Home Office & Coffee Badging

Nach Phänomenen wie Great Resignation oder Quiet Quitting macht nun der nächste Trend aus den USA die heimische Arbeitswelt unsicher: Coffee Badging. Wir zeigen, was hinter dem Phänomen steckt und was es mit der Zukunft von Home Office und hybrider Arbeit zu tun hat.

Coffee Badging – auf einen Kaffee ins Büro und zum Arbeiten nach Hause

Direkt übersetzt bedeutet Coffee Badging, die Kaffeekarte stempeln oder sich ein Abzeichen für den Kaffee holen. Im beruflichen Kontext betreiben Angestellte Coffee Badging, wenn sie für eine kurze Zeit – zum “Kaffee trinken” und einstempeln – ins Büro kommen, um die minimale Präsenzzeit vor Ort zu erledigen und dann wieder nach Hause fahren, wo sie den Rest des Tages arbeiten. 

Das klingt zunächst etwas absurd, laut einer Umfrage von Owl Labs legen jedoch 38 Prozent deutscher Arbeitnehmer*innen und mehr als die Hälfte der Befragten aus den USA dieses Verhalten an den Tag. Eine Entwicklung also, die Unternehmen und Recruiter*innen ernst nehmen sollten, denn sie wurzelt in einer drängenden Fragestellung: Welchen Stellenwert haben Home Office und Hybrides Arbeiten in einer Arbeitswelt nach der Pandemie?

Home Office: Teils konträre Erwartungen von Unternehmen und Arbeitnehmern

In der Hochphase der Corona-Pandemie hatten viele Unternehmer*innen festgestellt, dass das hybride bzw. remote Arbeiten nach einer Eingewöhnungsphase wider aller Zweifel sehr gut funktionierte. Angestellte profitierten von einer besseren Work-Life-Balance und Vorgesetzte von produktiveren Mitarbeiter*innen, Unternehmen wie Twitter oder Microsoft riefen ein “New Normal” aus. Heute, wo die (Arbeits-)Welt sich wieder eingependelt hat, scheinen Arbeitgeber*innen nicht mehr ganz so überzeugt davon, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass Bereiche wie interne Kommunikation und Teamgeist im remote Office teils leiden.

So hat etwa ausgerechnet der Videotelefonie-Anbieter Zoom seine 100-Prozent-Homeoffice Regelung jüngst abgeschafft und verpflichtet Mitarbeiter*innen zu Fixzeiten im Büro. Laut einer internationalen Umfrage von KPMG teilen 64 Prozent der CEOs diese Haltung und erwarten, dass ihre Angestellten binnen der nächsten drei Jahre wieder zur Gänze ins Büro zurückkehren.

Arbeitnehmer*innen wiederum haben die Vorteile von mehr Flexibilität und Eigenständigkeit im Home Office genossen und suchen deswegen neue Wege, um diese beizubehalten – Coffee Badging ist solch ein Workaround, aber letztendlich nur eine temporäre Lösung.

So steht es um Home Office in Österreich

Home Office ist in Österreich für viele Branchen und Berufe immer noch ein recht neues Konzept, am meisten arbeiten Angestellte aus der IT-, Finanz- und Kommunikations-/Kreativbranche zu Hause. Landesweit ist die Home-Office-Quote von 16,3 Prozent vor der Pandemie auf heute rund 25 Prozent gestiegen (Quelle: BMAW). In einer gerade veröffentlichten Studie von identifire/M.O.O.CON/Pendl Piswanger wurden Kultur-Arbeiter*innen zu Home Office befragt und hier ist die Quote mit 92 Prozent wesentlich höher.

In welchem Ausmaß und ob Remote Work erlaubt ist, wird individuell zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen vereinbart, denn gesetzlich ist dies bis dato nicht geregelt. Im EU-Durchschnitt arbeiten Vollzeitangestellte zwei Tage in der Woche daheim, was sich als gutes Maß etabliert hat – ab vier Tagen Home Office muss eine gut abgestimmte Zusammenarbeitskultur etabliert werden. Eine Stepstone Umfrage zeigt, dass die meisten am liebsten ein bis drei Tage bzw. 10-50 Prozent im Homeoffice arbeiten möchten.

Wie wirkt sich Home Office & Coffee Badging auf Recruiting und den Arbeitsmarkt aus?

Home Office und hybrides Arbeiten haben Arbeitgeber*innen und Recruiter*innen vor neue Herausforderungen gestellt. Zum einen ist der administrative Aufwand bei Angestellten mit verschiedenen Flexibilitäts-Vereinbarungen höher, zum anderen mangelt es an Transparenz der Arbeitsprozesse und Raum für sozialen oder kreativen Austausch. Das Bedürfnis von CEOs nach mehr Struktur ist nachvollziehbar, allerdings hat sich im Zeitraum der Corona-Pandemie auch eine Transformation am Arbeitsmarkt vollzogen, die die Erwartungen und Bedürfnisse von Arbeitnehmer*innen nachhaltig verändert hat.

