Impostor-Syndrom: Bin ich ein Hochstapler?

So bekommst du das Hochstapler-Syndrom in den Griff


28.12.2023

Hast du manchmal das Gefühl, dass alle in deinem Team kompetenter sind als du? Dass du nur zufällig in diese Position reingerutscht bist und eigentlich gar keine Ahnung hast, was du im Job tust? Dann hast du es höchstwahrscheinlich mit dem sogenannten Impostor-Syndrom zu tun, das vor allem in der Generation Z weit verbreitet ist. Was es mit dem Syndrom auf sich hat und wie du damit am besten umgehst, erfährst du hier.

Inhaltsverzeichnis

Impostor-Syndrom: Was ist das eigentlich und welche Ursachen hat es?
5 Arten des Hochstapler-Syndroms: Welche Typen gibt es?
Woran erkenne ich, ob ich am Impostor-Syndrom leide?
Was kann ich tun, um mich von den Selbstzweifeln zu befreien?

 

Impostor-Syndrom: Was ist das eigentlich und welche Ursachen hat es?

„Wann mein Team wohl herausfindet, dass ich in meinem Job gar nicht so gut bin, wie sie dachten?“ Ein typischer Gedankengang von Menschen mit Impostor-Syndrom – auch Hochstapler-Syndrom genannt. Betroffene des Syndroms rechnen zu jeder Zeit damit, als Hochstapler enttarnt zu werden und haben (häufig im Berufsalltag) mit starken Selbstzweifeln und Versagensängsten zu kämpfen.

Impostor-Phänomen, Hochstapler-Syndrom, Mogelpackungs-Syndrom, Schaumschläger-Syndrom, Scharlatan-Syndrom und Betrüger-Phänomen: All das sind Synonyme für „Impostor-Syndrom“.

Erstmalig 1978 stellten die Psychologinnen Dr. Pauline Clance und Dr. Suzanne Imes fest, dass Frauen in höheren Positionen starke Selbstzweifel und Angst vor dem Scheitern verspürten – deutlich häufiger als Männer in vergleichbaren Positionen. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass das Impostor-Syndrom Männer aber ebenso wie Frauen betrifft.

Insbesondere Millennials, geboren zwischen 1981 und 1995, und Menschen aus der frühen Generation Z, geboren zwischen 1995 und 2009, sind oft vom Hochstapler-Syndrom betroffen, weiß Dr. Valerie Young, Co-Gründerin des Impostor Syndrome Institutes. Das hängt unter anderem mit dem schnellen technologischen Fortschritt zusammen, den Menschen aus diesen Generationen bereits ihr Leben lang hautnah mitverfolgen (müssen). Es geht immer schneller, größer, besser – nichts ist jemals gut genug.

Diesen Grundsatz haben Betroffene schon sehr früh vorgelebt bekommen, verinnerlicht und projizieren diesen auch auf sich selbst. Auch die sozialen Medien tragen ihren Teil dazu bei, dass Millennials und Menschen der Generation Z kaum zu erfüllende Erwartungen an sich selbst haben: Während der Alltag auf Instagram und Co. oft perfekt und einfach aussieht, fragen sich viele Nutzer*innen, warum ihr eigenes Leben deutlich unperfekter verläuft.

Das Dunning-Kruger-Phänomen, als Gegensatz zum Imposter-Syndrom, äußert sich darin, dass Menschen ihre Fähigkeiten überschätzen, auch wenn ihre begrenzten Fertigkeiten offensichtlich sind.

 

5 Arten des Hochstapler-Syndroms: Welche Typen gibt es?

Es gibt verschiedene Faktoren, die das Impostor-Syndrom begünstigen können: Erziehung, Persönlichkeit sowie genetische Voraussetzungen. Doch auch das tatsächliche Arbeitsumfeld kann dazu führen, dass man sich im Job nicht gut genug fühlt. So scheinen einige Branchen einen besseren Nährboden für das Hochstapler-Syndrom zu bieten als andere.

