„Es ist ein ständiges Bemühen, dass es bleibt, wie es ist oder vielleicht sogar besser wird.“

„Der Floh“ in Langenlebarn ist ein Lokal mit Geschichte, das einen enormen Kulturwandel hinter sich hat. In der damals typischen Gastwirtschaft blieb nach der Übernahme durch den Sohn abgesehen von der zentralen Gaststube nicht viel beim Alten. Bis heute hebt sich der Floh ab und geht mit guten Ideen voran, auch als Arbeitgeber.

Mit einem außergewöhnlichen Fokus auf Regionalität, den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen sowie der Herkunft und Qualität seiner Produkte hebt sich „Der Floh“ ab. Den zunehmenden Arbeitskräftemangel spürt auch er, doch die Klarheit in seinen eigenen Werten hilft. Ebenso, wie sich sein Fokus auf Kommunikation und seine Flexibilität als Arbeitgeber auszahlen: Anstatt zu reduzieren betreibt er während der Sommermonate ein zweites Lokal – das „Donaugartl“. Und dafür braucht er Personal. Jede Menge sogar, denn Herr Floh und seine Gäste haben gewisse Ansprüche. Wie der Gastronom den Kulturwandel in seinem Betrieb meistert und warum er ganz viel von Quereinsteiger*innen hält, erzählt er im Interview.

Herr Floh, Sie betreiben ein bemerkenswertes und in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Lokal. Wie kam‘s und was haben Sie sich dabei überlegt?

Schön, dass Sie das so wahrnehmen! Das ist sehr wertschätzend. Ja, wie kam’s? Ich habe mit 20 Jahren den Betrieb meiner Eltern übernommen – ein Gasthaus, das bereits meine Großeltern geführt haben – und gleich einmal alles umgebaut, das ganze Haus neu konzipiert und auf den Kopf gestellt. Mit einer Ausnahme: Unser Herzstück die Gaststube ist relativ unberührt geblieben. Mein Fokus lag von Beginn an klar auf dem Thema Wein, das hat mich immer sehr interessiert. Dann hatte ich einmal ein Gespräch mit einem Gast. Er hat gesagt „Ihr tuats da umadum mit dem Wein und wirst seng‘ des wird mit dem Essen ah so kumman.“ Und Recht hatte er. Es hat nicht lange gedauert, bis ich mich gefragt hab, wo eigentlich zum Beispiel unser Sauerrahm herkommt und wieso der so schmeckt, wie er schmeckt. Seither liegt bei uns ein großer Fokus auf den Produkten: Regionalität ist ein Muss, unsere Mitarbeiter müssen sich bestens mit unseren Produkten auskennen und das Wissen auch weitergeben können und in der Küche wird nicht ein Menü erstellt und danach eingekauft, sondern andersherum das verkocht, was die Betriebe der Region an saisonalen Produkten bieten.

Wie ist dieses komplett andere Arbeiten bei der Belegschaft angekommen?

Das war natürlich ein Thema und ich hab mir dafür Hilfe geholt. Wir haben schon sehr früh mit einer Kommunikationsagentur zusammengearbeitet, die unseren Auftritt nach Außen und die Kommunikation mit den Mitarbeitern begleitet und prägt. Intern ist es sehr wichtig, dass man viel redet und bei der Entwicklung, die man selbst macht, alle mitnimmt – Partner, Kunden und Mitarbeiter. Gut, alle nimmt man sowieso nie mit. Auf dem Weg, den wir gegangen sind und immer noch gehen, haben wir natürlich auch den einen oder anderen verloren, aber das ist ein ganz normaler Prozess.

Was mir in letzter Zeit öfter durch den Kopf geht, ist, wir hatte noch die Zeit, uns zu entwickelt. Heute musst du ja vom ersten Tag an funktionieren. Wir konnten uns noch ausprobieren, das ist glaub ich heute gar nicht mehr möglich.

Wieviele Mitarbeiter*innen haben Sie?

Im Winter haben wir für unser Gasthaus ohne Beherbergung 22 Mitarbeiter. Über die Sommermonate haben wir zusätzlich auch ein zweites Lokal, das Donaugartl, geöffnet. Während der Sommersaison haben wir 30 Mitarbeiter, darunter auch Praktikanten. Das ist insgesamt recht viel, weil mir eine hohe Servicequalität sehr wichtig ist und auch in der Küche, damit da keine unnötige Hektik ausbricht. Darauf legen wir sehr viel Wert.

