
Toxisches Arbeitsumfeld
Ein toxisches Arbeitsumfeld kann man gut mit der herrschenden Klimakrise vergleichen – die „Vergiftung” der Atmosphäre ist menschengemacht, kann von einer oder mehreren Personen ausgehen und breitet sich schließlich auf die gesamte Umwelt aus. Die Konsequenzen sind fatal: negative Verhaltensweisen wie Mobbing, Diskriminierung oder sogar körperliche Belästigung lösen kollektiven Stress, Misstrauen und Angstgefühle aus, die die Arbeitsleistungen und den Unternehmenserfolg beeinträchtigen.
- Definition: toxisches Arbeitsumfeld
- 6 giftige Anzeichen – ist Ihr Betriebsklima toxisch?
- 1. Hohe Kündigungsraten und Fluktuation
- 2. Viele Krankheitsausfälle, niedrige Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit
- 3. Mobbing, Gerüchte und Diskriminierung
- 4. Hoher Arbeitsdruck und wenig Wertschätzung
- 5. Hoher Mangelnde Unterstützung durch Führungskräfte vs. Mikromanagement
- 6. Schlechte Kommunikation und manipulatives Verhalten
- Toxisches Arbeitsumfeld & seine negativen Auswirkungen
- Toxische Führungskräfte und Mitarbeiter*innen erkennen
- Eiskalte CEOs und der Dominoeffekt von toxischer Führungskultur
- Ein fauler Apfel reicht aus: Toxische Mitarbeiter*innen
- Kann man toxische Menschen schon im Vorstellungsgespräch erkennen?
- 5 Tipps gegen ein toxisches Betriebsklima
- 1. Toxisches Verhalten von Mitarbeitenden direkt ansprechen
- 2. Die Personalabteilung als Mediator nutzen
- 3. Selbstfürsorge und eigene Grenzen setzen
- 4. Toxische Praktiken und Muster dokumentieren
- 5. Gelebte Unternehmenskultur
Definition: toxisches Arbeitsumfeld
Bei einem toxischen Arbeitsumfeld handelt es sich um eine Arbeitsumgebung, die von negativen Verhaltensweisen wie Mobbing, Diskriminierung oder Überforderung geprägt ist. Eine toxische Unternehmenskultur kann bei den Mitarbeiter*innen zu psychischem Stress und schlechter Arbeitsleistung führen und dem Unternehmen wirtschaftlich schaden.
6 giftige Anzeichen – ist Ihr Betriebsklima toxisch?
Ein toxisches Arbeitsklima kann viele Formen annehmen und ist nicht unbedingt für jedes Teammitglied gleich stark spürbar. Häufig dauert es einige Zeit, bis toxische Kolleg*innen oder Führungskräfte ihr wahres Gesicht zeigen oder erst das Akkumulieren mehrerer negativer Situationen bringt die „Giftpilze” und destruktive Muster ans Licht. Folgende Indikatoren für eine vergiftete Arbeitsumgebung sollten Ihre inneren Alarmglocken klingeln lassen:
1. Hohe Kündigungsraten und Fluktuation
Laut einer aktuellen Randstad-Studie würde ein Drittel der Arbeitenden weltweit ihren Job kündigen, wenn ihr Arbeitsumfeld sich als toxisch erweist, 61 Prozent entscheiden sich gegen einen Beruf, sollte dieser ihre Work-Life-Balance einschränken. Wenn ständig neue Mitarbeiter*innen in einer Firma durch die Drehtür ankommen und wieder kündigen oder gekündigt werden, steckt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein schlechtes Unternehmensklima dahinter.
„Die Fluktuation ist so stark, dass man mit der Drehtür am Mitarbeiter-Eingang Biostrom erzeugen kann.”
