Great Resignation?

Der Fachkräftemangel beschäftigt Personaler schon seit länger Zeit und wurde durch die große Kündigungswelle der „Great Resignation“ verschärft. Doch wie steht es 2023 um den Arbeitsmarkt? Der aktuelle Stepstone Jobreport zeigt einerseits einen leichten Anstieg der beruflichen Zufriedenheit, anderseits ist auch die Kündigungs- und Wechselbereitschaft gestiegen – der „Great Reshuffle“ hat begonnen.

Definition: Was bedeutet „Great Resignation“?

Unter „Great Resignation“ versteht man die größte Kündigungswelle von Arbeitnehmer*innen in der Geschichte der USA, die etwa ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise begann. Synonym wird auch der Ausdruck „The Big Quit“ für den rasanten Anstieg von Kündigungen verwendet.

Jobmarkt in Bewegung: Aktuelle Situation in Österreich

Wie die Arbeitsmarktsituation in Österreich aussieht, beantwortet der aktuelle Stepstone Jobreport, bei dem 1600 Menschen in einem Angestelltenverhältnis (Teilzeit und Vollzeit) befragt wurden. Zunächst das Positive: Insgesamt sind 70 Prozent der Befragen mit ihrer beruflichen Situation zufrieden. Das ist ein Anstieg von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zurückführen lässt sich das auf die verbesserten Arbeitsbedingungen, in die viele Unternehmen in den letzten Jahren investiert haben, wie beispielsweise flexible Arbeitszeiten, mehr Freiheiten bei der Arbeit bzw. eine bessere Work-Life-Balance. Auch die wachsenden Möglichkeiten zur Weiterbildung tragen zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit bei.

Obwohl die Zufriedenheit der Arbeitnehmer*innen gestiegen ist, bleibt die Wechselbereitschaft unter den Angestellten nach wie vor hoch. 43 Prozent der Befragen stehen einem Jobwechsel offen gegenüber. 21 Prozent würden wechseln, wenn das Angebot attraktiv ist bzw. sind 15 Prozent bereit, sich einen neuen Job zu suchen, wenn sich der/die Arbeitgeber*in in gewissen Punkten wie Benefits, Gehalt oder Arbeitszeit nicht auf sie zubewegt.

Die große Machtverschiebung: Arbeitnehmer*innen haben das Wort, sehen das aber noch nicht

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die vermehrte Nachfrage am Arbeitsmarkt und der damit gestiegene Fachkräftemangel die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer*innen gestärkt hat. Doch ist dieser Machtshift am Arbeitsmarkt tatsächlich schon in den Köpfen der Arbeitnehmer*innen angekommen? Interessanterweise ist das noch nicht so – es dürfte sich jedoch vermutlich bald ändern. Im Österreichschnitt schätzen heute 62 Prozent die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt als gut oder sehr gut ein – im Vorjahr waren es nur knapp 53 Prozent. Die eigene Verhandlungsmacht gut einzuschätzen, wird bald nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in den meisten Berufsgruppen sein. In einigen Berufsfeldern schätzen Arbeitnehmer*innen ihre Chancen jetzt schon sehr gut ein, dazu zählen Ärzte*Ärztinnen und Pflegekräfte (80 Prozent), Ingenieur*innen und Menschen in technischen Berufen (73 Prozent) sowie in der IT (71 Prozent). Trotz der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften in Hotellerie und Gastronomie fühlen sich die Beschäftigten der Branche nicht sonderlich begehrt – nur knapp 57 Prozent fühlen sich gefragt.

Warum kündigen Fachkräfte?

Der aktuelle Stepstone Jobreport hat ergeben, dass es vor allem vier zentrale Forderungen von Arbeitnehmer*innen gibt, auf die sich Unternehmen 2023 einstellen sollten. Denn immerhin 55 Prozent würden kündigen, wenn auf diese Bedürfnisse nicht eingegangen wird:

  • Forderung nach mehr Flexibilität: Vier von zehn Befragten wünschen sich im Job mehr Flexibilität.
  • Forderung nach mehr Gehalt: 2023 peilt jede*r Zweite im Österreichschnitt eine Gehaltsverhandlung an, um mehr Gehalt einzufordern.
  • Wunsch nach Teilzeitarbeit: Wenn die Befragten frei wählen könnten, würden 60 Prozent der Gastro-Mitarbeiter*innen eine Teilzeitanstellung wählen. Dahinter steckt aber primär der hohe Stellenwert, den Work-Life-Balance mittlerweile hat, sowie eine zu hohe körperliche und mentale Belastung.
  • Weiterbildungsmöglichkeiten: 63 Prozent der Österreicher*innen sind Weiterbildungsmöglichkeiten im Job (sehr) wichtig.

Diese Umfrageergebnisse zeigen, dass der „Great Reshuffle“ auch hierzulande begonnen hat. Mit dem Ende der Pandemie, haben immer mehr Arbeitnehmer*innen auch ihre berufliche Situation überdacht und sind offen für Jobangebote. Was zuvor vielleicht noch ok war bzw. in Zeiten der Pandemie, in der viele Menschen ihren Job verloren haben, noch toleriert wurde, wird nun Anlass, über einen Jobwechsel nachzudenken – vor allem jetzt, wo das Angebot an guten Stellen auch trotz wirtschaftlicher Turbulenzen noch immer auf sehr hohem Niveau ist.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuelle internationale Studie von Universum, bei der 1314 Studierende aus 11 Ländern weltweit befragt wurden (Brasilien, Indien, Kanada, Mexiko, China, Großbritannien, Frankreich, USA, Deutschland, Schweden und Italien). Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) gab darin an, den Job im nächsten Jahr wechseln zu wollen. Für die europäischen Länder liegt der Prozentsatz bei 52 Prozent und teilt sich wie folgt auf:

Die Entlohnung wurde in 40 Prozent der Fälle als häufigster Grund angegeben, sich nach einem neuen Arbeitsplatz umzusehen. Andere genannte Gründe waren wegfallende Boni (18 Prozent), keine Möglichkeit remote zu arbeiten (18 Prozent) oder fehlende Weiterbildungsangebote (13 Prozent).

