Müde im Büro?

Abschalten nach Feierabend: So kriegst du den Job aus dem Kopf


16.11.2021

Inhaltsverzeichnis

Interview mit Schlafexpertin: Es gibt gute und schlechte Nächte
6 Tipps, um besser zu schlafen und ausgeruht zu arbeiten

 

Schlafprobleme? Du bist nicht allein.

Kein Wunder: Schließlich haben immer mehr Arbeitnehmer*innen Probleme beim Schlafen, zeigt eine aktuelle Umfrage von Stepstone Österreich. Gut die Hälfte hat Nachts Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen – Frauen übrigens häufiger als Männer. Der häufigste Grund für die Schlafprobleme: Der Job.

 

Stress aus der Arbeit belastet auch Nachts

Ein Drittel aller Befragten kann nicht einschlafen, weil sie an die Arbeit denken, und gut ein Viertel gibt an, dass Stress aus der Arbeit sie auch nachts belastet. Ein weiteres Viertel geht vor dem Einschlafen den vergangenen Arbeitstag im Kopf nochmal durch oder denkt schon daran, was am nächsten Tag im Büro alles erledigt werden muss.

 

Jedem Zehnten graut vor dem nächsten Arbeitstag

Und immerhin mehr als jeder Zehnte denkt statt dem Schlafen darüber nach, den Job zu wechseln oder zu kündigen. Damit steht der Job an Platz eins der Themen, die eine entspannte Nachtruhe verhindern – noch vor Sorgen um die eigene Familie. Besonders pikant: Fast jedem Zehnten graut vor dem nächsten Arbeitstag. Und gut jeder Fünfte denkt morgens gleich nach dem Aufstehen wieder an den Job – ein Teufelskreis.

 

Interview mit Schlafexpertin: „Es gibt gute und schlechte Nächte“

Wie viel Schlaf man wirklich braucht, ab wann man unter einer diagnostizierten Schlafstörung leidet und wie man verlorenen Schlaf wieder aufholen kann, erzählt Gerda Saletu-Zyhlarz, Leiterin des Schlaflabors der Universitätsklinik für Psychiatrie an der  Medizinuniversität Wien, im Gespräch mit Stepstone.at.

Frau Saletu-Zyhlarz, die Studie von Stepstone zeigt, dass fast die Hälfte aller Befragten mindestens einmal pro Woche wegen der Arbeit Nachts wach liegt, gut jeder Dritte sogar öfter als zwei Mal pro Woche. Ab wann wird Schlaflosigkeit zum Problem?

Gerda Saletu-Zyhlarz: Wer einmal eine schlechte Nacht hat, muss sich nicht gleich Sorgen machen. Man darf als erwachsener Mensch in der Nacht bis zu 20 Mal aufwachen. Das sind aber eher kurze Aufwachereignisse. Die Frage ist nicht, wie oft man aufwacht – sondern ob man anschließend wieder einschlafen kann. Wer zwei bis drei Mal pro Woche über drei Monate hinweg unter Schlafstörungen leidet, könnte bereits unter einer chronischen Insomnie leiden.

Ein Drittel aller Befragten verliert wegen Ein- oder Durchschlafproblemen jede Woche fünf bis zehn Stunden Schlaf – das sind bis zu 21 Tage pro Jahr. Gut jeder Zehnte geht während der Arbeitswoche deshalb täglich unausgeschlafen und müde ins Büro. Ist das problematisch?

Ein Mal pro Woche müde ins Büro zu gehen, ist noch kein Problem. Wer aber öfter unausgeschlafen in die Arbeit geht, wird anfälliger für Fehler und Unfälle. Generell muss man sagen, dass Schlafstörungen sich auf den gesamten Organismus auswirken: Von hohem Blutdruck und -zucker über verminderte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit über Angstreaktionen bis hin zu einem erhöhten Cortisol-Spiegel und damit einer Gefahr für koronare Erkrankungen wie einem Herzinfarkt.

Um besser schlafen zu können, setzt fast jeder Zehnte auf Alkohol und Medikamente, zeigt die Studie. Hilft das wirklich beim Schlafen?

Der bewusste Einsatz schlaffördernder Medikamente kann durchaus Erleichterung verschaffen: Wenn Schlafstörungen über einen gewissen Zeitraum hinweg bestehen, wird der Schlaf bei vielen Patient*innen zunehmend zu einem Thema der Besorgnis. Man legt besonderes Augenmerk auf den Schlaf – und kann dadurch erst recht nicht schlafen. Dieser Kreislauf lässt sich durch den Einsatz von klassischen Schlafmedikamenten durchbrechen: Patient*innen erleben, dass sie auch gut schlafen können. Das verschafft Entspannung. Natürlich muss man sich auch überlegen, was hinter den Schlafstörungen steht: Gibt es eine psychische oder körperliche Krankheit, die diese Störungen auslöst? Bevor man zu Medikamenten greift, sollte man das medizinisch abklären lassen. Wenn es aber um eine reine Insomnie geht, haben diese Mittel durchaus ihren Platz – und werden sogar von den European Guidelines zur Behandlung von Schlaflosigkeit empfohlen.

