Agiles Arbeiten

Alles bleibt anders – so lautete das Credo der letzten Jahre. Während Pandemie und Ukrainekrieg die Welt auf den Kopf stellten, sorgten Digitalisierung und Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt dafür, dass kein Stein auf dem anderen blieb. Dazu rückte noch eine Generation ins Erwerbsleben nach, deren Ruf nach Work-Life-Balance die 4-Tage Woche schon bald Lebensrealität werden lassen könnte. Wer bei dem Tempo, in dem sich alles verändert, träge reagiert, bleibt womöglich auf der Strecke. Ein Konzept, geborgt aus der Softwareentwicklung, soll Unternehmen in diesen bewegten Zeiten flexibel und überlebensfähig machen: das agile Arbeiten.

Alle Infos im Überblick

Definition: Was agiles Arbeiten bedeutet

Flexibles Arbeiten bezieht sich ausschließlich auf Arbeitsort und Arbeitszeit – also darauf, wo und wann gearbeitet wird. Leere Kaffeeküchen am Freitagvormittag in den Büros, geteilte Arbeitsplätze und farbenfrohe LinkedIn-Posts von „Workations“ am Meer zeugen davon, dass hybrides Arbeiten nicht nur Zukunftsmusik, sondern in vielen Betrieben bereits Alltag geworden ist.

 

Agiles Arbeiten geht weit über flexibles Arbeiten hinaus. Eine Reihe von Rahmenwerken definiert die Art und Weise, wie gearbeitet wird neu. Im Fokus aller Anstrengungen steht immer der Kundennutzen. Effektive Teamarbeit und intensive persönliche Kommunikation sind der Herzschlag dieser Arbeitsmethodik: Das Team spricht in sogenannten Stand-up Meetings täglich miteinander, trifft seine Entscheidungen gemeinsam und reflektiert darüber, wie die gemeinsame Arbeit besser gestaltet werden kann. Es herrscht eine Kultur gegenseitigen Vertrauens. Scheitern wird als Teil des Lernens betrachtet. Agil zu arbeiten, bedeutet auch rasch im Arbeitsprozess etwas zu finden, das für die Zielgruppe verwendbar und attraktiv ist, beispielsweise eine funktionsfähige Software oder ein umsetzbares Konzept für eine Veranstaltung. In wiederholenden Feedbackschleifen wird das Ergebnis optimiert und angepasst. So gelingt es agilen Teams rasch auf veränderte Umweltbedingungen oder Kundenwünsche zu reagieren.

 

Die Ursprünge: Wie Softwareexperten auf einem Skiresort Arbeit neu definierten

Seine Wurzeln hat das agile Arbeiten in der Softwareentwicklung. Das agile Manifest legte 2001 den offiziellen Grundstein für diese Arbeitsweise. Es entstand in einem Ski-Resort in Utah, USA, als mehrere Softwareexperten mit dem damaligen Status quo des Projektmanagements in der Softwareentwicklung unzufrieden waren und stattdessen ihre eigenen Werte und Prinzipien formulierten. Starre Arbeitspakete und fest definierte Strukturen hatten ausgedient: Das agile Manifest steht bis heute für Kundenorientierung, rasche Entwicklungszeit, das funktionierende Ergebnis als Maßstab für den Erfolg, intensive Kommunikation und grundlegendes Vertrauen in das Entwickler-Team.

 

Agiles Arbeiten jenseits von Start-ups und Softwarebranche

Der agile Werkzeugkoffer ist groß und je nach Unternehmensbereich und Branche kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. In der Software- und Produktentwicklung kommt häufig das sogenannte „Scrum“ mit fest definierten Rollen der einzelnen Teammitglieder und einem Prozess mit sich wiederholenden Arbeitsschleifen zum Einsatz. Die „Kanban“-Methode eignet sich für agile Teams in Vertrieb oder Administration. Dabei geht es darum, Arbeitsprozesse zu visualisieren, zu verstehen und zu optimieren, um Doppelgleisigkeiten und Engpässe aufzudecken.

 

Von der Bau- über die Pharmaindustrie hin zur Werbebranche und Event-Veranstaltern profitieren Unternehmen unterschiedlichster Geschäftszweige von agiler Arbeitsweise. Doch nicht überall ist sie passend. In Branchen, in denen starke Regulierungen und vorhersehbare Prozesse eine Rolle spielen, wie im Bank- und Finanzwesen, bei Behörden oder bei Projekten, die durch Drittmittel finanziert wurden, stößt die agile Arbeitsweise an ihre Grenzen.

