
Digitales Recruiting. So digital arbeiten Österreichs Personalabteilungen.
So viel ist klar: Analoge Bewerbungsprozesse schrecken ab und das möchte in Zeiten steigenden Arbeitskräftemangels niemand. Mehr als die Hälfte der Kandidat*innen bevorzugt digitale Bewerbungsprozesse und diese mit analogen Prozessen zu verschrecken, kann sich niemand mehr erlauben.
Gleichzeitig stehen überlastete Personalabteilungen aufgrund des erhöhten Recruitingbedarfs und längerer Time-to-Hire zunehmend unter Druck. Effiziente Prozesse, die Zeit sparen, werden auch für sie immer wichtiger. Was den digitalen Bewerbungsprozess betrifft, gibt es jedoch noch einigen Nachholbedarf: Stepstone hat über 250 Recruiter*innen befragt, um herauszufinden wie digital Österreichs Personalabteilungen heute arbeiten.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
- Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
- Definition: Was versteht man unter digitalem Recruiting?
- Schnelle Bewerbung: One-Click-Bewerbungen sind selten
- Der Lebenslauf wird nach wie vor ausgedruckt
- Candidate Experience: nur in Hälfte evaluiert
- KI im Recruiting wird (noch) kaum genutzt
- Bewerbungsgespräche führt man immer noch lieber persönlich
- Vorteile von digitalem Recruiting
Definition: Was versteht man unter digitalem Recruiting?
Wenn der gesamte Prozess der Personalbeschaffung digital durchgeführt wird, spricht man von digitalem Recruiting oder eRecruiting. Beim eRecruiting geht es also nicht nur darum, eine Online-Bewerbung per E-Mail zu ermöglichen, sondern möglichst alle Teilbereiche des Bewerbungsprozesses zu digitalisieren. Das beginnt bei Stellenanzeigen auf die sich Bewerber*innen über ein Online-Formular bewerben können. Immer wichtiger werden One-Click-Bewerbungen, bei denen man sich praktisch per Mausklick oder einfach übers Handy bewerben kann. Außerdem gibt es Recruiting-Software, die den gesamten Bewerbungsablauf organisieren und automatisieren kann und auch das Verwalten der Bewerberdaten in einem zentralen Bewerbermanagement ermöglicht.
Schnelle Bewerbung: One-Click-Bewerbungen sind selten
Geht es nach den Bewerber*innen, sollte nicht nur das Einreichen der Bewerbung schnell und einfach digital möglich sein, gut ein Drittel aller Kandidat*innen hat auch nichts gegen eine technisch gestützte digitale Prüfung ihrer Bewerbungsunterlagen. Hauptsache, die Antwort kommt schnell, denn lange warten möchte niemand mehr.
Aber immer noch sind nicht alle Stellenausschreibungen digital. Aktuell schreiben 88 Prozent der Personalabteilungen ihre Stellen digital aus. In 61 Prozent Stellenausschreibungen ist die Bewerbung über Online-Formulare möglich. Die Kommunikation mit (potenziellen) Bewerber*innen erfolgt in 60 Prozent der Fälle mehrheitlich digital.
Die beliebten One-Click-Bewerbungen werden nur in 34 Prozent der Ausschreibungen angeboten und nur etwa jede dritte Personalabteilung gibt an, über einen transparenten und nachvollziehbaren Bewerbungsprozess zu verfügen. Nur 6 Prozent der Recruiter*innen nutzen digitale Vorauswahlverfahren wie ein Assessment-Center oder Cultural-Fit-Tests, bei denen herausgefunden wird, wie gut ein*e Kandidat*in zu den Handlungsweisen, Unternehmenskultur und Wertevorstellungen eines Unternehmens passt.
Der Lebenslauf wird nach wie vor ausgedruckt
Das Festhalten am Analogen lässt sich besonders am Umgang mit Lebensläufen beobachten: 53 Prozent der Recruiter*innen sagen, dass sie Lebensläufe der Kandidat*innen ausdrucken und analog weitersortieren. Nur 59 Prozent der Befragten geben an, über eine gut organisierte Bewerberdatenbank zu verfügen. Dass am Bewerbungsprozess beteiligte Fachabteilungen und Recruiter*innen jederzeit Einblick in den aktuellen Stand der Bewerbungen haben, ist nur bei 40 Prozent der Befragten der Fall. Terminmanagement und Datenpflege erledigen nur 20 Prozent der Interviewten mittels einer eigenen Recruiting Software.