Spüren Sie auch den Arbeitskräftemangel der letzten Jahre?

Wir hatten kurz mal einen Engpass, aber sonst sind wir eigentlich immer ganz gut durchgekommen. Wir bilden Lehrlinge aus – aktuell haben wir vier – und womit wir in den letzten Jahren durchwegs großartige Erfahrungen gemacht haben, sind Quereinsteiger*innen, die entweder die Schule abgebrochen haben, oder in einem anderen Beruf gearbeitet haben.  Aktuell haben wir zwei Quereinsteigerinnen, eine 50+, die bei uns jetzt die letzten Jahre eine Lehre gemacht hat und eine Dame, die 20 Jahre lang Grafikerin war und bei uns gerade die Kochlehre macht. Mit solchen Menschen haben wir extrem großartige Erfahrungen gemacht. Die wissen schon, was sie wollen und haben einen Plan im Leben.

Aber es ist natürlich so, dass wir wie alle anderen schauen, dass alles gut passt, dass die Mitarbeiter zufrieden sind. Es ist ein ständiges Bemühen, dass es bleibt, wie es ist oder vielleicht sogar besser wird.

Was bieten Sie Ihren Mitarbeiter*innen, damit sie zufrieden bleiben?

Man kann viele Dinge machen, angefangen bei höherer Entlohnung. Das Wichtigste ist, dass sie eine Freude haben bei dem, was sie tun. Und das fängt beim Chef an. Ich habe immer noch dieselbe Freude wie früher und wenn man die Mitarbeiter damit anstecken kann, ist das optimal.

Wir investieren aber zum Beispiel auch relativ viel in Bildung und Schulungen, fahren mit den Mitarbeitern zu den Produzenten. Eine unserer Kernkompetenzen ist das Wissen über unsere Produkte und damit wir das auch unseren Kunden gut weitergeben können, sind wir mehrmals pro Jahr unterwegs oder laden Produzenten zu uns ein. Das ist Weiterbildung und Teambuilding in einem und das haben wir seit Corona intensiviert. Diese Ausflüge sind grundsätzlich freiwillig, aber eigentlich fahren immer fast alle mit, weil es lehrreich ist, weil es lustig ist und normalerweise gibt’s auch was Gutes zum Essen.

Auch wichtig, ist das Umfeld. Mit dem, was wir anbieten, ziehen wir eine bestimmte Gästeschicht an. Und die treten in einem hohen Maße unseren Mitarbeitern sehr wertschätzend gegenüber. Das ist immer eine Wechselwirkung – du machst, was du machst, dann kommen die entsprechenden Gäste. Unsere Gäste schätzen, wie wir arbeiten und somit schätzen sie auch unsere Mitarbeiter sehr.

Es ist ja kein Geheimnis, dass eh alle kämpfen. Wir versuchen, ein gutes Umfeld zu bieten – das war früher nicht so wichtig.

Wie handhaben Sie das Thema Dienstzeiten?

Früher hatten wir an fünf Tagen geöffnet und an denen waren eigentlich alle Mitarbeiter durchgehend anwesend. Dann hat der eine oder andere dann gesagt, das geht sich nimmer aus. Weil‘s doch sehr viele Arbeitsstunden sind. Dann haben wir zunächst mal Donnerstagmittag geschlossen, damit wir die Stundenzahl für unsere Mitarbeiter ein bisschen reduzieren. Aber es hat sich natürlich in den letzten Jahren noch einmal deutlich verändert und entwickelt. Einige der Mitarbeiter sind heute nur mehr dreieinhalb Tage da. Das war aber schon etwas, wofür ich lange kein Verständnis hatte und einige Jahre gebraucht hab, um das zu akzeptieren. Ich konnte nicht so gut damit umgehen. Ich hab mir gedacht „Eigentlich bietest eh alles, es passt voll gut und jetzt wollen‘s no weniger arbeiten“. Da habe ich lange mit mir gehadert, aber dann irgendwann in den letzten 2-3 Jahren mein Mindset umgestellt.

Ich hab erkannt, dass das einfach so ist wie es ist – und man nur Sachen verändern kann, an denen man selber drehen kann, aber das ist einfach eine Entwicklung der Zeit und man muss sich da auch anpassen. Man muss sich selbst verändern indem, wie man denkt und wie man arbeitet.

Heute versuchen wir, mit verschiedensten Modellen die Situation gut zu lösen – soweit es halt möglich ist. Bis zu einem gewissen Grad versuchen wir, auf das Rücksicht zu nehmen, was unsere Mitarbeiter brauchen, aber wir sind sicher kein goldener Vorzeigebetrieb und Arbeit gibt’s sehr viel. Aber wenn unsere Mitarbeiter da sind, dann mit Freude und Elan.

