“Arbeiterlosigkeit” in Österreich: Fachkräftemangel bleibt großes Problem

Der Personal- und Fachkräftemangel bleibt auch 2022 die größte Herausforderung für den Arbeitsmarkt: Trotz Pandemie steigt die Nachfrage nach qualifiziertem Personal stetig an – und zwar kräftig. Mittlerweile fehlen quer durch alle Berufsgruppen qualifizierte Fachkräfte, unter anderem in Schlüsselbranchen wie der IT und beim medizinischen Personal.

 

„Arbeiterlosigkeit als Herausforderung des 21. Jahrhunderts“

„Unsere Herausforderung wird künftig nicht mehr Arbeitslosigkeit sein, sondern Arbeiterlosigkeit“, bestätigt Sebastian Dettmers, Geschäftsführer von StepStone Deutschland, den besorgniserregenden Trend: „Die Arbeiterlosigkeit ist neben der Klimakrise die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Egal ob Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft – wir alle müssen viel lauter darüber sprechen. Und mit Hochdruck gemeinsam an Lösungen arbeiten.“

 

Vor allem mittelständischen Unternehmen mangelt es an Fachkräften

Wie kritisch die Lage ist, zeigt ein Blick auf aktuelle Zahlen: So finden sich in der Fachkräfteverordnung 2022 mit 66 Mangelberufen deutlich mehr als noch im Jahr zuvor. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist zurückgegangen, konstatiert das AMS – aktuell kommen 1,5 offene Stellen auf eine arbeitslose Person. Das belastet vor allem mittelständische Unternehmen zunehmend: Laut einer Umfrage des Wirtschaftsprüfers EY bei rund 600 Firmen wird der Mangel an Fachkräften als größte Gefahr für die Unternehmensentwicklung angesehen. Rund 83 Prozent tun sich nach eigenen Angaben schwer, qualifiziertes Personal zu finden.

 

Demografischer Wandel als Damoklesschwert

Geschuldet ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften aber nicht nur der Pandemie und der damit verbundenen Kündigungswelle – Stichwort Great Resignation. Auch die demografische Entwicklung spielt eine wichtige Rolle am Jobmarkt, zeigen aktuelle Prognosen. Demnach schrumpft der Anteil der Erwerbsbevölkerung in den nächsten 30 Jahren europaweit. In Deutschland ist die Lage durchaus dramatisch, da hier die Bevölkerung laut Prognosen in den kommenden Jahren nicht wachsen wird, im Verhältnis schrumpft die Erwerbsbevölkerung in der Bundesrepublik je nach Schätzung um 13 Prozent bis 2040. In Europa wird ein Schrumpfen der erwerbstätigen Bevölkerung um 9 Prozent erwartet. Da Österreich noch ein Bevölkerungswachstum prognostiziert wird, fällt die Situation hier nicht ganz so drastisch aus. Aber auch hierzulande ist laut einer aktuellen Prognose der Statistik Austria mit einem Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung zu rechnen – etwa um 4,8 Prozent in den nächsten dreißig Jahren – ein Damoklesschwert, das drohend über dem gesamten Arbeitsmarkt hängt. 

 

 

„Sinkende Produktivität bedroht Wohlstand“

Bezüglich des daraus resultierenden Defizits an Arbeitskräften steht Österreich zudem im Wettbewerb mit vielen anderen Ländern, in denen sich eine ähnliche Entwicklung abzeichne. Das hat ganz konkrete Auswirkungen, nicht zuletzt auf die Produktivität: „Wenn es weniger Menschen gibt, die arbeiten, müssen diejenigen, die arbeiten, produktiver sein. Sonst geht die Rechnung nicht auf“, so Dettmers. „Steigt die Produktivität nicht weiter oder sinkt sie sogar, sinkt auch die Wirtschaftskraft. Das hat zur Folge, dass unser Wohlstand bedroht ist.“ 

 

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“The Great Unemployeement”

Das 21. Jahrhundert ist ein Jahrhundert der Megatrends und globalen Herausforderungen. Normalerweise sind diese unmittelbar sichtbar. Sie finden im öffentlichen Diskurs statt. Aber eine große Bedrohung bleibt aktuell fast unbemerkt: Das 21. Jahrhundert wird ein Jahrhundert der „Arbeiterlosigkeit“ sein.

Es ist jetzt dringend nötig, mögliche Lösungen aufzuzeigen.
Das Bevölkerungswachstum war in den letzten 200 Jahren einer der wichtigsten Treiber für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Doch dieses Wachstum kommt aktuell zum Erliegen: Die Erwerbsbevölkerung schrumpft – mit ernsten Folgen für die Zukunft. Und der Wendepunkt ist … jetzt.

Mehr dazu auf stepstone.com: The Great Unemployeement

 

Neue Wege zur Personalfindung

Um Fachkräfte zu finden und langfristig an sich zu binden, müssen Unternehmen daher neue, innovative Wege gehen, die nicht zuletzt dem gesteigerten Bedürfnis nach Flexibilität entgegenkommen: Laut einer repräsentativen Befragung von StepStone möchten zwei Drittel aller Österreicher*innen auch künftig mehrere Tage von zu Hause aus arbeiten. Weiteren 73 Prozent ist eine gute Work-Life-Balance während der Pandemie wichtiger geworden – zur Not auch auf Kosten des Jobs.

 

„Arbeitgeber müssen sich verstärkt bemühen“

Angesichts der Zahlen müssten sich Arbeitgeber auf einen veränderten Markt einstellen, sagt daher Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer von StepStone Österreich: „Nicht mehr Unternehmen diktieren die Bedingungen, sondern Arbeitnehmerinnen und -nehmer. Vor den Firmen steht niemand mehr Schlange, im Gegenteil: Arbeitgeber werden sich verstärkt um talentierte Nachwuchskräfte bemühen müssen – und deren Bedürfnisse ernst nehmen.“

 

Bestehende Fachkräfte weiterentwickeln

Aus personaltechnischer Perspektive ist aber auch die Weiterentwicklung von Fachkräften im Unternehmen wichtig, sagt StepStone-Arbeitsmarktexperte Tobias Zimmermann: „Hier sprechen wir von versteckter und bisher noch unentdeckter Produktivität, die es zu finden und zu entwickeln gilt. Da es immer weniger erwerbstätige Menschen geben wird, können wir irgendwann nicht mehr erwarten, dass die Fachkräfte die konkreten Hard Skills für die Berufe, für die wir rekrutieren, direkt mitbringen.“

 

Der mutige Blick nach vorne

Um der Arbeiterlosigkeit im 21. Jahrhundert entgegenzuwirken, werden Unternehmen sich umstellen müssen – und neue Denkprozesse einleiten, sind sich Experten einig: Nur wer einen mutigen Blick nach vorne und eine Strategie für ein eine entwicklungsorientierte Zukunft hat, kann künftig auf dem Jobmarkt bestehen. Neben verstärkten Ansätzen zu mehr Diversität sind daher ein neues Verständnis von Arbeit und ihre Einbettung in die persönlichen Lebensumstände nötig – und eine Aufbau- und Wachstumsstrategie, die bestehende Mitarbeiter*innen fördert und neue Kandidat*innen wie magisch anzieht.

 

Autorin: Barbara Oberrauter-Zabransky
Bildnachweis: iStock/Nuthawut Somsuk

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