Künstliche Intelligenz im Recruiting

Künstliche Intelligenz ist ein Gamechanger – das beweisen nicht nur Innovationen wie selbstfahrende Autos oder KI-Chirurgieroboter. Auch das Recruiting wird dank KI-Technologie transformiert: Von der Stellenanzeigenerstellung über die Bewerber*innenauswahl bis hin zur Verbesserung der Candidate Journey. Wie bei allen Neuerungen in der Arbeitswelt es ist auch hier wichtig, alle Hintergründe und Risiken zu kennen, um Potenziale zu entfalten. 

Was ist Künstliche Intelligenz? 

Unter Künstlicher Intelligenz oder KI, vom Englischen Artificial Intelligence (AI), versteht man die Fähigkeit von Computer-Systemen menschliche Denkfähigkeit nachzuahmen. Eine Methode ist etwa Maschinelles Lernen, bei dem per Algorithmen große Datensätze auf Muster und Zusammenhänge analysiert werden, um daraus Vorhersagen und Entscheidungen abzuleiten. Durch Wiederholung und Feedback wird das System selbständig lern- und anpassungsfähig.

Künstliche Intelligenz im Recruiting 

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Recruiting wird auch “Robot Recruiting” genannt und wird von Arbeitsmarkt-Expert*innen als Gamechanger für aktuelle Probleme wie den Fachkräftemangel sowie den War for Talents betrachtet. KI-Systeme können dabei auf jeder Stufe des Bewerbungsprozesses unterstützen, vom Erstellen und Veröffentlichen der Stellenanzeigen über die Auswahl der Bewerber*innen bis zu Interview und Onboarding.

Status Quo Österreich und Deutschland: KI in Unternehmen und HR

In unzähligen Branchen, Prozessen und Anwendungsbereichen ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bereits Realität und gewinnt täglich an Bedeutung. KI-Systeme helfen heute bargeldlose Zahlungen vor Betrug zu schützen, entwickeln valide Prognosen, wie sich ein Geschäft entwickelt, bieten Lösungen im Kundenservice und auch dafür, Arbeitsabläufe zu automatisieren, um Wachstum zu beschleunigen. Im Jahr 2021 wurde erstmals erhoben, dass etwa zehn Prozent der Unternehmen in Österreich bereits KI-basierte Technologien nutzen, wobei KMU zu den Schlusslichtern gehören.

Im Recruiting spielt KI hierzulande laut der aktuellen Stepstone-Recruiting-Studie für ganze 87 Prozent der Unternehmen noch keine Rolle, am häufigsten wird künstliche Intelligenz in HR-Abteilungen von Unternehmen mit 1.000 bis 5.000 Angestellten und Firmen mit bis zu neun Mitarbeiter*innen genutzt. Eine neue Umfrage der Stepstone Group mit über 3000 Teilnehmer*innen aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich lässt erkennen, dass sich diese Zahlen in naher Zukunft erheblich steigern sollten, so sind mehr als die Hälfte der deutschen Befragten davon überzeugt, dass KI-Technologie in den nächsten fünf Jahren ihre täglichen Aufgaben und Arbeitsabläufe transformieren wird.

Der Kontakt zwischen Mensch und Mensch im Recruiting ist das Wichtigste und das wird nicht durch KI ersetzt werden. Sie kann aber nützlich sein, wenn es darum geht, Menschen möglichst schnell zusammenzubringen – und je schneller wir Part A und Part B – sprich Recruiter und Jobsuchende – zusammenbringen, desto besser.

Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer Stepstone Österreich & Schweiz

Wie wird KI im Recruiting eingesetzt?

Die am häufigsten genannten Bereiche, in denen KI das Recruiting bereits erfolgreich unterstützt, sind die Identifizierung von potenziellen Kandidat*innen (64 Prozent), die Bewertung und Einstufung von Bewerber*innen (54 Prozent) sowie die Terminkoordination (57 Prozent). Unter den österreichischen Recruiter*innen nutzt jede*r Zehnte KI-Tools, um Stellenausschreibungen zu optimieren, nur etwa drei Prozent lassen sich von KI beim Auswahlverfahren helfen.

