Entgelttransparenzrichtlinie Österreich – die wichtigen Neuerungen

Mangelnde Lohntransparenz gilt als eines der Haupthindernisse für die Beseitigung des geschlechterspezifischen Lohngefälles, des sogenannten Gender Pay Gap. Der bereinigte Gender Pay Gap (zwischen Männern und Frauen mit identischen Charakteristika) betrug in Österreich 2024 noch 6,3 % – die Basis für die Berechnung bildet das Jahres-Durchschnittsgehalt in Österreich. Die Gleichstellung der Geschlechter sowie das Recht auf gleiches Gehalt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gehören zu den 20 Grundsätzen sozialer Rechte in der Europäischen Union. Um die Durchsetzbarkeit dieser Grundsätze zu verstärken und die Gehaltstransparenz zu verbessern ist 2023 eine EU-Richtlinie in Kraft getreten, die von den Mitgliedsstaaten der EU bis 7. Juni 2026 in nationales Recht zu gießen ist.

Was gibt diese Richtlinie vor und welche Pflichten kommen damit auf Unternehmen in Österreich zu? In Bezug auf die korrekte Darstellung der rechtlichen Aspekte hat uns die Rechtsanwältin und Arbeitsrechtsexpertin Dr. Karolin Andréewitch-Wallner, Partnerin bei TaylorWessing, beraten.

Wie ist die aktuelle Rechtslage in Österreich zum Thema Gehaltstransparenz?

Manche der Vorgaben der EU-Entgelttransparenzrichtlinie finden sich bereits in den aktuellen Gesetzesvorschriften Österreichs. So verpflichtet das Gleichbehandlungsgesetz bereits seit dem Jahr 2004 zur Veröffentlichung von geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen und seit 2011 in bestimmten Fällen zur Veröffentlichung von Einkommensberichten. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie geht aber noch weiter. In Bezug auf die Richtlinie ist es aus rechtlicher Sicht nicht sinnvoll, bereits jetzt vom Begriff „Entgelttransparenzgesetz“ in Österreich (wie etwa in Deutschland) zu sprechen, zumal nicht auszuschließen ist, dass der österreichische Gesetzgeber die Vorgaben der EU-Richtlinie in dem bestehenden Gleichbehandlungsgesetz einarbeitet.

02/07/25 10:00-11:30

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Was besagt die EU-Entgelttransparenzrichtlinie?

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie 2023/970 vom 10.5.2023 enthält eine Reihe von Vorgaben, die im Wesentlichen die Transparenz in Bezug auf das Entgelt sicherstellen sollen. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen diese Richtlinie spätestens bis zum 7. Juni 2026 im nationalen Recht umsetzen. Zu den wesentlichen Regelungen gehören unter anderem:

Im Bewerbungsprozess muss deutlich über das Einstiegsentgelt oder eine mögliche Entgeltspanne sowie über einen allenfalls anwendbaren Kollektivvertrag informiert werden. Zudem müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass Stellenausschreibungen und Berufsbezeichnungen geschlechtsneutral formuliert sind. Auch dürfen Bewerber*innen nicht mehr nach dem aktuellen Gehalt oder der Entgeltentwicklung gefragt werden.

Im aufrechten Dienstverhältnis haben Arbeitnehmer*innen das Recht auf Auskunft über die durchschnittlichen Entgelthöhen für Arbeitnehmer*innen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Zudem müssen Arbeitgeber die Kriterien offenlegen, die zur Bestimmung von Entgelt und Laufbahnentwicklung herangezogen werden. Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer*innen jährlich über ihr Recht auf Auskunft informieren.

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Ein zentraler Regelungsinhalt der Richtlinie sind die vorgegebenen Berichtspflichten über die Entgeltgleichheit in Betrieben ab 100 Mitarbeiter*innen (wobei die Richtlinie es den Mitgliedsstaaten überlässt, Unternehmern mit weniger als 100 Arbeitnehmer*innen ebenfalls entsprechend zu verpflichten). Demgemäß müssen Arbeitgeber unter anderem Informationen in Bezug auf das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle beim „normalen“ Gehalt oder etwa bei ergänzenden oder variablen Bestandteilen davon zur Verfügung stellen. Was bedeutet diese Berichtspflicht für Unternehmen unterschiedlicher Größen, bei welcher Anzahl von Mitarbeiter*innen ist der Bericht wie häufig zu erstatten?

  • weniger als 100 Beschäftigte: Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten sind nicht verpflichtet, diese Informationen vorzulegen, können dies aber freiwillig tun.
  • 100 – 149 Beschäftigte: Unternehmen mit 100 bis 149 Beschäftigten haben noch länger Zeit, denn für sie gilt dies erst ab dem 7. Juni 2031.
  • 150 – 249 Beschäftigte: Für Arbeitgeber mit 150 bis 249 Beschäftigten gilt diese Pflicht ab 2027, alle drei Jahre.
  • mehr als 250 Beschäftigte: Arbeitgeber mit 250 oder mehr Beschäftigten müssen diese Daten jährlich ab dem 7. Juni 2027 bereitstellen.

Welche Rechte ergeben sich daraus für Arbeitnehmer*innen in Betrieben unterschiedlicher Größe und welche Pflichten für die Arbeitgeber?

Was ändert sich durch die Entgelttransparenzrichtlinie für österreichische Arbeitgeber?