Bewertung eines Arbeitgebers auf der Plattform kununu
2.Viele Krankheitsausfälle, niedrige Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit
Zu viel Stress in der Arbeit, eine dauerhaft negative Stimmung im Büro und zwischenmenschliche Konflikte verursachen psychosomatischen Stress bis hin zu chronischen Krankheiten und Depression. Wenn Sie merken, dass Teammitglieder sich viel beschweren, ständig im Krankenstand sind und ihre Aufgaben nur noch mechanisch erledigen, hat sich das Gift schon längst ausgebreitet.
3.Mobbing, Gerüchte und Diskriminierung
Mobbing am Arbeitsplatz hat viele Gesichter – etwa in Form von bewusstem Ignorieren von Mitarbeiter*innen oder deren Anfragen, oder auch kleinere Gesten wie patzige E-Mails, das „unabsichtliche” Nicht-Einladen zum Meeting oder After-Work-Drinks. Bei systematischer Wiederholung führen diese Verhaltensweisen zur Verunsicherung und Isolierung der betroffenen Personen. Solche Machtspielchen können vom vermeintlich netten Tischnachbar, einer Kolleg*innengruppe oder auch direkt vom Vorgesetzten kommen.
„Mobbing ist […] das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz”
Gabler Wirtschaftslexikon
4.Hoher Arbeitsdruck und wenig Wertschätzung
Die Wurzel eines toxischen Arbeitsumfelds liegt in den meisten Fällen im Nukleus der Unternehmenskultur, der Führungsebene. Wenn der Chef stetig mehr und mehr von den bereits ächzenden Mitarbeitenden verlangt, die Unternehmens- oder Projektziele objektiv unrealistisch sind und dann auch noch kaum Wertschätzung für erbrachte Leistung gezeigt wird – dann platzt Leistungsträger*innen früher oder später der Kragen.
5.Hoher Mangelnde Unterstützung durch Führungskräfte vs. Mikromanagement
Sie haben das Gefühl, ihr beruflicher Weg im Unternehmen ist dem Vorgesetzten egal und fühlen sich in Stich gelassen? Oder aber jeder Arbeitsschritt wird kontrolliert und Ihnen bleibt keine Entscheidungsfreiheit? In beiden Fällen hat das Management versagt, neben der Produktivität sinkt dadurch auf Dauer die Arbeitsmoral und Kreativität. Auch eine gesunde Fehlerkultur ist so nicht möglich, diese benötigt ein gewisses Maß an Vertrauen und wertschätzender Kommunikation.
6.Schlechte Kommunikation und manipulatives Verhalten
Mit der mehr oder weniger gelungenen Kommunikation steigt und fällt das Arbeitsklima. Wenn ihre Leistungen ständig auf nicht konstruktive Weise kritisiert werden, Mitarbeitende unhöflich sind oder Ihre Person beleidigen; wenn zu wenig geredet wird und dadurch das Teamwork leidet; oder wenn bewusst Informationen vorenthalten werden und undurchsichtige Erwartungen entstehen – all das sind Zeichen toxischer Unternehmenskommunikation.
„Ein schlechter Kommunikationsstil des Managements führt zu unnötigem Wettbewerb unter den Mitarbeitern, was die Arbeitsatmosphäre vergiftet.”
Arbeitgeber-Bewertung auf glassdoor.at
Toxisches Arbeitsumfeld & seine negativen Auswirkungen
Dass eine gute Unternehmenskultur in Zeiten von Fachkräftemangel und Great resignation eine Priorität für Arbeitgeber sein sollte, liegt auf der Hand. Dennoch scheint der Status Quo noch weit davon entfernt zu sein, so kommt laut einer Studie der Universität Bielefeld in 85 Prozent der deutschen Unternehmen toxisches Führungsverhalten vor.
Wahrscheinlich wäre es hilfreich, wenn sich Arbeitgeber und Angestellte eine Liste der Konsequenzen eines toxischen Arbeitsumfelds vor Augen halten würden:
- Geistig und körperlich kranke Mitarbeiter*innen – Schlaf- und Angststörungen, Depression und Burn-Out, bis hin zu Magen-Darm-Erkrankungen, Bluthochdruck und Herzkrankheiten.