Auch wenn sich im deutschsprachigen Raum und besonders in Österreich beim KI-Recruiting noch Berührungsängste oder ein längerer Gewöhnungsprozess abzeichnen, nutzen Unternehmen wie Ikea, Unilever oder Amazon bereits HR-Tools mit KI auf jeder Ebene des Recruiting-Prozesses.

In diesen Bereichen wird Künstliche Intelligenz bereits in der HR-Welt genutzt:

Stellenanzeigen schreiben und optimieren

Mit Anwendungen wie ChatGPT, Google Bard oder Neuroflash kann man beispielhafte Stellenanzeigen ruckzuck formulieren oder Texte so optimieren, dass sie genau die gewünschte Zielgruppe ansprechen. Basierend auf Large Language Models (LLM) werden hierbei unzählige Texte auf entsprechende Keywords und passende Wortkombinationen durchsucht, der generierte Inhalt ist umso besser, je genauer die Anweisung (Prompt) formuliert ist. Lesen Sie dazu auch unseren Artikel, wie ChatGPT im Recruiting genutzt werden kann. Auch das Tool “Job Ad-Creator” als Teil der Stepstone-eigenen KI Anwendung “Stepstone Recruit” (aktuell noch nicht in Österreich verfügbar) unterstützt Recruiter bei der Erstellung von Stellenanzeigen. In weniger als einer Minute erstellt das Tool eine Stellenanzeige mit nur wenigen Informationen und einer breiten Palette von Inspirationen, aus denen man wählen kann. In der gewünschten formalen Sprache – per Klick lässt sich zwischen “Du” und “Sie” switchen.

Bewerber*innen finden

Mit Tools wie etwa dem “Talent Recommender” – ebenfalls ein Tool innerhalb von Stepstone Recruit – sparen sich Recruiter*innen künftig das aktive Suchen nach passenden Kandidat*innen, stattdessen übernimmt die KI diese Aufgabe. Nachdem ein*e Recruiter*in eine Stellenanzeige in Stepstone Recruit veröffentlicht hat, schlägt der Talent Recommender mindestens 5 Lebensläufe von Kandidat*innen aus der Stepstone-Datenbank mit Millionen aktiver Kandidat*innen vor, die ihre Zustimmung dazu gegeben haben. Mit Hilfe der KI-Technologie lässt sich die Qualität des Abgleichs zwischen der Stellenanzeige und den Lebensläufen der Kandidat*innen erheblich verbessern.

Vorauswahl von Bewerber*innen treffen

KI-Tools wie CVViZ analysieren Lebensläufe nach vorab eingegebenen Qualifikationen, scannen online Berufsprofile und durchsuchen Bewerbungsschreiben nach relevanten oder plagiierten Inhalten. Dabei können sogar Wortwahl und Sprache auf den Cultural Fit untersucht werden. So werden absolut unpassende Kandidat*innen schnell ausgesiebt, die strukturierten Daten von vielversprechenden Bewerbungen können für den Aufbau einer Bewerber*innendatenbank genutzt werden.

Job Matching für Kandidat*innen und Unternehmen

IBM hat mit Watson® Recruitment (IWR) eine Anwendung in der Talent Suite, die die kognitiven Fähigkeiten der KI „Watson“ nutzt, um die Talentakquisition zu optimieren. Recruiter können IWR nutzen, um die Fähigkeiten von Kandidat*innen mit den Anforderungen des Unternehmens abzugleichen und Bewerber*innen mit der größten Erfolgsprognose zu identifizieren.

Candidate Journey und Kommunikation per Chatbot optimieren

Chatbots wie Claude oder ChatGPT können heute viel mehr als nur vorprogrammierte Inhalte nach Keywords ausliefern – mit dialogorientierter KI können Jobsuchende menschenähnliche Unterhaltungen über Kompetenzen und passende Jobprofile führen, im Bewerbungsprozess antwortet die Chat-KI auch auf komplexe Fragen zur Stelle, zum Unternehmen etc.