Was kann ich machen, um Abends den Job aus dem Kopf zu bekommen?

Einschlafrituale helfen dabei, sich zu entspannen und auf andere Gedanken zu kommen. Das kann ein warmes Bad sein, ein gutes Buch, oder auch ein Getränk – alles, was mir gut tut. Natürlich hilft auch eine Auszeit von Smartphone, Tablet und Co. – der Austausch in den sozialen Medien ist zwar wichtig, aktiviert aber auch. Und das hält einen wiederum vom Schlafen ab.

Sie erwähnen ein gutes Getränk – hilft etwa auch das eine oder andere Gläschen Wein beim Einschlafen?

Alkohol führt zwar dazu, dass man schneller einschläft, geht aber auf Kosten der Schlafqualität. In der zweiten Nachthälfte verringern sich die Tiefschlafphasen. Man wacht dafür häufiger auf – und schläft auch schlechter wieder ein. Dennoch setzen viele Menschen Alkohol als Selbstmedikation ein – die Angst vor Schlafmitteln ist wahnsinnig groß, man will nicht abhängig werden. Wer aber regelmäßig etwas trinkt, um besser einschlafen zu können, handelt sich ganz andere Probleme ein – das ist eine heikle Geschichte und daher nicht ratsam.

Die Studie zeigt, dass viele Arbeitnehmer*innen fehlenden Schlaf am Wochenende aufholen. Funktioniert das?

Bis zu einem gewissen Grad ja. Vom wissenschaftlichen Standpunkt her ist das sogar durchaus sinnvoll und entspricht einem gewissen Grundbedürfnis. Auch ein Power-Nap zu Mittag kann durchaus dabei helfen, verlorene Energie aufzutanken und wieder fitter für den restlichen Tag zu sein. Mehr als 20 bis 30 Minuten sollte man dabei aber nicht schlafen.

Kann ich auch „vorausschlafen“?

Nur kurzfristig. Wenn ich in der Nacht einen Schichtdienst antreten muss, macht es Sinn, wenn ich mich am Nachmittag noch ein paar Stunden hinlege. Wer aber jede Nacht zu wenig schläft und das versucht tagsüber auszugleichen, missachtet über kurz oder lang sein Schlafbedürfnis.

Die Umfrage zeigt, dass die meisten Österreicher*innen zwischen sechs und zehn Stunden Schlaf brauchen, um am nächsten Tag noch produktiv sein zu können. Ist das realistisch?

Das Ergebnis spiegelt die Schlafsituation in Österreich ganz gut wieder. Wie viel Schlaf jemand braucht, hängt von mehreren Faktoren ab: Alter, Gesundheitszustand und auch Geschlecht. Frauen brauchen generell mehr Schlaf als Männer. Das ist möglicherweise genetisch bedingt, hängt aber sicher auch damit zusammen, dass gerade Frauen in ihrer Lebensmitte stärkeren Mehrfachbelastungen ausgesetzt sind, die auf Kosten des Schlafs gehen. Wichtig ist es, sein eigenes, individuelles Schlafbedürfnis zu kennen – und danach zu handeln. Ein paar Mal kann ich es vielleicht ignorieren, aber über kurz oder lang muss ich ausreichend schlafen – allein schon, weil der Körper sonst streikt.

Lange Anfahrtswege in die Arbeit, täglich acht bis zehn Stunden im Büro und dann noch Freizeit und Familie: Wie soll man da eigentlich genug Schlaf bekommen?

Tatsächlich ist es immer schwieriger, alle Aktivitäten des Tages und ausreichend Schlaf unter einen Hut zu bekommen. Das liegt auch daran, dass Arbeitnehmer*innen eine gesunde Work Life-Balance immer wichtiger wird: Man will nach der Arbeit auch noch seine Freizeit genießen und einen netten Abend haben. Wenn ich dann aber am nächsten Tag früh raus muss, habe ich auf jeden Fall ein Schlafdefizit – das sich während der Arbeitswoche dann summiert. Besonders anstrengend ist das im Schichtdienst: Wer zu unregelmäßigen Zeiten arbeitet, will sich nach dem Heimkommen nicht gleich hinlegen. So schafft man über kurz oder lang ein Schlafdefizit – das dann auch an den freien Tagen nicht mehr wegzuschlafen ist.

