So macht der Gehaltsvergleich unter Kollegen Sinn

Auch wenn das Gehalt weiterhin Tabuthema bleibt, kommt es immer mal wieder zum finanziellen Kräftemessen.


22.07.2019

„Mein Kollege bekommt bei der gleichen Arbeit mehr Gehalt als ich!“ Empörungen wie diese sind keine Seltenheit, sobald der Gehaltsvergleich unter Kollegen losgeht. So gehst du mit dem Tabuthema Gehalt professionell um.

Gehalt unter Kollegen – macht der Vergleich Sinn?

Der finanzielle Hausstand gehört nur selten zur Smalltalk-Agenda auf der Arbeit. Dass der Kollege eine Gehaltserhöhung bekommt oder „die Neue“ noch vor Ihnen befördert wird – das bekommt man schon eher mit. Schnell entfachen Konflikte, Neid und langsam angestaute Feindseligkeiten im Büro. Tief darunter verbirgt sich jedoch eigentlich nur eines: die eigene Unzufriedenheit. Bevor du wusstest wie viel dein Kollege verdient, hattest du eigentlich noch deinen Traumjob inne? Eine Information kann das arbeitstechnische Paradies ganz schnell zerstören, insbesondere sobald der menschliche Vergleich anfängt.

Im Stepstone Gehaltsreport 2019 wurde unter anderem auch die Frage gestellt, wie die Studienteilnehmer ihr Gehalt in Bezug auf ihre Kollegen einschätzen. Dabei stellte sich heraus, dass 42 Prozent der Befragten denken, sie verdienen das Gleiche wie ihre Kollegen. Jene 58 Prozent, die glauben, dass die Höhe ihres Gehalts nicht dem ihrer Kollegen entspricht, verteilten sich folgendermaßen: 40 Prozent gaben die Vermutung an, weniger zu verdienen als ihre Kollegen, 18 Prozenz meinen, mehr zu verdienen.

Interessant waren auch die Gründe dafür: Die Befragten, die vermuten, dass ihr Gehalt unter dem der Kollegen liegt, gaben an, das Gehalt schlechter im Vorstellungsgespräch verhandelt zu haben, weniger Berufserfahrung mitzubringen, keinen Mut für eine Gehaltsverhandlung mitzubringen bzw. weniger Verantwortung (wie beispielsweise für Personal, Budget oder Kunden) innezuhaben. Jene Befragten, die der Meinung sind, mehr als ihre Kollegen zu verdienen, basierten dies größtenteils auf zusätzliche Fähigkeiten (52 % der Befragen), mehr Berufserfahrung (48 %) , mehr Verantwortung (44 %), sowie eine bessere Gehaltsverhandlng im Vorstellungsgespräch, einen höheren Bildungsabschluss, längere Betriebszugehörigkeit  regelundmäßige Gehaltsverhandlungen (mindestens einmal pro Jahr).

Schnell wird der Gehaltsvergleich zu einem Vergleich der Arbeitsleistung, der Persönlichkeit und der Beliebtheit unter Kollegen. Sich mit anderen derart zu vergleichen ist meist keine gute Idee – zumindest nicht auf emotionaler Ebene. Sachlich betrachtet, solltest du dich unbedingt mit deinem monetären Marktwert auseinandersetzen. Wie wichtig ist Ihnen Geld? Und: Bekommen Sie das, was Sie wert sind? Dabei handelt es sich einerseits um eine äußerst subjektive Frage der finanziellen Genügsam- bzw. Abhängigkeit und andererseits um eine äußerst objektive Angelegenheit. So kannst du mit dem Stepstone Gehaltsplaner den fähigkeitsbasierten Wert deiner Arbeit erkennen und im direkten Vergleich zu anderen möglichst neutral analysieren.

 

Zwischen ehrlichen Gehaltsinfos und rechtlichen Schritten gegen unfaires Gehalt

Fest steht zunächst eins: Findet der Gehaltsvergleich statt und es kommen monetäre Ungleichheiten ans Licht, dann ist der Konflikt im Team und zwischen verschiedenen Hierarchieebenen oft vorprogrammiert. Entweder wird dieser offen ausgetragen oder Einzelnen fressen den finanziellen Frust bis zur inneren Kündigung in sich hinein. Allgemein musst du dich weder auf ein Gehaltsgespräch mit Kollegen einlassen, noch dabei rechtfertigen.