Bewerbungsgespräche führen und automatisieren

In Zeiten von Remote Work und Homeoffice sind Vorstellungsgespräche per Video oder digitaler Plattform immer üblicher, diese können mit KI verschieden stark automatisiert werden – KI-Anbieter wie Hirevue werten aufgezeichnete Videogespräche sogar nach Gesprächsinhalten, Ton, Gestik und Mimik aus. Im Rahmen von Stepstone Recruit übernimmt diese Aufgabe der “Interview Co-Pilot”. Er hilft Personalverantwortlichen, auf der Grundlage der Stellenanzeige Fragen für Vorstellungsgespräche mit konversationeller KI zu erstellen. Während des Vorstellungsgesprächs ermöglicht der Co-Pilot, die Leistung des*der Bewerbers*Bewerberin bei jeder Frage zu dokumentieren.

Aber auch zum Training für Bewerber*innen können Gespräche mit KI geführt werden. Stepstone bietet hierfür den “Interviewer“.

Unterstützung bei Datenanalyse und HR-Strategie

Allround-HR-Lösungen wie Paradox.ai und auch MS Teams nutzen künstliche Intelligenz, um mit den gesammelten Daten aus Bewerbungen, Ausschreibungen, Personalbeurteilungen etc. Auswertungen und strategische Lösungen für die Zukunft des Unternehmens zu erstellen. So können wichtige Punkte wie Personalbedarf, Employee Experience bzw. Candidate Experience oder Recruiting-Kanäle besser verstanden und geplant werden.

KI im Einsatz bei Stepstone

Stepstone hat sich das Ziel gesetzt, Bewerber*innen, Arbeitgebern und Unternehmen neue Wege aufzuzeigen, wie sie das transformative Potenzial von KI effektiv nutzen können und hält dabei an den drei Prinzipien “besser, schneller, fairer” fest: Dank KI verstehen wir die Kandidat*innen viel besser als noch vor ein paar Jahren und können sie künftig noch schneller mit den passenden Recruiter*innen zusammenbringen – und auch Fairness ist großes Thema: “Wir trainieren unsere KI fair und nonbiased zu sein. Menschen trainieren KI und wir bei Stepstone haben eine eigene Ethikkommission, eine eigene Ethikbeauftragte (was eine Besonderheit ist) und legen ganz viel Wert darauf, dass unsere KI entsprechend trainiert wird. Wir sind hier auf einem richtigen Weg.” Nikolai Dürhammer

  • Mit dem Stepstone-Plugin für ChatGPT Plus Nutzer*innen aus Deutschland wird die Jobsuche zum interaktiven Gespräch. Das Plugin ist direkt mit der Jobbörse von Stepstone Deutschland verbunden, im Chat mit der KI kann man anhand von Präferenzen, Kompetenzen, Standort etc. herausfinden, welche Stellen sich individuell eignen.
  • Eine eigene Autonomous MatchingTM-Plattform von Stepstone weitet das Job Matching zukünftig auf Basis der empathischen Conversational Artificial Intelligence Technologie “Mya” zur personalisierten und automatisierten Jobsuche um.
  • Mit dem KI-basierten Recruiting-Tool “Recruit” wird Personalverantwortlichen eine Anwendung zur Unterstützung des gesamten Recruitings zur Seite gestellt – von der Suche nach passenden Beschäftigten mit easy und schnell erstellten optimalen Stellenanzeigen (Job Ad Creator) über die Organisation und Vorbereitung von Jobinterviews (Co-Pilot) bis hin zu objektiver Unterstützung für eine bessere Personalauswahl (Talent Recommender).
  • Für Kandidat*innen bietet Stepstone etwa Bewerbungsgesprächs-Training mit dem Interviewer sowie Hilfe beim Anschreiben mit dem Coverletter Generator.