Wie beugen Sie Kündigungen vor?

Aus den zentralen Forderungen der Arbeitnehmer*innen lässt sich sehr gut ableiten, was Arbeitgeber*innen tun können, um Kündigungen vorzubeugen:

  • Investieren Sie in Employee Engagement:Motivierte, glückliche Mitarbeiter*innen, die sich mit der Firma, ihren Produkten oder Dienstleistungen und auch ihren Werten identifizieren können, erzielen einfach bessere Leistungen. Sie gehen ihre Projekte mit mehr Leidenschaft an, sind seltener unzufrieden und bleiben dem Unternehmen länger erhalten.
  • Für ausreichend Flexibilität sorgen: Egal ob Homeoffice, Remote Work, flexible Arbeitszeiten oder grundsätzlich mehr Mitbestimmung bei den Arbeitsbedingungen – all das sind gute Möglichkeiten, Kündigungen im Unternehmen vorzubeugen. Hören Sie sich jedoch zunächst an, welche Bedürfnisse Ihre Mitarbeiter*innen haben, beispielsweise im Rahmen einer Umfrage. So stellen Sie sicher, dass sie auch wirklich das anbieten, was von den Arbeitnehmer*innen in Ihrer Branche gewünscht wird.
  • Lukrative Gehälter bzw. Benefits: Ja, gute Gehälter werden immer wichtiger. Vor allem bei Fachkräften, die besonders stark nachgefragt werden, müssen Arbeitgeber*innen teilweise etwas mehr in die Tasche greifen, um eine nachhaltige Mitarbeiterbindung zu erreichen. Doch es muss nicht immer nur Geld sein – auch entsprechende Corporate Benefits können dem Wunsch nach einer gerechten Entlohnung nachkommen.
  • Teilzeitstellen bzw. Jobsharing anbieten: Vor allem in den jüngeren Arbeitnehmer*innen der Generation Z wird eine ausgewogene Work-Life-Balance immer wichtiger. Dies lässt sich für viele Arbeitnehmer*innen dadurch erreichen, dass sie keine Vollzeitstelle mehr besetzen, sondern in Teilzeit arbeiten. Bietet Ihr Unternehmen Teilzeitstellen an bzw. die Option von Jobsharing, bei dem sich zwei oder mehr Mitarbeiter*innen eine Stelle teilen, können Sie diesem Wunsch nachkommen.
  • In die Weiterbildung Ihrer Mitarbeiter*innen investieren: Weiterbildung spielt für immer mehr Arbeitnehmer*innen eine wichtige Rolle. Das Wissen up-to-date zu halten bzw. sich beruflich weiterentwickeln zu können erfordert, dass entsprechende Weiterbildungsangebote zugänglich gemacht werden. Diese können intern stattfinden oder in externen Institutionen gebucht werden. Zeigen Sie, dass Ihnen die Weiterbildung Ihrer Mitarbeiter*innen am Herzen liegt und binden Sie diese damit langfristig an Ihr Unternehmen.

Grundsätzlich lässt sich sagen: Nehmen Sie die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter*innen ernst und evaluieren Sie ihre Zufriedenheit in regelmäßigen Abständen. So können Sie Kündigungsvorhaben bereits vorab aus dem Weg räumen und gemeinsam die Grundsteine für eine langfristige Zusammenarbeit legen.

Autorin: Beatrix Mittermann
Bildnachweis: www.eyeem.com / GojilaZ

Das könnte Sie auch interessieren

Familienfreundlicher Arbeitgeber: Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Familienfreundlicher Arbeitgeber – aber wie?

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird immer wichtiger. Nicht nur Angestellte selbst können dadurch ihre Karriere besser planen und eine ausgewogene Work-Life-Balance erreichen. Arbeitgeber…

Jobreport 2024: So ticken Beschäftigte aus Hotellerie und Gastro

Mit dem Jobreport untersucht die Stepstone einmal jährlich, was Beschäftigte und Jobsuchende in Österreich bewegt und welche Konsequenzen für die Personalarbeit sich dadurch abzeichnen. Eine…

Blind Recruiting für mehr Fairness

Blind Hiring: Weniger Vorurteile, mehr Fairness im Recruiting?

In der heutigen, zunehmend vielfältigen und dynamischen Arbeitswelt stehen Unternehmen vor der Herausforderung, talentierte Mitarbeiter zu finden, die nicht nur über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen,…

Das Exit-Gespräch: Feedback und Abschied

Ein Exit-Gespräch oder Austrittsgespräch lässt sich dazu nutzen, sinnvolles und ehrliches Feedback von einem*r scheidenden Mitarbeiter*in zu erhalten – wir erklären, wie dieses am besten…

Gendern in Stellenanzeigen – Rechtliches & Tipps

Stellenanzeigen richtig zu Gendern zeigt nicht nur, dass Diversität in Ihrem Unternehmen großgeschrieben wird und Sie Bewerbungen von allen Geschlechtern willkommen heißen. Gendern ist auch…

Bias im Recruiting – Vorurteile im Recruiting vermeiden

Auch wenn sie oftmals unbewusst auftreten – Vorurteile beeinflussen Entscheidungen im Recruiting. Egal ob es sich dabei um Vorurteile in Bezug auf Geschlecht, Alter, Herkunft,…