Ebenso wenig kann ihnen aber im Normalfall verboten werden ganz transparent über Geldverhältnisse im Team zu sprechen! Im Rahmen des Gleichbehandlungsgesetzes ist die gehaltbasierte Diskriminierung verboten, d.h.: Dein Arbeitgeber darf dir ohne sachliche Rechtfertigungen kein geringeres Entgelt zahlen als deinem Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet. In diesem Rechtsrahmen werden aktueller denn je auch die unterschiedlichen Gehälter und Aufstiegschancen für Frauen und Männer diskutiert.

Liegt eine monetäre Diskriminierung vor, darfst du dein Recht auf Gleichbehandlung über eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht geltend machen. Bevor du solche drastische Schritte einleitest, bestehen viele Vorstufen der Deeskalation. Auch Rechtsauskünfte bei Dritten darfst du einholen – wie etwa bei der Arbeiterkammer oder deiner Gewerkschaft.

Oft bildet aber der ehrliche Zugang zu Gehaltsinformationen eine Frage der Firmenphilosophie und Unternehmensführung, die sich auch auf die Mitarbeiter überträgt. Wie offen geht dein Arbeitgeber mit der Thematik um? Sollte ein offenes, möglichst vorurteilsfreies Klima bei dir auf der Arbeit herrschen, kannst du behutsam in das Gespräch gehen. Aber verliere dabei nie deine Empathie, denn nicht nur finanzielle Nöte, sondern auch die Definition der eigenen Gehaltszufriedenheit ist individuell verschieden. Wenn du feststellest, dass dein Gehalt unter dem Marktwert liegt, solltest du mit deinem Vorgesetzten sprechen.

 

Verschwiegenheitsklausel – wenn man nicht über das Gehalt reden darf

Einen Gerichtsentscheid zu einem verankerten Stillschweigen über das Gehalt im Arbeitsvertrag gibt es bislang keinen. Hinsichtlich firmeninterner Informationen werden Arbeitnehmer jedoch vertraglich recht häufig zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dabei geht es jedoch stets um die vertragsgebundene Pflicht, die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu schützen – dazu zählen meist Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse oder die Konkurrenzklausel im Falle einer Kündigung.

Der Umfang der Verschwiegenheitspflicht variiert von Vertrag zu Vertrag stark. Genau genommen sind ebensolche Informationen schützenswert, in die Externe keinen Einblick haben und daher ein geschäftliches Interesse hinter der Geheimhaltung liegt. Dazu kann in dem Sinne auch das Gehalt gezählt werden, falls konkurrierende Unternehmen kein Wissen über das firmeninterne Entgeltschema erhalten sollen. Ein Verrat gegenüber dieser Treupflicht kann theoretisch zum Entlassungsgrund oder – bei großen Betriebsgeheimnissen – gar zur folgenreiche Konventionalstrafe führen.

Informiere dich über deine Treuepflichten im Idealfall bevor du einen neuen Dienstvertrag unterschreibst. Auch die Orientierung an Kollektivverträgen und das vorbereitete Verhandeln des Gehalts im Bewerbungsgespräch können dir bereits falsche Einstufungen und ungerechte Gehälter ersparen.

 

Gehaltsvergleich unter Kollegen: Was tun bei ungerechter Bezahlung?

1. Vergewissere dich zunächst genau, ob deine Stelle, dein Profil und deine Erfahrung wirklich vergleichbar mit denen des Kollegen ist, bevor du um eine Gehaltserhöhung bittest. Anderenfalls gerätst du womöglich in Verlegenheit, wenn du dein vermeintlich unfaires Gehalt mit deinem Chef besprichst. Ein Gespräch mit Unbeteiligten und Einschätzungen von einem vertrauensvollen Kollegen dazu können helfen, da die eigene Perspektive manchmal eingeschränkter und selbstgerechter sein kann als einem lieb ist!

2. Höre dich um, wie viel andere Leute auf einer vergleichbaren Stelle wie deiner verdienen. Mache dir dann eine Liste, auf die du dich bei deinem Gespräch stützen kannst. Tue dies jedoch nur, wenn der Unterschied wirklich signifikant ist. Treffe auch keine übereilten Entscheidungen oder halte spontane Gehaltsgespräche. Gönne dir zunächst ein wenig Zeit und Abstand zum Thema, um neue Informationen sacken zu lassen und keine emotionalen Entschlüsse zu fassen!