  • Auskunftsrechte: In Österreich hat nach derzeitigem Recht nur die Gleichbehandlungsanwaltschaft besondere Auskunftsrechte zur Entlohnung von Vergleichspersonen – in Zukunft haben diesen Anspruch auch Arbeitnehmer*innen und deren Vertretungen.
  • Niedrigere Schwelle: Durch die niedrigere Schwelle von 100 Arbeitnehmer*innen für die Legung von Einkommensberichten werden noch mehr Unternehmen erfasst.
  • Häufigkeit der Berichte: Zwar verpflichtet die EU-Entgelttransparenzrichtlinie Unternehmen mit 100 bis 249 Arbeitnehmer*innen zur Berichterstattung nur alle 3 Jahre, doch sieht die Richtlinie ein Verschlechterungsverbot vor, gemäß welchem  Österreich die Berichtspflicht alle 2 Jahre beibehalten müsste. Für Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeiter*innen muss der Einkommensbericht ab 2027 jährlich vorgelegt werden.
  • Entgeltbewertung: Wenn im Bericht ein Lohngefälle von mehr als 5% bei einer Gruppe von Arbeitnehmer*innen festgestellt wird und dieser Unterschied vom Arbeitgeber nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt bzw. nicht innerhalb von sechs Monaten korrigiert wird, müssen Unternehmen Maßnahmen in Form einer gemeinsamen Entgeltbewertung mit den Arbeitnehmervertretungen (höchstwahrscheinlich mit dem Betriebsrat) ergreifen.
  • Beweislast: Aktuell müssen Arbeitnehmer*innen eine behauptete Lohndiskriminierung glaubhaft machen und es liegt bei den Arbeitgebern, die Ungleichbehandlung mit sachlichen Gründen zu rechtfertigen. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie sieht vor, dass Arbeitgeber nachweisen müssen, dass sie nicht gegen die Vorschriften über gleiches Entgelt und Lohntransparenz verstoßen haben.
  • Verjährungsfrist von Ansprüchen: Die Verjährungsfrist von drei Jahren von Ansprüchen (die aufgrund des zu geringen Gehalts entstanden) beginnt erst zu laufen, wenn Arbeitnehmer*innen von der Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für alle Mitarbeitenden Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte müssen.

Warum ist es wichtig, sich bereits jetzt mit den Änderungen vertraut zu machen?

Aufgrund der umfassenderen Berichtspflichten und der zunehmenden Rechte von Arbeitnehmer*innen und deren Vertretungen sollten Arbeitgeber die Zeit nutzen, um zu eruieren, ob ihre Vergütungsschemata der EU-Entgelttransparenzrichtlinie entsprechen und wo Verbesserungsbedarf besteht.

Defizite zu erkennen und zu beheben kann auch dazu beitragen, sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren zu können. Durch Transparenz und proaktives Handeln kann nicht nur frühzeitig möglichen Problemen in der Entgeltbewertung entgegentreten, sondern auch das Vertrauen der Mitarbeiter*innen in das Unternehmen und damit die Mitarbeiterbindung stärken.

Was wird sich durch das Entgelttransparenzgesetz im Recruiting von neuen Mitarbeitern ändern?

Bereits die aktuell geltende Rechtslage sieht gewisse Transparenzpflichten im Zusammenhang mit Bewerbungen vor. Stellenausschreibungen müssen demnach grundsätzlich geschlechtsneutral formuliert sein und auf das (kollektivvertragliche) Mindestgehalt sowie eine allfällige Bereitschaft zur Überzahlung hinweisen.

Was sich aber durch die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ändern wird, ist das eigentliche Bewerbungsgespräch.  Arbeitgeber werden künftig Bewerber*innen nicht nach dem aktuellen Gehalt bzw. Lohn sowie der Entgeltentwicklung in früheren Dienstverhältnissen fragen dürfen.

Expertentipps für die Umsetzung – So bereiten Sie sich vor

Für die Expertentipps haben wir die Rechtsanwältin und Arbeitsrechtsexpertin Dr. Karolin Andréewitch-Wallner, Partnerin bei TaylorWessing, um Rat gefragt:

  • Betriebliche Arbeitnehmergruppen feststellen: Einen guten Anfangspunkt der Vorbereitung auf die künftigen Gesetzesänderungen stellt die Feststellung der betrieblichen Arbeitnehmergruppen dar, die gleiche oder gleichwertige Arbeit erledigen.
  • Vergütung sämtlicher Arbeitnehmer*innen überprüfen: Ferner sollte die Vergütung (inklusive variable Bestandteile wie etwa Boni oder Prämien) von sämtlichen Arbeitnehmer*innen überprüft und auf (gerechtfertigte und ungerechtfertigte) Differenzen kontrolliert werden.
  • Auf sorgfältige Dokumentation achten: Jedenfalls sollte bereits jetzt auf eine umfassende Dokumentation in diesem Zusammenhang geachtet werden.
  • Auf mögliche Sanktionen vorbereiten: Noch ist unklar, wie die Sanktionen für allfällige Verletzungen der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Entgelttransparenz aussehen werden. Arbeitgeber sollten sich aber auch aus diesem Grund zeitnah vorbereiten und eventuell entsprechende Rückstellungen bilden.

Dr. Karolin Andréewitch-Wallner

Rechtsanwältin und Partnerin bei Taylor Wessing Österreich

Dr. Karolin Andréewitch-Wallner ist Rechtsanwältin und Partnerin im
Arbeitsrechtsteam von Taylor Wessing Österreich. Ihre Schwerpunkte liegen in
den Bereichen kollektives Arbeitsrecht, Arbeitszeit, „Global Mobility“ sowie
Mitarbeiterbeteiligung und Gleichbehandlung. Dr. Andréewitch-Wallner ist
externe Lektorin an der Fachhochschule Wiener Neustadt und trägt regelmäßig zu
arbeitsrechtlichen Themen vor.

Autorin: Sabine Schönfellner
Bildnachweis: istockphoto.com / FreshSplash

 

 

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