- Sinkende Produktivität durch geringe Motivation, niedrige Mitarbeiterbindung, hohe Fluktuation und Kündigungsraten.
- Toxische Mitarbeiter*innen kosten Unternehmen auf Dauer eine gute Summe: Laut der jüngsten Cornerstone OnDemand Studie berappen Unternehmen dreimal mehr Geld (etwa 12.800 USD) für die „faulen Äpfel“ im Team.
- Im Zeitalter von Internet-Bewertungen und „Cancel Culture” lassen negative Kommentare auf Portalen wie Glassdoor, kununu und Stepstone nicht lange auf sich warten – das schadet der Arbeitgeberattraktivität und verringert Jobbewerbungen.
„Inwieweit kann ein einziger fauler Apfel weitere Äpfel verderben? Gute Mitarbeiter kündigen mit 54 % höherer Wahrscheinlichkeit, wenn sie neben toxischen Mitarbeitern arbeiten, und dies bereits, wenn auf ein Team von 20 Personen ein toxischer Mitarbeiter kommt.”
Studie „Toxische Mitarbeiter am Arbeitsplatz” von Cornerstone OnDemand
Toxische Führungskräfte und Mitarbeiter*innen erkennen
Eiskalte CEOs und der Dominoeffekt von toxischer Führungskultur
In der TV-Serie „The Dropout” (2022) wird die unglaubliche, aber wahre Geschichte von Elizabeth Holmes erzählt, die als junge Uni-Aussteigerin mit ihrem Biotech-Startup Theranos das männlich dominierte Silicon Valley eroberte. Am Zenit des Erfolgs entpuppt sich, dass der Erfolg des Billionen-Unternehmens auf Lügen und Betrug aufgebaut war: von gefälschten Finanzen und Studienergebnissen bis zum Fake-Hauptprodukt von Theranos – ein Bluttest, der eigentlich nie funktioniert hat.
Die faszinierendsten Szenen der Serie zeigen die toxische Arbeitskultur unter der narzisstischen CEO. So entstand unter dem Deckmantel des „Firmengeheimnisses” ein absolutes Redeverbot zwischen bestimmten Abteilungen, Mitarbeiter*innen wussten teils nicht, was sie überhaupt produzieren oder verkaufen. Holmes verkörpert eine Führungskraft, die nach außen ein strahlendes Gesicht zeigt und nach innen eine Atmosphäre von Angst, Einschüchterung und Misstrauen schürt.
Toxische Führungskräfte vergiften das gesamte Unternehmen, ob sie nun ihre Macht missbrauchen und selbst destruktive Arbeitspraktiken an den Tag legen oder diese bei anderen tolerieren. Toxisches Benehmen zeigt sich etwa durch: Lügen oder Verbergen von Informationen, Herabwürdigungen von Mitarbeitenden, Überschreitungen persönlicher und privater Grenzen, fehlende Selbstreflexion und Schuldzuweisung, starke Ungleichbehandlung des Teams sowie manipulative Kommunikation.
Besonders perfide sind Manipulationstaktiken wie ‘Gaslighting’, hierbei werden Personen so lange durch Lügen, Einschüchterung und rhetorische Verunsicherung irregeführt, bis diese an ihrer eigenen Wahrnehmung und Denkfähigkeit zweifeln.
Ein fauler Apfel reicht aus: Toxische Mitarbeiter*innen
Natürlich können auch einzelne Mitarbeiter*innen zu einem toxischen Arbeitsumfeld beitragen, indem sie wie ein eingetretener Splitter konsequent unangenehme Stimmung verbreiten. Die sogenannten „Toxiker*innen” sind häufig stark erfolgsorientiert und dabei wenig auf ihre Mitmenschen bedacht – Stichwort Ellenbogenmentalität. Unternehmensziele oder gute Teamarbeit sind dem eigenen Wohlbefinden und Ehrgeiz untergeordnet. Dabei können solche Menschen sehr wohl eloquent, charmant und freundlich auftreten, bis sie es eben nicht mehr sind.
