It’s all about Future Skills

Der War for Talent stellt auch im Jahr 2023 Unternehmen vor große Herausforderungen: Der „Skill Gap” zwischen zukünftigen Anforderungen und vorhandenen Talenten wächst, während der Bewerber*innenpool schrumpft oder es an den nötigen Qualifikationen mangelt. Wenn man aktuellen Studien glaubt, sollten Personalverantwortliche und Arbeitssuchende auf „Future Skills” setzen: Fachliche, soziale und persönliche Schlüsselkompetenzen, die in der nahen Zukunft grundlegend für den beruflichen Erfolg sind.

Definition: Was sind Future Skills?

Als Future Skills werden Fähigkeiten und Kompetenzen bezeichnet, die im Zeitraum der nächsten fünf Jahre erforderlich sind, um im Beruf und in der Jobsuche Erfolg zu haben und konkurrenzfähig zu sein.

Die durchschnittliche Halbwertszeit einer beruflichen Qualifikation wird bis 2030 nur 2,5 Jahre betragen, wie das Weltwirtschaftsforum im Future of Jobs Report berichtet – daher wird das Angebot an Ausbildungen nicht mehr mit der Entwicklung neuer Anforderungen und Kompetenzen mithalten können. Statt spezifisch ausgebildeter Kandidat*innen mit Expertenwissen brauchen Unternehmen zukünftig Mitarbeiter*innen, die sowohl Fachwissen als auch breite und interdisziplinäre Querschnittkompetenzen vorweisen und vor allem bereit sind, kontinuierlich dazuzulernen.

Die Krisen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Arbeitgeber und -nehmer*innen gewappnet sein müssen, um auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können.

Hintergrund: Arbeitswelt im Umbruch

Die Arbeitswelt, ob in Österreich oder international, befindet sich heute an einem „Point of no return”: Jahr für Jahr scheinen neue Herausforderungen auf Unternehmen und Arbeitnehmer*innen zuzukommen. Bereits vor der Pandemie herrschte ein historischer Fachkräftemangel; im Jahr 2023 haben zwei von drei hiesigen Unternehmen Schwierigkeiten Beschäftigte zu finden, trotz einer sinkenden Arbeitslosenquote.

In besonders betroffenen Bereichen wie der IT- oder Baubranche werden qualifizierte Bewerber*innen oder Angestellte mit allen Mittel um- und abgeworben, wodurch die Wechselwilligkeit und Kündigungsrate in die Höhe schnellen: Laut einer aktuellen Stepstone-Studie, schätzen 62 Prozent die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt als gut oder sehr gut ein. Im Vorjahr waren es knapp 53 Prozent.

Hinzu kommen Prognosen zum demografischen Wandel und Pensionierungswellen. Unternehmer*innen wird zunehmend bewusst, dass mit der älteren Generation der Arbeitenden auch traditionelle Berufsmodelle und Arbeitsweisen auf kurz oder lang den Ruhestand antreten zu müssen.

Eine große Triebfeder des Wandels am Arbeitsmarkt ist die Digitalisierung und Technisierung. Neben veränderten Kommunikationsweisen und einer Mobilisierung der Arbeit ermöglichen Technologien wie Künstliche Intelligenz und Robotik die Automatisierung vieler Arbeitsbereiche, sodass bis zum Jahr 2025 laut dem Weltwirtschaftsforum 85 Millionen Jobs wegfallen werden – wobei umgekehrt noch mehr neue Jobs und Kompetenzprofile entstehen sollen.

In Zukunft müssen sowohl Arbeitgeber als auch Jobsuchende und Angestellte flexibler werden, um in einer volatilen, komplexen Arbeitswelt adaptionsfähig zu bleiben. Im Zentrum dieser Transformation stehen Future Skills.

Welche Fähigkeiten brauchen Mitarbeiter*innen in der Zukunft?