Es dürfte funktionieren, denn die Mitarbeiter bleiben?

Viele bleiben, wir haben Mitarbeiter, die 8, 13, 20 Jahre bei uns sind. Aber ich hab auch immer vollstes Verständnis und nehme es auch nicht persönlich, wenn einer sagt er geht. Ich bin auch jemand, der immer gern die Veränderung hat. Und manche kommen dann nach ein paar Jahren auch wieder zurück.

Was ist heute wichtig, wenn man neue Mitarbeiter in der Gastro sucht?

Ich denke, bei der Suche nach Mitarbeitern musst du heute auch andere Wege gehen. Gastro ist ein sozialer Beruf und ich hab mir überlegt, welche anderen sozialen Berufe es gibt, bei denen man viel mit Menschen zu tun hat, vielleicht Pflege – und dann geschaut, wie man die erreicht. Einerseits versuchen wir die Sozialen Medien zu nutzen und so eine vielschichtige Klientel zu erreichen. Wir haben auch einen “Schnuppertag” ins Leben gerufen, wo Jugendliche und Branchenfremde einfach mal ein paar Stunden in unsere Welt eintauchen und einen Gastro-Alltag erleben können. Auch über diesen Weg haben wir bereits mehrere Lehrlinge für unseren Betrieb gefunden. Und man muss sagen, bislang hab ich noch fast jeden Kandidaten, der sich beworben hat, dann auch irgendwann aufgenommen – gut jetzt übertreib ich vielleicht ein bisschen, aber es ist definitiv nicht so, dass bei uns 17 Bewerbungen am Schreibtisch liegen und wir 16 davon absagen. Und manchmal hab ich lieber ein paar Monate einen Mitarbeiter mehr, weil man eh weiß, auch wenn wir heute super aufgestellt sind, kann das morgen schon wieder ganz anders sein. Und wie so oft im Leben, löst sich dann eh alles von selbst auf.

Was kann man machen um als attraktiver Betrieb wahrgenommen zu werden?

Wir haben vor Jahren eine kleine Mitarbeiterbroschüre gemacht, quasi einen Leitfaden für neue Mitarbeiter oder auch für Praktikanten, die nur ein paar Monate bei uns sind, damit sie sich an etwas anhalten können und schnell verstehen, wie wir miteinander, mit unseren Partnern und mit Lebensmitteln umgehen, dass wir nichts wegschmeißen zum Beispiel. Damit holen wir sie sehr schnell an Bord und das funktioniert gut.

Letztes Jahr haben wir zudem für drei unserer Mitarbeiter ein Elektroauto angeschafft, damit sie in die Arbeit fahren können. Sie können es aber auch privat nutzen. Das braucht man in der Stadt vielleicht weniger, aber am Land ist das schon noch etwas, womit man arbeiten kann.  Wenn man einem Mitarbeiter 300 Euro mehr auf die Hand geben möchte, muss man vielleicht 500 oder 600 investieren mit den Lohnnebenkosten. Und das verpufft dann schnell wieder, weil es nach ein paar Monaten normal wird. Aber mit dem Auto vor der Tür bleibt das schon bewusst und ist ein echter Mehrwert, vor allem bei den Spritpreisen der letzten Jahre.  Außerdem sind Elektroautos eine gute Investition, die auch gut zu unserer Philosophie passt.

Man merkt, dass Ihnen Ihre Arbeit Spaß macht. Der Plan geht auf?

Ich hatte eigentlich nie einen Businessplan in dem Sinn, eher so ein Bauchgefühl. Und aus irgendwelchen Gründen haben wir so viele Gäste, die das schätzen und dankbar sind. Für mich ist es das größte Kompliment, wenn jemand sagt, dass er sich bei uns wohlfühlt und mit mehr Energie wieder rausgeht. Das direkte Feedback ist schön, bei uns in den allermeisten Fällen positiv und das erzeugt Glück und Zufriedenheit mit dem, was man macht. Das Wichtigste ist, dass man eine Freude bei der Arbeit hat und wenn man dann Wertschätzung auch noch kriegt, ist das optimal.

Text: Corina Drucker
Bildnachweis: Coverfoto: Josef und Elisabeth Floh (c) Michael Schinharl, Fotos im Text: Josef Floh (c) Jürgen Skarwan

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