 

Agiles Arbeiten in der Praxis – ein Fallbeispiel aus dem Alltag einer Personalberatung

Im Team einer Personalberatung kommt es immer wieder zu schwankendem Arbeitsanfall. Einzelne Teammitglieder sind überlastet, andere unterfordert. Wenn es zu krankheitsbedingten Ausfällen bei den Recruiter*innen kommt, verlassen sich Kolleg*innen auf Notizen in Bewerbermanagement-System, die nicht immer sorgsam dokumentiert wurden. Der Team Jour-Fix findet einmal pro Woche statt, am schnelllebigen Markt hat sich zwischen diesen Meetings oft viel verändert.

 

Hier half die Einführung von agilen Methoden die Situation drastisch zu verbessern. Das Team erhielt eine große Magnettafel. Für jede Position erstellen die Recruiter*innen nun Kärtchen, die sie auf der Tafel vier klar abgegrenzten Projektstadien zuordnen. Beim täglichen Stand-up Meeting bespricht das Team die offenen Positionen und bewegt sie dem Projektfortschritt entsprechend in den Feldern. So haben alle Teammitglieder einen guten Überblick, die Arbeit wird fair aufgeteilt und nützliche Querverbindungen werden hergestellt. Teammitglieder, die remote arbeiten, sind über Videocall dabei. Wenn ein/e Kolleg*in ausfällt, wissen die anderen Bescheid und können sowohl Kandidat*innen als auch Kunden bestmöglich betreuen.

 

Wie Unternehmen von agilem Arbeiten profitieren

Ist das entsprechende Mindset im Unternehmen vorhanden und eignet sich das Umfeld für agiles Arbeiten, bringt diese Arbeitsweise zahlreiche Vorteile. Wo agil gearbeitet wird, fällt es leicht, sich an Veränderungen anzupassen und auf Krisen zu reagieren. In der Produktentwicklung gibt es kürze Entwicklungszeiten. Die starke Werteorientierung, das Team-Gefühl und die generelle Flexibilität dieser Arbeitsweise macht die Mitarbeitenden zufriedener, kreativer und produktiver. Denn dort, wo Menschen sich aktiv einbringen und Abläufe selbst gestalten steigt die Mitarbeiterzufriedenheit rasant. Die starke Kundenorientierung schafft qualitativ hochwertigere Ergebnisse für Kunden und gibt auch dem Team ein ausgeprägtes Sinn-Gefühl.

Schwachpunkte und Risiken des agilen Arbeitens

Damit agiles Arbeiten funktioniert, müssen Führungsstil und Unternehmenskultur dazu passen. Nicht in jedem Unternehmen wird eine offene Fehlerkultur gelebt und die Idee tatsächlich wertgeschätzt, dass Entscheidungen im Team getroffen werden. Diese Vertrauenskultur ist jedoch notwendig, um agiles Arbeiten erfolgreich zu implementieren. Die erhöhte Kommunikation im Team fordert Zeit und Energie. Gleichzeitig verlangt sie den einzelnen Teammitgliedern ein hohes Maß an sozialer Kompetenz ab. Die Teammitglieder sollten den Mehrwert des agilen Arbeitens verstehen und verinnerlichen, da die regelmäßige, intensive Kommunikation und das Fehlen von starren Strukturen durchaus auch Überforderung und Widerstand auslösen können. Hohe Flexibilität und fehlende vordefinierte Ziele verführen mitunter dazu, dass Projekte „ausufern“ und ihren ursprünglichen Rahmen an Ressourcen oder das Budget sprengen.

Fazit

Flexiblere und anpassungsfähige Unternehmen und zufriedene motivierte Mitarbeitende – all das verspricht die agile Arbeitsweise. Damit sie im Betrieb auch umgesetzt werden kann, braucht es eine wertschätzende Vertrauenskultur und die Fähigkeit von Vorgesetzten und Teammitgliedern, effektiv zu kommunizieren und sich auf Neues einzulassen.

 

Autorin: Karina Rapp
Bildnachweis: istock/Eva-Katalin

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