Die Liste der „ultimativen” Future Skills variiert je nach Quelle, in den vergangenen dreißig Jahren wurde der Begriff von mehreren Studien aufgegriffen und umfassend erforscht. So ermittelte die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) mit ihrer „21st Century Skills”-Studie die vier wichtigsten Fähigkeiten, um als Arbeitnehmer „employable” oder „anstellbar” zu bleiben:

  • Kollaboration,
  • Kommunikation,
  • kritisches Denken und
  • Kreativität.

Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft baut dieses Modell gemeinsam mit McKinsey zu einem „Future Skills Framework” aus, das insgesamt 21 Zukunftskompetenzen in vier Kategorien auflistet: technologische Kompetenzen, digitale Kompetenzen, transformative Kompetenzen und klassische nicht-digitale Kompetenzen.

Future Skills vs. Hard, Soft und Power Skills

Auffallend ist, dass Hard Skills nicht mehr, wie in der Vergangenheit, den Kern des Kompetenzprofils bilden – das technologische, erlernte Fachwissen ist zwar leichter zu ermitteln und zu messen, muss jedoch in Zukunft stetig überprüft und aktualisiert werden.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie von Kienbaum und Stepstone zu „Future Skills”: So sind methodisch erlernbare Fähigkeiten wie digitale Kommunikation und digitale Anwendungskompetenz für 63 Prozent und 61 Prozent der Befragten unabdingbar, aber auch „klassische” Soft Skills wie Lernagilität, Anpassungsfähigkeit (je 62 Prozent) und Teamorientierung (55 Prozent) rangieren hoch in der Anforderungsliste.

Personaler*innen fokussieren zunehmend Soft Skills, da sie job- und branchenübergreifend relevant sind und essenziellen Einfluss auf die Unternehmenskultur, Teamprozesse, Innovation, Führungsqualitäten wie auch den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens haben.

Die wichtigsten übertragbaren Kernkompetenzen werden deswegen auch als „Power Skills” bezeichnet, man wird sie in den meisten Stellenanzeigen wiederfinden: Kommunikationsstärke, Problemlösungskompetenz, Kreativität, Resilienz, Organisationsfähigkeit, Selbstständigkeit oder Flexibilität.

Diese sozialen, persönlichen oder handlungsbezogenen Schlüsselfähigkeiten sind individuell unterschiedlich stark angelegt und müssen durch Erfahrung, Weiterbildung, Feedback und Selbstreflexion gestärkt werden. 

Stepstone-Studie zu Future Skills: Unternehmen stehen vor vielfachen Herausforderungen

Der erste Schritt zur Besserung ist bekanntlich Selbsterkenntnis: Die Mehrheit heimischer Unternehmen hat bereits realisiert, dass Phänomene wie mobiles Arbeiten, flexible Arbeitszeiten und -orte, Arbeitgeberattraktivität und Corporate Learning keine temporären Trends, sondern Wegbereiter einer umfassenderen Transformation der Arbeitswelt sind.

Ein kompetenzorientiertes Mindset ist der erste Schritt, doch mit dem Einfordern der Future-Skills-Liste ist es für Arbeitgeber nicht getan. Zunächst muss ermittelt werden, welche Kompetenzen für das eigene Unternehmen und Team tatsächlich relevant sind und gefördert werden sollen.

In unserer „Future Skills”-Studie gaben nur 20 Prozent der Befragten an, dass es in ihrem Unternehmen eine klare Definition der anzustrebenden Zukunftskompetenzen gibt. Merklich ist hingegen das hohe Entwicklungspotenzial und der Mangel an erfolgskritischen Future Skills beim Personal: Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer*innen sehen in ihre Organisation mit einem wachsenden „Skill Gap” konfrontiert, besonders bei digitalen Skills, Sozial- und Führungskompetenzen.

Gleichzeitig fehlen Angebote zum Aufbau von Zukunftskompetenzen: Durchschnittlich 60 Prozent sind unzufrieden mit der Qualität und Vielfalt der (digitalen und nicht-digitalen) Lern- und Entwicklungsprogramme. 