Bei einer gesunden Unternehmenskultur mit einem firmenweiten Verhaltenscodex und teamorientierten Management haben toxische Mitarbeiter*innen jedoch nicht die Möglichkeit, dauerhaft Schaden im Unternehmen auszurichten – oder sie werden bereits im Bewerbungsgespräch aufgespürt.
Kann man toxische Menschen schon im Vorstellungsgespräch erkennen?
Personaler*innen, die sich beim Bewerbungsgespräch von vermeintlich genialen High Performer*innen oder charismatischen Versprechungen blenden lassen, werden ihre Entscheidung bereuen, wenn der „Star” im Arbeitsalltag die Gesamtleistung des Teams durch toxisches Verhalten verschlechtert. Im regulären Vorstellungsgespräch ist das Auffinden toxischer Eigenschaften tatsächlich schwierig.
Ein Ansatz ist, Fragen zu Soft Skills, Teambeziehungen und der Unternehmenskultur in vorherigen Positionen zu stellen: Wie würden Ihr ehemaliger Chef und Kolleg*innen Sie als Mitarbeiter*in beschreiben? Wo haben Sie in der Vergangenheit versagt und wie sind Sie damit umgegangen? Welche Werte sind Ihnen in einem Unternehmen wichtig?
Noch hilfreicher ist es, Kandidat*innen über einen längeren Zeitraum im zukünftigen Arbeitsumfeld und Team beobachten zu können, zum Beispiel währen eines Probemonats. Ein mehrstufiger Assessment Prozess mit interaktiven Situationen und psychologischen Tests kann ebenfalls mehr Aufschluss über die Persönlichkeit der Bewerber*innen geben.
5 Tipps gegen ein toxisches Betriebsklima
Als HR-Manager*in ist es gar nicht so leicht, gegen toxisches Führungsverhalten vorzugehen und Angestellte fühlen sich nicht selten toxischen Mitarbeiter*innen gegenüber ausgeliefert oder suchen den Fehler zuerst bei sich. Bevor es zu „Quiet quitting” oder der endgültigen Kündigung kommt, können Sie Maßnahmen für ein gesünderes Arbeitsumfeld setzen:
1. Toxisches Verhalten von Mitarbeitenden direkt ansprechen
Bei einem produktiven Dialog ohne Vorwurf kann der andere das eigene toxische Benehmen womöglich erst realisieren.
2. Die Personalabteilung als Mediator nutzen
Aals Schnittstelle zwischen Team und Führungsebene können sie problematische Situationen klären oder bei Führungskrisen mit dem Betriebsrat, externen Expert*innen etc. in Kontakt treten.
3. Selbstfürsorge und eigene Grenzen setzen
Als Mitarbeiter*innen haben das Recht „Nein” zu sagen und sich von unnötigen Konflikten zu distanzieren. Schaffen Sie privat Ausgleich gegen Stress und psychosomatische Belastung, um eine dickere Haut zu bekommen. Wenn toxisches Verhalten hingegen gegen Ihre persönlichen Werte verstößt, reagieren Sie mit einer „zero tolerance policy”.
4. Toxische Praktiken und Muster dokumentieren
Es kann für die persönliche Therapie, aber auch im Falle von Interventionsmaßnahmen oder Kündigung hilfreich sein, toxische Situationen und Verhaltensweisen schriftlich zu notieren. Dabei gilt: je genauer, desto besser.
5. Gelebte Unternehmenskultur
Führungspersonen sollten offene und transparente Kommunikation, gelebte Unternehmenswerte, mitarbeiterorientierte Arbeitsmodelle und die eigene Vorbildfunktion an oberster Stelle sein – nichts ist ein besseres Gegengift für ein toxisches Arbeitsumfeld als eine positive Unternehmenskultur.
Autorin: Barbara Oberrauter-Zabransky
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