vorrangig nur jene, die auch für die Stelle relevant sind. Dadurch sieht der neue Arbeitgeber nicht auf den ersten Blick, dass du überqualifiziert bist.

✓ Im Lebenslauf ist das schon etwas schwieriger, denn der chronologische Aufbau setzt voraus, dass du alle Anstellungen und Berufserfahrungen auflistest. Auch hier kann es jedoch Sinn machen, durch fettgedruckte Hervorhebungen den Blick des Arbeitgebers auf jene Teilaspekte deiner Arbeit zu lenken, die für die neue Position relevant sind. Das hat außerdem den Vorteil, dass jene Teilaspekte, die sie überqualifiziert erscheinen lassen ein wenig in den Hintergrund rücken.

✓ Im Bewerbungsgespräch empfiehlt es sich, genauer auf deine Motivation einzugehen und auch vorherige Anstellungen nicht allzu sehr zu thematisieren. Mache dem Personaler klar, weshalb du dich für die Stelle beworben hast und wieso dich die Aufgaben interessieren. Dann wird auch die Überqualifizierung ein wenig zum Nebenthema.

 

Vorurteile gegen überqualifizierte Bewerber und wie du diese aus dem Weg räumst

Neben diesen situationsbedingten Argumenten, die du gegenüber einem potentiellen Arbeitgeber vorbringen kannst, gibt es noch andere Vorurteile, die auf dich zukommen könnten. Diese sind meist unabhängig von deiner persönlichen Situation und werden oft im Falle von überqualifizierten Bewerbern als Absagegrund herangezogen. Wir zeigen dir, wie du richtig konterst und am besten gleich in deinen Bewerbungsunterlagen klarstellst, dass sie auf dich nicht zutreffen:

 

Vorurteil 1: Überqualifizierte Bewerber sind zu teuer.

Oft haben Arbeitgeber die Befürchtung, dir viel zu viel zahlen zu müssen, weil du über mehr Qualifikationen verfügen, als für die ausgeschriebene Stelle gefordert werden. Dieses Argument ist aber leicht aus der Welt zu schaffen. Wenn du dich bewusst für eine Stelle entscheidest, für die du überqualifiziert bist, hast du vermutlich deine Gründe dafür (mehr Zeit für die Familie oder Freizeit, Einstieg in dein Traumunternehmen, weniger Stress, Sprungbrett zu einer neuen Karriere, etc.). Und wenn es wirklich das ist, was du willst, musst du auch die Konsequenz daraus ziehen und dich mit einem geringeren Gehalt zufriedengeben. Wie bringst du diese Tatsache jedoch auch stimmig in deine Bewerbungsunterlagen/Bewerbungsmappe? Am leichtesten ist es, wenn ohnehin bereits im Stelleninserat nach deinen Gehaltsvorstellungen gefragt wird. In diesem Fall orientiere dich einfach nach den marktkonformen Gehältern und zwar jene, die sich an der Position orientieren und nicht jene, die du für deine Ausbildung und Berufserfahrung normalerweise erhalten würdest. Solltest du im Stelleninserat nicht nach deinem Gehaltswunsch gefragt werden, musst du die Information geschickt in einem Satz verpacken – am besten in Zusammenhang mit deiner persönlichen Motivation. Hier ein Beispiel:

Bisher zählten ein hohes Gehalt und Führungsaufgaben zu meinen beruflichen Zielen. In den letzten Monaten habe ich jedoch für mich festgestellt, dass sich meine Prioritäten geändert haben. Daher bin ich nun auf der Suche nach einer Tätigkeit, für die ich mich wirklich begeistern kann und die mich erfüllt und genau diese habe ich in Ihrem Stelleninserat gefunden.“

 

Vorurteil 2: Überqualifizierte Bewerber langweilen sich schnell.

Dieses Vorurteil wird von Personalern zwar oft nicht offen ausgesprochen, aber es schwebt ihnen dennoch oft im Hinterkopf. Wir empfehlen dir daher, auch in deiner Bewerbung nicht direkt dazu Stellung zu beziehen, sondern über einen kleinen Umweg klar zu machen, dass das auf dich nicht zutrifft. Am besten geht das, indem du deutlich deine Motivation klarmachst, die hinter der Bewerbung steckt. Erkläre, was dich an der Stelle reizt, in welchen Tätigkeiten deine Leidenschaft steckt und weshalb genau du diese Position füllen möchtest. Wenn dir das gelingt, wird beim Personaler auch nicht der Gedanke aufkommen, dass die Stelle langweilig für dich sein könnte.

 

Vorurteil 3: Überqualifizierte Bewerber sehen die Stelle nur als Übergangsjob.

Auch im Kampf gegen dieses Vorurteil kann es helfen, deine Motivation genau zu begründen. Stelle sicher, dass der potentielle neue Arbeitgeber das Gefühl hat, du möchtest diesen Job nicht nur für ein paar Monate ausüben und dann bereits nach der nächsten Stelle Ausschau halten. Der Bewerbungsprozess ist für Unternehmen meist ein langwieriger Prozess, für den sich Mitarbeiter abstimmen müssen, für den Geld ausgegeben wird, um die nötigen Inserate zu schalten, vom Zeitfaktor für die Sichtung der Bewerbungen, Bewerbungsgespräche und die letztendliche Entscheidung ganz zu schweigen. Klar möchte der Arbeitgeber dann auch sicherstellen, dass du auch längerfristig im Unternehmen tätig sein wirst. Am besten vermittelst du Loyalität, indem du hervorheben, weshalb die Firma für dich den idealen Arbeitsort darstellt und was dich an den Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle reizt.

 

Vorurteil 4: Überqualifizierte Bewerber sind faul und möchten sich in einer niedrigeren Anstellung ausruhen.

Dieses Vorurteil wird dir vermutlich kein Arbeitgeber offen ins Gesicht sagen. Denken kann er es aber trotzdem. Um dieser falschen Annahme entgegenzuwirken, musst du die Gründe für deine Entscheidung auspacken. Wenn es dir  beispielsweise darum geht, mehr Zeit mit deiner Familie zu verbringen, sage das auch so. Hast du erst nach 20 Jahren in einer Branche gemerkt, dass dein Herz für eine andere Tätigkeit schlägt, dann ist das eben so. Jeder Mensch hat das Recht, seine Prioritäten selbst zu setzen und diese auch im Laufe seines Lebens neu anzupassen. Wichtig ist nur, dass du es gut begründest, damit nicht andere Motive vom Personaler angenommen werden. Und wie schon vorhin erwähnt: Sollte der Arbeitgeber dies gar nicht verstehen, ist er vielleicht auch nicht der richtige Arbeitgeber für dich.

Du bist gerade auf Jobsuche? Durchsuche unsere Liste mit attraktiven Stellenangeboten bei Stepstone.at.

Bildnachweis: jhorrocks/ Quelle: istockphoto.com

Bewerbungsratgeber

Bewerbungsunterlagen, Vorstellungsgespräch & vieles mehr im handlichen Stepstone Bewerbungsratgeber

Aktuelle Jobs