Macht-Shift am Arbeitsmarkt: vom Arbeitgeber- zum Kandidatenmarkt

Globale Megatrends wie der demografische Wandel in der Bevölkerung und die Digitalisierung von Arbeit und Freizeit haben zu einem anhaltenden Fachkräftemangel geführt. Die dringliche Auftragslage und Arbeiter*innen-Nachfrage hat wiederum das Machtgefüge zwischen Arbeitgeber und -nehmer*in verschoben, sodass Angestellte und Jobsuchende nun die Karten in der Hand halten. Der Stepstone Jobreport 2023 stellt fest, dass  62 Prozent von Jobkandidat*innen ihre eigenen Chancen am Jobmarkt als gut oder sehr gut einschätzen. Diese gesteigerte Verhandlungsmacht und Selbstbewusstsein auf Seiten der Angestellten führt zu einer höheren Jobwechselbereitschaft (43 Prozent), besonders jüngere Arbeitnehmer*innen sind kompromisslos, wenn ein Unternehmen nicht auf ihre Bedürfnisse eingeht. Für Recruiter*innen und Entscheidungsträger*innen muss der Fokus im “War for talents” daher auf Employee Engagement und Arbeitgeberattraktivität liegen.

Flexibilität als Gamechanger im Recruiting

In der Praxis bedeutet das zunächst, die Erwartungen und Wünsche angestellter und potenzieller Teammitglieder besser zu kennen, um mit konkreten Maßnahmen darauf eingehen zu können. In einer internationalen Studie hat Stepstone herausgefunden, dass nur rund ein Viertel der Angestellten ein starkes Engagement für ihren Arbeitgeber zeigen und diesen Jobsuchenden weiterempfehlen würden.

Die größte Unzufriedenheit zeigt sich laut unserem Jobreport im Bereich Arbeitsflexibilität, fast 40 Prozent fordern etwa flexiblere Arbeitszeiten oder mehr Möglichkeiten für Remote Work. Mehr als drei Viertel der Arbeitnehmer*innen ist eine gute Work-Life-Balance sehr wichtig. Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer von Stepstone Österreich, stellt dazu fest: „Flexible Arbeitsmodelle sind nicht mehr nur ein Bonus, sondern das Rückgrat der modernen Arbeitskultur in Österreich. Homeoffice, Teilzeit und Gleitzeit haben sich als wirksame Instrumente zur Mitarbeiterbindung erwiesen und sind für die Gewinnung neuer Talente unverzichtbar.“

Am heiß umkämpften Bewerber*innenmarkt können flexible Benefits daher ein echter Gamechanger sein: Flexible Arbeitsmöglichkeiten (25 Prozent) und sinnstiftende Aufgaben (23 Prozent) werden in der diesjährigen Stepstone-Recruiting-Studie als wichtigste Faktoren im Recruiting angesehen – noch vor einem attraktiven Gehalt (20 Prozent). 

Herausforderung für Unternehmen: Purpose, Mission und Unternehmenskultur in Zeiten hybrider Arbeit

Unternehmen müssen die Ansprüche der Arbeitnehmer*innen ernst nehmen, allerdings halten sich manche Gewohnheiten hartnäckig –  so war physische Präsenz am Arbeitsplatz lange der Status Quo. Ein paar Jahre hybrides Arbeiten hat die Grundhaltung, dass Arbeitsleistung und Präsenz zusammengehören, nicht vollkommen verdrängt. Home Office verlangt Vorgesetzten mehr Betreuungsarbeit und eine hohe Vertrauenskultur ab, darüber hinaus ist es schwieriger, “weiche Faktoren” wie die Mitarbeiterbindung und Motivation der Teammitglieder zu beurteilen.

Laut einer aktuellen Umfrage von Gallup zum Employee Engagement fühlen sich nur 28 Prozent von Remote Arbeiter*innen mit der Mission ihres Unternehmens verbunden – die Arbeit aus der Distanz scheint daher auch tendenziell mit einer größeren Distanz zu den Arbeitszielen und der eigenen Rolle im Unternehmen einherzugehen. Interessant ist aber, dass hybride Arbeiter*innen (35 Prozent) im Vergleich zu On-Site-Arbeitenden (33 Prozent) die höchste Verbundenheit mit dem Purpose des Unternehmens verspüren.

Beyond Coffee Badging: die Investition in eine hybride Arbeitskultur lohnt sich

Coffee Badging scheint genau dieses Dilemma anzusprechen – hybrides Arbeiten verbindet die Vorteile von Homeoffice und Präsenzarbeit, aber nur, wenn die Zusammenarbeitskultur stimmt und Führungsfiguren ihren Managementstil an das “New Normal” anpassen. Auch die häufige Aussage, dass sich flexibles Arbeiten negativ auf die Unternehmenskultur auswirkt, wird etwa von der identifire-Studie widerlegt. 72 Prozent der befragten Führungskräfte und ganze 80 Prozent der Mitarbeiter*innen geben an, dass Flexibilisierung einen (eher) positiven Effekt auf das Miteinander im Team hat.

Der Schlüssel zu guter Verbundenheit und Commitment im hybriden Arbeitsmodell liegt im gezielten Nutzen des jeweiligen Settings, so eignet sich das Home- oder mobile Office besser für konzentrierte Einzelaufgaben oder routinierte Tasks, während sozialer Austausch, wichtige Meetings und kreatives Brainstorming vor Ort gemeinsam effektiver sind.

Angestellte sind gewillt, für Flexibilität mehr Organisations- und Abstimmungsaufwand hinzunehmen, für Unternehmer*innen stellt sich daher nicht die Frage, ob Homeoffice Sinn macht, sondern wie eine nachhaltige hybride Arbeitskultur geschaffen werden kann.

Autorin: Barbara Oberrauter-Zabransky
Bildnachweis: istockphoto.com / RgStudio

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