3. Suche das konstruktive Gespräch mit weiteren Arbeitsexternen, Kollegen und in der finalen Schlussfolgerung mit deinem Vorgesetzten. Initiiere und bereite dich auf das Mitarbeitergespräch oder die Gehaltverhandlung ausgiebig vor und bedenke dabei auch, dass du den bestmöglichen Zeitpunkt für eine potenzielle Gehaltserhöhung abwartest!

Achte auch darauf, dass du dich dabei nicht in die typischen Fallstricke der Gehaltsverhandlung verrennst – wie Selbstüberschätzung, emotionalisierte Argumente („Ich will so viel Gehalt wie mein Kollege, sonst gehe ich“) oder schlicht die falsche Wortwahl. Komme  vorbereitet, selbstbewusst und mit guten Argumenten zur Gehaltsverhandlung! Versetze dich dazu auch in die Lage deines Gegenübers und versuche Vorüberlegungen auf den Typ deines Verhandlungspartners abzustimmen!

4. Überlege dir eine Exit-Strategie, falls trotz Vorbereitung und Expertentipps zur Gehaltsverhandlung von deinem Gegenüber keine Einsicht greifbar scheint. Gibt es neben einer finanziellen Aufstockung andere Vergünstigungen per Benefits, die dich zufrieden aus dem Gespräch gehen lassen? Überlege dir also auch vorab, unter welchen Umständen du noch bereit bist im Unternehmen zu bleiben und somit auch das Verhältnis zur Chefetage nicht überstrapazieren willst. Und ab wann führt die fehlende finanzielle Wertschätzung bei dir zum äußersten Entschluss der eigenen Kündigung und des Jobwechsels?

 

Gehalt weiterhin Tabuthema in Österreich?

Über Geld und vor allem über das eigene Gehalt im Job spricht man nicht. Das wird einem in unseren Breitengraden bereits als Kind eingeimpft und ist kulturell in uns verankert. Auch Studien belegen das wie eine Stepstone Umfrage aus 2014: 74% der Arbeitnehmer in Europa sind nicht bereit ihr Gehalt mit Kollegen zu besprechen.

Neben der kulturellen Tabuisierung spielt aber noch ein weiterer Faktor hinein: die Angst vor Rechtfertigungen. Wie viel jeder verdient, ist leider nicht immer nur von den erbrachten Leistungen abhängig. Hohe Gehälter haben noch zu oft mit Verhandlungsgeschick, Selbstbewusstsein und möglichen Bevorteilungen zu tun. Kann man auf den eigenen Marktwert also immer stolz sein? Fühlt man sich noch immer privilegiert, wenn strukturell Diskriminierte oder schüchterne Personen mit gleicher Leistung viel weniger verdienen?

Eine interessante Frage ist in diesem Zusammenang jene, was sich seither getan hat. Wie sieht es 2019 aus? Wird auch das Gehaltsthema weiterin tabuisiert? Der Stepstone Gehaltsreport 2019 zeigt unter anderem, dass der persönliche Austausch mit Freunden, Kollegen, Ex-Kollegen und Bekannten durchaus ein Tool ist, das von Fachkräften zur Orientierung über angemessene Gehaltsvorstellungen genutzt wird. 54 Prozent der Berufserfahrenen nutzen diesen Austausch.

Viel spannender ist jedoch die Tatsache, dass unter den Young Professionals, also jenen Fachkräften, die weniger als 2 Jahre Berufserfahrung mitbringen, sogar 63 Prozent den persönlichen Austausch über das Gehalt suchen. Das zeugt von der Bereitschaft, offener mit dem Thema Gehalt umgehen zu wollen.

In einem Gehaltsgespräch unter Kollegen könnte aber genauso zu Tage kommen, dass du mehr verdienst als deine Kollegin. Und dann? Nutze diesen Moment, um Neider beiseitezulegen und dich mit deiner Kollegin – auch im Kampf gegen das Gender Pay Gap – gemeinsam für faire Gehälter allgemein oder die Gehaltsanpassungen von Frauen im Unternehmen einzusetzen. Erst wenn das Bewusstsein und die Bereitschaft für gleiche, transparente Gehälter existieren, kann das tabuisierte und emotional aufgeladene Thema Gehalt konstruktiv angegangen werden.

 

Bildnachweis: Clark Robertson/Quelle: istockphoto.com

Aktuelle Jobs