Candidate Experience: nur in Hälfte evaluiert
Gut ein Drittel der befragten Unternehmen hat weder eine aktuelle und umfassende Karriereseite noch einen gut analysierten Bewerbungsprozess. E-Assessment-Tools oder Chatbots bietet hierzulande überhaupt nur weniger als ein Prozent der Befragten an. Immerhin die Hälfte analysiert laufend Prozesse, Antwortgeschwindigkeit, Kontaktpunkte etc. Eine aktuelle Karriereseite inklusive Bild- und Videomaterial bieten 41 Prozent der HR-Abteilungen an.
Die Candidate Experience – die Art und Weise, wie Kandidat*innen mit dem Unternehmen Kontakt aufnehmen und interagieren – ist für die Hälfte der Recruiter*innen undurchsichtig. Dabei wäre es in Zeiten des Fachkräftemangel und im Kampf um die besten Talente wichtig, über die Zufriedenheit mit dem Bewerbungsprozess Bescheid zu wissen.
KI im Recruiting wird (noch) kaum genutzt
Recruiting funktioniert dank der menschlichen Fähigkeit, durch Kommunikation und Interaktion das Können, die Persönlichkeit und die Motivation seines Gegenübers einschätzen zu können. Gute Recruiter wissen aus Erfahrung, welche Fakten in der Ausschreibung wichtig sind, bei welchen Fähigkeiten man Abstriche machen kann und ob die Person, die sich bewirbt, ins Unternehmen passt. Dabei geht es um Bauchgefühl, um das Deuten nonverbaler Signale und gleichzeitig um das möglichst objektive Bewerten von Erfahrung und Können. Ein solcher Entscheidungsprozess braucht Zeit – und ist fehleranfällig. Kann KI hier unterstützen?
Ja. Stellenanzeigen werden auf Basis maschineller Datenanalysen so gestaltet, dass sie besonders attraktiv erscheinen und die richtigen Talente ansprechen. Auch die Entscheidung, über welche Kanäle ein Unternehmen eine Stellenanzeige verbreitet, kann mit Unterstützung von KI getroffen werden. Eingehende Bewerbungen können von einem KI-Tool analysiert und Lebensläufen nach Qualifikationen durchsucht werden, die auf die jeweilige Stelle passen. Auch automatisierte und KI-gestützte Bewerbungsgespräche werden immer beliebter. Dabei werden z.B. via Videoaufzeichnung Bewerbungsgespräche von KI geführt und anschließend analysiert, um zu einer aussagekräftigen Bewertung der Kandidat*innen zu gelangen.
KI gewinnt immer mehr an Bedeutung und auch für das Recruiting bringt sie enorme Vorteile mit sich, ihr Potenzial wird von den österreichischen HR-Abteilungen aber noch nicht genutzt. Für 87 Prozent spielt KI im Bewerbungsprozess überhaupt keine Rolle. Nur 11 Prozent nutzen KI zur Optimierung ihrer Stellenausschreibungen und knapp 3 Prozent nutzen künstliche Intelligenz als Entscheidungsstütze im Auswahlverfahren.
Bewerbungsgespräche führt man immer noch lieber persönlich
67 Prozent der Recruiter*innen führen heute Interviews virtuell. Jedoch sagen 57 Prozent, dass bereits das erste Bewerbungsgespräch lieber persönlich geführt wird, während ein Drittel die Kandidat*innen erst in der zweiten Runde persönlich trifft. Drei Prozent führen erst das dritte Gespräch bei einem persönlichen Treffen.
Vorteile von digitalem Recruiting
- Digitale Stellenanzeigen erzielen höhere Reichweiten.
- Die Digitalisierung einfacher Prozesse ermöglicht es Recruitern, Bewerbungen elektronisch zu verwalten und zu bearbeiten.
- Erhöhung der Effizienz: Durch den Einsatz von Bewerbermanagementsystemen können Lebensläufe und Bewerbungsunterlagen automatisch sortiert und nach relevanten Kriterien gefiltert werden. Dadurch wird der Auswahlprozess beschleunigt und effizienter gestaltet.
- Zeitersparnis: Wiederkehrende Aufgaben, wie beispielsweise das Versenden von E-Mail-Benachrichtigungen an Bewerber*innen oder die Planung von Vorstellungsgesprächen, können relativ einfach automatisiert werden. Das wiederum ermöglicht es Recruitern, sich auf strategische Aufgaben zu konzentrieren, wie zum Beispiel dem Screening und der Auswahl der besten Kandidat*innen. Aber auch dieser Prozess kann mit digitaler Unterstützung kontinuierlich optimiert werden.
- Kostenersparnis: Traditionelle Methoden der Personalbeschaffung, wie beispielsweise Printanzeigen oder die Teilnahme an Jobmessen, können teuer sein. Digitales Recruiting bietet hier kostengünstigere Alternativen.
Autorin: Corina Drucker
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