Vor- und Nachteile von künstlicher Intelligenz im Recruiting

Die zahlreichen Vorteile der KI-Technologie liegen auf der Hand:

  • KI-Systeme sind nicht von Krankheitsausfall oder bestimmten Arbeitszeiten eingeschränkt, so ist Service und Beratung rund um die Uhr und per Mausklick verfügbar.
  • Dadurch werden repetitive und administrative Aufgaben teils automatisiert, was die Effizient und Produktivität der HR-Abteilung steigert. Der Einstellungsprozess geht schneller vonstatten und teure Vakanzen bleiben kürzer offen.
  • Durch die Übernahme von einfachen Tasks im Recruiting bleibt mehr Zeit für zwischenmenschlichen Austausch und Kreativität im Beruf.
  • Unternehmen, die Spitzenreiter im Bereich KI-Technologie und -Anwendungen sind, steigern ihre Arbeitgeberattraktivität – das geben auch 44 Prozent der Befragten in der Stepstone-KI-Studie an.
  • 39 Prozent der Recruiter*innen bestätigen zudem, dass Einstellungsverfahren durch einen verantwortungsvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz fairer und weniger diskriminierend gestalten werden können.

Jedoch ergeben sich bei der Nutzung von KI im Recruiting auch einige Risiken und Nachteile:

  • KI-Systeme verarbeiten mitunter Daten von Mitarbeiter*innen und Bewerber*innen und geben diese an ausländische Server weiter. Ob Beschäftigten damit einverstanden sind, dass ihre Lebensläufe und Leistungsdaten von KIs gelesen und verarbeitet werden, wird nicht immer abgestimmt.
  • Zur korrekten und sicheren Verwendung von KI fehlt es vielen Arbeitenden und auch Führungskräften an Fachwissen: Laut 62 Prozent der Befragten in der Stepstone KI-Studie investieren Arbeitgeber nicht genug in Weiterbildungsprogramme und Schulungen, um die Mitarbeiter*innen bestmöglich bei der Nutzung von KI-Technologie zu unterstützen.
  • KI-Technologie ist bei vielen Anbietern noch in einer Beta- oder Experimentphase, daher kommt es zu faktisch falschen Ergebnissen, Plagiaten oder Daten-Leaks.
  • Bei den meisten KI-Anwendungen ist nicht klar nachvollziehbar, wie die eingegebenen Daten genau verarbeitet werden oder auf welche Quellen sich die Ergebnisse beziehen – diese fehlende Transparenz beklagen auch 61 Prozent der KI-Studien-Befragten.
  • Da KI-Sprachmodelle von Menschen trainiert werden und die Auswahl des Trainingsmaterials nicht immer nach ethischen oder moralischen Aspekten gefiltert wird, kann es auch bei der intelligenten Maschine zu diskriminierenden Aussagen und Bias kommen.

Tipps zum Umgang mit KI im Recruiting

Im Jahr 2024 wird der EU AI Act in Kraft treten, mit dem die Europäische Kommission erstmals verbindliche Auflagen und Regeln für die gesetzlich, ethisch und moralisch korrekte Nutzung von künstlicher Intelligenz in Freizeit und Beruf einführt. Auch für den Einsatz von KI im Recruiting ist es wichtig, Mitarbeiter*innen strategisch anzuleiten, auf ihre Erwartungen und Ängste einzugehen und das Team laufend zu schulen.

Mit folgenden Tipps machen Sie Ihre HR-Abteilung und das gesamte Unternehmen KI-fit:

  • Kommunizieren Sie in Ihrer Unternehmensmission und dem Purpose Statement, auf welche Weise KI genutzt wird und wie dadurch die Unternehmensstrategie beeinflusst wird. Guidelines oder Nutzungsregeln sorgen zusätzlich für Transparenz.
  • Zeigen Sie auch im Employer Branding, dass Sie KI im Recruiting etc. nutzen, um neue Talente anzulocken.
  • Stellen Sie Interessensgruppen und KI-Beauftragte im Team bereit, die für Feedback und Fragen verfügbar sind.
  • KI-Pilotprojekte in bestimmten Abteilungen können als vorbildliches Use Case dienen, um Akzeptanz zu steigern.
  • Investieren Sie in KI-Schulungs- und Entwicklungsprogramme, die sowohl technische Aspekte abdecken als auch die Nutzung im jeweiligen Berufsbereich und die ethische Sensibilisierung.
  • Der Mensch ist immer noch das Herz im Bewerbungsprozess – KI-Tools sind kein Ersatz für die menschliche Perspektive und können reale Gespräche und Erfahrungen zwar ergänzen, aber nicht ersetzen.  

Autorin: Barbara Oberrauter-Zabransky
Bildnachweis: istock/pixdeluxe

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