Die Magie des Pilgerns: der Jakobsweg als berufliche Auszeit

Langer Urlaub, Sabbatical oder Karrierewechsel? Wie das Pilgern dir neue Kraft gibt.


02.10.2018

Kurze oder lange Momente der beruflichen Auszeit können verschieden genutzt werden. Unsere Redakteurin, Jana Donat, hat sie über 800km auf dem Pilgerweg der Nordküste Spaniens – dem Jakobsweg – verbracht.

Geschichtsträchtige Pilgerwege der Welt

Hinter dem Sinnbild der Pilgerschaft verbergen sich viele Bedeutungen: Tage, Wochen oder Monate zu Fuß unterwegs zu sein, beinhaltet nicht nur einen körperlichen Kraftaufwand. Im Zentrum der Wanderung steht meist eine geistig-spirituelle Reise, die einem zum individuell höchsten Erkenntnisstand seiner Selbst bringen soll. In vielen verschiedenen Religionen und Kulturen spielen Pilgerwege seit langer Zeit eine bedeutende Rolle. Unzählige Menschen machen sich täglich auf den Weg nach Jerusalem, Rom, Mecca, Medina oder Santiago. Auch der spanische Jakobsweg bietet verschiedene Wege im Inland oder an der Küste, um nach vielen schweißtreibend-befreienden Kilometern in Santiago anzukommen. Ein nicht nur historisch verankertes Ende bei dem angeblichen Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela, sondern geographisches Finale der Pilgerreise erwartete mich jedoch in Finisterre – am früher vermuteten westlichen Ende der Welt.

 

Motivationen – der Jakobsweg als berufliche Auszeit

Nicht immer muss hinter dem Bedürfnis einer Pilgerreise aber eine tief religiös verankerte Motivation lauern. Viele Menschen laufen einen der vielen Pilgerwege nach Santiago aus sportlichen, persönlichen oder spirituellen Gründen. So spielten auch bei mir verschiedene Gründe zusammen, die mich als Freiberuflerin – zwischen Masterabschluss und potenziell ausstehender Festanstellung – auf den Küstenweg in Nordspanien brachten. Viele Geschichten und auch Schicksale bringen die verschiedensten Menschen auf den Jakobsweg, um Abstand zu allem und jeden zuhause – wie auch der geistigen Ermüdung durch die Arbeit oder der Jobsuche – zu bekommen.

Der neue Alltag schien simpel: Durchatmen, laufen, reflektieren. Bei einer arbeitstechnischen Auszeit, als Sabbatical oder zur beruflichen Neuorientierung kann der Jakobsweg zur wahren Inspirationsreise werden. Gescheiterter Jobwechsel? Lücken im Lebenslauf? Gekündigt worden? Du wurdest am Arbeitsplatz gemobbt? Darauf wird dich hier niemand ansprechen! Und falls du es von selbst erzählst, wird kein Pilger auf die Idee kommen, dich mit einem kritischen Blick zu begutachten. Die pure Wertfreiheit und Akzeptanz schweben in der Pilgeratmosphäre. Kein Zwang miteinander zu reden – aber es gab immer offene Ohren, sobald man das wollte. Kein Zwang jedem Pilger zu erklären, dass einem durch Burnout-Gefahr oder Unterforderung im Job die Decke auf dem Kopf fiel – aber man kann dies teilen, wenn man mag.

 

Pilgern für Körper und Geist: ein täglicher Lauf gegen den Alltag?

Nicht selten überraschte ich mich selbst – überschritt vermutete körperliche Grenzen und mentale Barrieren. Auch Atmung und Körperwahrnehmung werden im Laufe des Caminos viel bewusster. Ich lernte noch intensiver auf meinen eigenen Körper zu hören – im selben Ausmaß wie ich Blasen an den Füßen und müde Muskeln zu ignorieren lernte. Die körperliche Verausgabung treibt die Psyche nach einer gewissen Laufdauer an: Denk nicht verkrampft über irgendetwas nach, lass den Alltag zuhause und lauf! Über Probleme reden, selbstreflektiertes Schweigen und plötzliches Weinen gelten am Jakobsweg als Zeichen der Stärke. Keine negative Wertung. Es ist also nicht nur ein Weglaufen aus dem festgefahrenen Alltag zuhause. Ganz im Gegenteil: Manchmal sprintet man in ihn herein und kommt mal mit einem Lächeln und mal mit einer Träne im Gesicht aus dem Endspurt heraus. Es ist nicht nur Urlaub und Entspannung. Es ist Arbeit an sich selbst und teilweise Verspannung – psychisch wie physisch, damit die neugewonnene Freiheit über sich selbst überhaupt geschätzt werden kann. Die meisten Tage fühlte ich mich glücklich und dankbar.

 

Der Jakobsweg und seine vielen Gesichter

Die vielen Menschen und Geschichten entlang des Küstenweges waren divers, weltoffen und spannend: ein Paar aus Amerika kündigte ihre Jobs daheim nach jahrelanger innerer Kündigung und startete für unbegrenzte Zeit zunächst auf den verschiedenen Caminos Europas durch. Ein belgischer Extremsportler lief bereits über zwei Monate von seinem Haus am Meer daheim los. Ein junger Deutscher wollte sechs Wochen Zeit allein verbringen, um über sich und Gott zu reflektieren. Ein älterer Franzose startete mit Esel und Zelt im Norden seines Landes, da ihn nichts mehr zuhause hielt. Eine 70-jährige Südafrikanerin lief den Camino zusammen mit ihrer Tochter. Eine spanische Gruppe pilgerte nun das vierte Jahr in Folge eine Etappe des Jakobswegs bis sie eines Jahres in Santiago de Compostela ankommen werden.

Nicht nur die atemberaubende Natur und das tägliche Wandern, sondern insbesondere die Geschichten und Gesichter des Jakobswegs machen ihn erst so besonders. Vielleicht willst auch du nun raus aus deinem Arbeitsstress und den Jakobsweg als berufliche Auszeit entdecken, um den Camino durch ein neues Gesicht mit deiner einzigartigen Geschichte zu bereichern?

 

Bildnachweis: Jana Donat

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