In kreativen Jobs leiden Menschen häufiger an extremen Selbstzweifeln. Das hat verschiedene Gründe. Kreativen fällt es oft schwer, Kritik an der eigenen Arbeit nicht persönlich zu nehmen, denn Kreativität ist oft vor allem eins: ein Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Kritik an der Arbeit verstehen Betroffene also schnell als Kritik an sich selbst. Hinzu kommt, dass sich kreative Arbeiten nicht so gut messen oder miteinander vergleichen lassen, wie zum Beispiel Verkäufe von Produkt X oder Effizienzsteigerung von Prozess Y. Insbesondere durch die sozialen Medien sind Kreative aber trotzdem ständiger Beurteilung und Kritik ausgesetzt.

Auch im MINT-Bereich sind Symptome des Impostor-Phänomens weit verbreitet. Das hängt vor allem mit dem starken Leistungsdruck zusammen und für weibliche Angestellte oft auch mit der Unterrepräsentation von Frauen in vielen Bereichen. Das steigert die Erwartungen an die eigene Arbeit teilweise ins Unermessliche.

Das Impostor-Syndrom ist aktuell allerdings noch keine anerkannte psychische Erkrankung, was unter anderem daran liegt, dass es nicht eine konkrete Symptomatik dafür gibt. Stattdessen hat Dr. Valerie Young fünf verschiedene Typen des Syndroms definiert:

 

Typ 1: Perfektionist

Einige Betroffene des Impostor-Syndroms machen ihre Leistung in erster Linie daran fest, wie eine Aufgabe oder ein Projekt erledigt wird. Sogenannte Perfektionist*innen können eine Aufgabe zu 99 % meistern – das eine fehlende Prozent genügt schon, um die eigene Leistung als Versagen zu werten. Kleinen Fehlern oder Schwächen wird also unverhältnismäßig viel Bedeutung beigemessen.

 

Typ 2: Experte

Ähnlich wie bei den Perfektionist*innen, liegen auch für Typ 2, den Experten, die Ansprüche an sich selbst bei 100 % – dabei ist aber Wissen das A und O. Es geht also primär darum, was und wie viel man weiß. Wissenslücken – mögen sie auch noch so unbedeutend sein – verursachen bei den Betroffenen die für das Impostor-Syndrom typischen Selbstzweifel.

 

Typ 3: Solist

„Ich kämpfe für mich alleine“ – das denken Betroffene des Impostor-Typs Solist jedenfalls. Eine Leistung können sie nur dann als eigenen Verdienst anerkennen, wenn sie diese komplett alleine erbracht haben. Wer eine Aufgabe erledigt, steht hier also besonders im Fokus. Betroffene verstehen es als Zeichen von Schwäche, andere Kolleg*innen um Hilfe zu bitten.

 

Typ 4: Genie

„Übung macht den Meister“ ist ein Grundsatz, der einigen Menschen mit Impostor-Syndrom schwerfällt. Das Genie tut sich schwer damit, dass die meisten Kompetenzen erlernt werden müssen, sondern möchte stattdessen alles von Natur aus können. Wenn Aufgaben oder Projekte also nicht auf Anhieb und mit links gelingen, ist das für Betroffene eine Form des Versagens.

 

Typ 5: Übermensch

Eine einwandfreie One-Person-Show möchte der Übermensch hinlegen. Wer mit dieser Form des Impostor-Syndroms zu kämpfen hat, versucht möglichst viele Rollen gleichzeitig auszuüben – und muss natürlich in jeder davon glänzen. Ob als Teammitglied, Elternteil, Partner*in oder in beliebig vielen anderen Lebenslagen, wenn Betroffene das Gefühl haben, ihren zahlreichen Rollen nicht völlig gerecht zu werden, resultiert das in Selbstzweifeln.

 

 

Woran erkenne ich, ob ich am Impostor-Syndrom leide?