Was bedeuten die 12 Stunden-Tage der Regierung für den Schlaf?

Wer ein- oder zwei Mal 12 Stunden pro Tag arbeitet, hat noch nicht automatisch ein Schlafdefizit: Es gibt viele Berufsgruppen mit verlängerten Dienstzeiten. Wenn das punktuelle Ereignisse sind und man das ausgleichen kann, ist es kein Problem. Schwieriger ist da schon, dass diese 12 Stunden-Tage von oben herab verordnet werden können. Das gibt Arbeitnehmer*innen ein Gefühl des Ausgeliefertseins, sie haben Angst um ihren Job – und schlafen damit automatisch schlechter. Denn: Wer beruflich unter Druck steht, kann die Probleme des Arbeitstages nicht einfach an der Haustür hinter sich lassen. Das nimmt man mit – nicht selten bis ins Schlafzimmer hinein.

Tatsächlich haben wir in der Umfrage festgestellt, dass fast 70% aller Befragten schon einmal einen Traum oder Alptraum vom Job hatten.
Das darf auch sein: Trauminhalte sind Erlebnisinhalte des Tages, hier werden Dinge verarbeitet. Problematisch wird es, wenn es jemand über längere Zeit hinweg nicht schafft, die Probleme und Sorgen aus der Arbeit hinter sich zu lassen. Dann setzt gern das berühmte Gedankenkreise ein – und das ist nicht leicht wieder abzustellen.

Was kann man tun, damit es gar nicht soweit kommt?

Grundsätzlich empfehle ich jedem, auf sein Schlafbedürfnis zu achten und es auch auszuleben. Kurzfristige Abweichungen sind kein Problem – wer aber dauerhaft gegen sein Schlafbedürfnis lebt, wird irgendwann schwerwiegende Probleme haben. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass Schlafstörungen kein Ereignis sind, das sich nur auf die Nacht beschränkt, sondern in Wahrheit ein 24 Stunden-Problem.

 

 6 Tipps, um besser zu schlafen und ausgeruht zu arbeiten

Mit diesen Tipps sorgst du für einen erholsamen Schlaf – und bist am nächsten Morgen wieder fit für die Arbeit:

1. Powernap

Der Powernap als natürliches Aufputschmittel ohne Nebenwirkungen wirkt wahre Wunder: Laut einer Studie der NASA hatten müde Pilot*innen und Astronaut*innen nach einem 40-Minuten-Schlaf eine um 34 % verbesserte Leistungsfähigkeit und eine um 100 % erfrischte Wachheit.
Darüber hinaus ist man mit einem kurzen Nickerchen insgesamt besser gelaunt, leistungsfähiger, reduziert das Risiko eines Herzinfarktes und verbessert das Kurzzeitgedächtnis.

So wird der Powernap wirklich erholsam:

  • Plane den Powernap nach dem Mittagessen ein. So kann der Körper seine Energie zur Verdauung nutzen.
  • Versuche nicht nur zu entspannen, sondern wirklich zu schlafen. Autogenes Training oder progressive Muskelentspannung helfen.
  • Schlafe nur dann, wenn du dich schlapp fühlst. Achte auf die Signale deines Körpers: Schwere Lider, abschweifende Gedanken, niedrige Konzentration.
  • Trinke vor dem Wegdämmern ruhig eine Tasse Kaffee. Das Koffein wirkt noch nicht beim Einschlafen, sorgt aber für die nötige Schubkraft nach dem Aufwachen.
  • Unbedingt Wecker stellen: Mehr als 15-20 Minuten sollte ein Powernap nicht dauern. Sonst ist der Kreislauf im Keller.
  • Achtung: Wer nach 16 Uhr noch döst, könnte Abends Probleme beim Einschlafen bekommen.
  • Nach dem Napping schnell wieder in Schwung kommen? Gesicht mit kaltem Wasser waschen und viel trinken. Das erfrischt und regt den Kreislauf an.

 

2. Den Arbeitgeber in die Pflicht nehmen

Auch Arbeitgeber*innen könnten einiges dafür tun, damit ihre Mitarbeiter*innen wieder besser schlafen – und damit auch am Arbeitsplatz produktiver sind.

Folgende Maßnahmen wünschen sich Arbeitnehmer*innen am häufigsten:

  • Flexible Arbeitszeiten
  • Möglichkeiten zum Home Office
  • Mehr Urlaubstage
  • Ruhezonen zum Ausrasten, Schlafen oder um sich zurückzuziehen
  • Möglichkeit, morgens später ins Büro zu kommen
  • Sportliche Aktivitäten oder einen Sportraum

Auch Massagen, Yoga-Übungen, Schlaf-Pods und Traumpsycholog*innen können dabei helfen, die Schlafqualität zu verbessern und tagsüber wieder fitter und leistungsfähiger zu sein. Das sollte auch Chef*innen davon überzeugen, in den gesunden Schlaf ihrer Mitarbeiter*innen zu investieren – und auf die entspannte Nachtruhe ihrer Belegschaft zu achten.