Wie verändern Future Skills die Arbeit im Recruiting?

Führungskräfte und HR-Verantwortliche müssen strategisch vorgehen, um ihr Personal langfristig im Aufbau und Weiterentwickeln von Future Skills zu unterstützen:

  • Das Business Development setzt bei den Grundstrukturen des Unternehmens an, angefangen bei der Führungs- und Unternehmenskultur. Management und Geschäftsleitung agieren zukünftig mehr als Mentor*innen und Coaches, die die Eigenverantwortlichkeit ihrer Mitarbeiter*innen fördern und individuelle Potenziale freisetzen.
  • Beim Zusammenstellen von Teams wird nicht mehr in strengen Abteilungen und Hierarchien gedacht, stattdessen lernen diverse, interdisziplinäre und interkulturelle Gruppen von- und miteinander.
  • Im Recruiting wird authentisches Employer Brandingzum Schlüsselfaktor, um im War for Talent als attraktiver Arbeitgeber zu überzeugen, zum Beispiel mithilfe von eigenen Mitarbeiter*innen als Corporate Influencer. Kompetenzorientierte Auswahlverfahren wie Potenzialanalysen oder Online-Assessment-Center sind wirksame Tools zum Aufspüren von Future Skills.
  • Weiterbildung und lebenslanges Lernen müssen zum Grundprinzip werden, Power Skills werden selten während des Studiums oder der Berufsausbildung erworben und gefördert. Es liegt in der Hand des Arbeitgebers attraktive, spezifische und relevante Angebote zu erstellen und dem Team die nötigen Zeitressourcen sowie Infrastruktur zu gewährleisten. Arbeitnehmer*innen wiederum wünschen sich mehr Freiraum und Selbstverantwortung in der beruflichen Entwicklung.
  • In Re- und Upskilling muss mindestens genauso viel investiert werden wie in Recruiting. Denn das bestehende Personal hat bereits eine Bindung zum Unternehmen und kennt dessen DNA.
    • Gezieltes Reskilling schult Mitarbeitende für eine andere Position oder ein  neues Gebiet um, etwa weil vorherige Aufgabengebiete durch die Digitalisierung automatisiert wurden oder ein persönlicher Wunsch nach Veränderung besteht.
    • Upskilling hilft dabei, Qualifikationslücken innerhalb der eigenen Position zu schließen und neuen Anforderungen gerecht zu werden oder zur nächsten Karrierestufe aufzusteigen.

Future Skills: Der Schlüssel zur Anpassungsfähigkeit in der Arbeitswelt von morgen

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Future Skills eine entscheidende Rolle in der sich wandelnden Arbeitswelt spielen werden. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung, demografischer Veränderungen und globaler Krisen sind Unternehmen und Arbeitnehmer*innen gefordert, sich kontinuierlich weiterzubilden und anzupassen. Die Fokussierung auf Hard Skills allein reicht nicht mehr aus; Soft Skills und Power Skills gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sie branchenübergreifend relevant sind und den Erfolg von Unternehmen maßgeblich beeinflussen.

Um im War for Talent bestehen zu können, sollten Unternehmen ein kompetenzorientiertes Mindset entwickeln und ihre Mitarbeiter*innen gezielt bei der Entwicklung von Future Skills unterstützen. Dies beinhaltet eine authentische Unternehmenskultur, die Förderung von interdisziplinären Teams, den Einsatz von kompetenzorientierten Auswahlverfahren im Recruiting und die Bereitstellung von Weiterbildungsangeboten, die sowohl Re- als auch Upskilling ermöglichen.

Unser Fazit: Insgesamt ist es entscheidend, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen gleichermaßen die Bedeutung von Future Skills anerkennen und in ihre berufliche Entwicklung investieren. Nur so kann eine nachhaltige Anpassungsfähigkeit in einer zunehmend volatilen und komplexen Arbeitswelt erreicht werden.

Autor: Barbara Oberrauter-Zabransky
Bildnachweis: istockphoto.com / NicolasMcComber

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