Du hast beim Lesen schon an der ein oder anderen Stelle gedacht: „Hm, das kommt mir irgendwie bekannt vor“? Damit wärst du nicht allein. Zwar gibt es keine konkreten Zahlen darüber, wie viele Menschen tatsächlich vom Impostor-Syndrom betroffen sind – weil es schlichtweg keine Diagnose gibt –, Experten sind aber der Meinung, dass ein Großteil aller Menschen früher oder später Symptome des Hochstapler-Syndroms entwickelt.

Wenn du die folgenden Gedanken oder Verhaltensweisen schon regelmäßig bei dir selbst beobachtet hast, könnten das Anzeichen fürs Impostor-Syndrom sein:

  • Du hast eine wichtige Präsentation gerockt, eine sehr gute Abschlussarbeit geschrieben oder den Job ergattert, von dem du dachtest, dass du dafür nicht ausreichend qualifiziert bist. Trotzdem ist alles, woran du denken kannst: „Das war doch nur Glück!“
  • Du hast die Leitung eines großen und wichtigen Projekts übernommen, das jetzt erfolgreich abgeschlossen wurde. Auf das positive Feedback deiner Führungskraft reagierst du aber so: „Ach, so einen guten Job hab ich doch gar nicht gemacht“ oder „Das hätten doch alle gekonnt.“
  • Du wirst in der Teambesprechung nach deiner Einschätzung zu deinem Fachgebiet gefragt und deine Aussagen fangen immer mit „Ich denke, dass …“ oder „Ich glaube“ an, obwohl du ganz genau weißt, was Sache ist. Widerspricht dir jemand, gibst du eher klein bei, anstatt auf deiner fachlichen Meinung zu beharren.
  • Dir wird ein neuer Themenbereich oder eine neue Aufgabe übergeben, du hast aber keine Ahnung, worauf es zu achten gilt, wie die nötige Software funktioniert oder welches Werkzeug du benötigst. „Ich muss das alleine schaffen, um zu zeigen, dass ich es drauf habe“ ist dein einziger Gedanke und du wagst es nicht, nach Hilfe zu fragen.
  • Dein aktueller Job macht dich nicht mehr glücklich und du bist auf Jobsuche. Beim Durchstöbern der aktuellen Stellenangebote in deiner Branche denkst du immer wieder: „Auf diesen Job muss ich mich gar nicht erst bewerben. Mir fehlt Kompetenz XY und Erfahrung im Bereich YZ.“ Nur wenn die Stellenausschreibung zu 100 % zu deinem Lebenslauf passt, verschickst du eine Bewerbung.
  • Dein alljährliches Mitarbeitergespräch steht an und deine Führungskraft spricht in den höchsten Tönen von dir und deinen Leistungen. Abschließend erhältst du noch eine Empfehlung für Weiterbildungsmöglichkeiten. Du winkst die Komplimente ab und alles, was bei dir hängen bleibt, ist: „Ich bin nicht gut genug.“

 

Unter anderem solche Gedankengänge sind typisch für das Impostor-Syndrom.

Grafik zum Kreislauf des Impostor-Syndroms. Inhalt: Wie Betroffene des Impostor-Syndroms eigene Kompetenzen und Leistungen rationalisieren. Ein neues Projekt steht an. Betroffene reagieren mit Versagensängsten, Selbstzweifeln und Prokrastination. Nach dem Projektabschluss folgt ein kurzer Moment der Erleichterung. Das erfolgreiche Projekt wird aber schon bald klein geredet und die Leistung anderen Kolleg*innen oder den glücklichen Umständen zugeschrieben. Daraus resultieren weitere Selbstzweifel und die Angst, als Hochstapler*in enttarnt zu werden.

Betroffene des Impostor-Syndroms stecken oft in einem Teufelskreis und schreiben einen erfolgreichen Projektabschluss selten den eigenen Kompetenzen und Leistungen zu. Stattdessen werden Erfolge klein geredet und die fürs Impostor-Syndrom typischen Selbstzweifel so weiter genährt. © Stepstone

 

Was kann ich tun, um mich von den Selbstzweifeln zu befreien?