 

3. Persönliche Schlafhygiene einhalten

Mit Schlafhygiene ist keineswegs ein sauberes Bett gemeint, sondern die Nutzung bestimmter Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen, um einen gesunden, erholsamen Schlaf zu ermöglichen oder zu fördern und Schlafstörungen zu vermeiden oder zu beheben.

Schlafhygienische Maßnahmen sind etwa eine angenehm gestaltete Schlafumgebung, bestimmte Schlafrituale oder Entspannungstechniken. Auf jeden Fall gehören regelmäßige Aufsteh- und Schlafenszeiten (auch am Wochenende) mit einer maximalen Abweichung von 30 Minuten zu einer guten Schlafhygiene, denn: Nur durch Regelmäßigkeit können sich die biologischen Rhythmen des Körpers miteinander abstimmen. Die Einhaltung einer regelmäßigen Aufstehzeit ist dabei am wichtigsten – sie ist für unsere biologischen Rhythmen der Ankerpunkt.

 

4. Lieber ein Betthupferl statt zu viel Sport

Kein Alkohol, wenig essen: Was wir in den letzten Stunden vor dem Schlafengehen tun, wirkt sich direkt auf unsere Schlafqualität aus. Ein kleiner Snack vor dem Zubettgehen kann aber durchaus hilfreich sein: Nahrungsmittel wie Milch, Bananen und Schokolade enthalten mit L-Tryptophan einen Stoff, der im Gehirn eine Rolle bei der Schlafregulation spielt. Um allerdings dorthin zu gelangen, braucht das L-Tryptophan ein Zuckermolekül als „Taxi“ – deswegen macht heiße Milch mit Honig so angenehm müde.

Entgegen der landläufigen Meinung sollte übrigens körperliche Überanstrengung nach 18 Uhr vermieden werden. Starke körperliche Anstrengung regt ähnlich wie Kaffee und Nikotin das sympathische Nervensystem an, das für Aktivität und Stress zuständig ist. Es braucht mehrere Stunden, bis die Aktivität des sympathischen Nervensystems wieder abflaut. Allerdings können Menschen, die tagsüber kaum einer körperlichen Betätigung nachgehen, durch regelmäßiges körperliches Training ihren Schlaf verbessern.

 

5. Abschalten nach Feierabend

Von einem hoch konzentrierten und stressigen Job in den Ruhemodus zu finden, kann schwierig sein. So genannten „Feierabend-Rituale“ können dabei helfen: Etwa eine Runde zu joggen, ein Glas Wein mit Freund*innen oder das gemeinsame Kochen und Abendessen mit der Familie. Wichtig dabei: Auch die persönliche Erreichbarkeit muss eingeschränkt werden. Firmenhandy, Laptop und Co. haben daher nach Feierabend nichts mehr im Wohnzimmer verloren.

Trotzdem tauchen Gedanken an den Job auf? Das ist ganz natürlich. In dem Fall hilft es, sie einfach kurz zu notieren – oder gedanklich ein Stoppschild vorzuschieben. Mit einem mentalen oder laut ausgesprochenen „Jetzt nicht“ schiebt man Gedanken beiseite . Wenn sie später wieder auftauchen, einfach wiederholen. So schafft man auch im Kopf Ruhe – und damit die Grundlage für einen erholsamen Nachtschlaf.

 

6. Geheimtipps zum Relaxen

Wer selbst das Abschalten nach der Arbeit zu ernst nimmt, schafft es erst recht nicht aus dem Hamsterrad. Entspannung mit Spaß versprechen daher folgende Methoden:

  • einen Hund zum Spaziergehen ausborgen
  • Setze dich mit einem Drink deiner Wahl vor den Computer, stelle die Lautsprecher an und öffne folgende drei Seiten:
    Regen
    Jazzmusik
    Kaminfeuer
  • Die Gedanken an den Job wollen nicht verschwinden? Schicke sie einfach auf den Mond
  • Zaubere dir selbst ein Lächeln aufs Gesicht – mit einem Notfall-Kompliment
  • Stress-Notfall? Einfach vor den Bildschirm setzen und tief ein- und ausatmen
  • Verspannt im Büro: Versuche es mit ein paar Yoga-Übungen

Bildnachweis: PeopleImages/Quelle: www.istockphoto.com

Newsletter

Erhalte jeden Monat Tipps rund um die Themen Bewerbung, Karriere und Gehalt mit unserem Newsletter.

Aktuelle Jobs für Suche Work-Life Balance