Erkennst du dich selbst in den fürs Impostor-Syndrom typischen Verhaltensweisen wieder? Keine Sorge! Wir verraten dir, wie du mit den starken Selbstzweifeln und Versagensängsten im Job am besten umgehst.

 

1. Führ ein Erfolgstagebuch

Ob du es glaubst oder nicht, du hast mit Sicherheit schon jede Menge Erfolge im Laufe deiner Ausbildung und Karriere erzielt. Im trubeligen Arbeitsalltag gehen diese kleinen oder manchmal auch großen Meilensteine gerne mal unter. Ein Erfolgstagebuch hilft dir dabei, den Überblick zu behalten, und zeigt dir schwarz auf weiß, was du bereits alles geschafft hast.

 

2. Bewusstmachen

Mach dir bewusst, dass das Impostor-Syndrom ein weit verbreitetes Phänomen ist und dass viele erfolgreiche Menschen damit zu kämpfen haben. Das Impostor-Syndrom ist lediglich ein Gefühl und keine Realität. Mit dem Wissen, dass du nicht allein bist und dass es völlig normal ist, Zweifel zu haben, kannst du die Hochstapler-Gefühle etwas entkräften.

 

3. Realistische Ziele setzen

Nichts und vor allem niemand ist jemals perfekt. Statt immer nach perfektionistischen Standards zu streben, helfen realistische Ziele dabei, sich auf die kleineren Erfolge und Fortschritte zu konzentrieren. So kannst du langsam dein Selbstvertrauen aufbauen und das Impostor-Phänomen in den Griff bekommen.

 

4. Unterstützung und Feedback suchen

Ein wichtiger Teil bei der Bewältigung des Impostor-Syndroms ist es, sich von anderen Menschen Unterstützung und Anerkennung zu holen. Durch positive Rückmeldungen und Lob von Freund*innen, Familie und Kolleg*innen stärkst du dein Selbstwertgefühl und steuerst so den massiven Selbstzweifeln entgegen. Auch ein Feedback-Gespräch mit deiner Führungskraft kann helfen. Achte hierbei darauf, das Lob nicht abzuwinken, sondern es wirklich ernst zu nehmen und zu verinnerlichen.

 

5. Konzentrier dich auf dich selbst

Ein starker Leistungsdruck im Berufsalltag sorgt häufig dafür, dass wir uns vermehrt mit Kolleg*innen vergleichen. Bin ich schneller, besser, schlauer als andere? Ein direkter Vergleich – insbesondere wenn die eigene Leistung ohnehin schon als ungenügend angesehen wird – kann die Selbstzweifel weiter anfeuern. Statt dich mit anderen zu vergleichen, versuch dich selbst in den Fokus zu rücken. Deine Leistung zählt!

 

6. Aus Fehlern lernen

Wir alle machen mal Fehler, aber besonders Menschen mit Impostor-Syndrom neigen dazu, sich über negative Erfahrungen zu definieren und Positives auszublenden. Behalt im Hinterkopf, dass Fehler menschlich sind und versuche, nicht daran zu verzweifeln, wenn mal etwas schiefgeht. Konzentrier dich stattdessen auf deine Erfolge – zum Beispiel mithilfe deines Erfolgstagebuchs. Falls du tatsächlich mal für deine Arbeit kritisiert wirst, gibt es außerdem hilfreiche Tipps, um mit dem Feedback umzugehen.

 

In besonders schwerwiegenden Fällen, wenn du das Gefühl hast, das Syndrom beeinflusst deine Leistung und deine psychische Gesundheit maßgeblich, solltest du über professionelle Hilfe durch Therapeut*innen oder Psycholog*innen nachdenken. Die Expert*innen können mit dir gemeinsam individuelle Strategien für den Umgang mit dem Hochstapler-Syndrom finden und dir so einen Ausweg aus dem Teufelskreis bieten.

 

Autorin: Mandy Rilke

Bildnachweis: © Chloe/EyeEm

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