
Fachkräfte aus dem Ausland einstellen: mit Recht zum richtigen Talent!
Hinter der überblicksartigen Checkliste verbergen sich zahlreiche praktische und rechtliche Punkte, die für erfolgreiches Recruiting im Ausland essenziell sind. Dr. Karolin Andréewitch-Wallner, Expertin für Arbeitsrecht, nennt im Gespräch die wichtigsten Aspekte bei der Suche nach internationalen Talenten für Österreich.
Die Themen im Überblick:
- Frau Dr. Andréewitch-Wallner, welche Schritte müssen Arbeitgeber auf der Suche nach internationalen Fachkräften gehen?
- Welche rechtlichen Aspekte sind schon während des Auswahlprozesses zu beachten, welche danach?
- Welche Tipps geben Sie Unternehmen für diesen Prozess?
- Wie lange dauert ein solcher Prozess?
- Wo können sich Unternehmen Unterstützung holen? Bei staatlichen oder privaten Agenturen?
- Mit welchen typischen Schwierigkeiten sollte man rechnen?
- Welche Zielgruppen sind im Prozess besonders einfach oder schwierig?
Frau Dr. Andréewitch-Wallner, welche Schritte müssen Arbeitgeber auf der Suche nach internationalen Fachkräften gehen?
Der erste Schritt ist das Erstellen eines – fachlichen und persönlichen – Anforderungsprofils für die jeweilige Fachkraft. Die Abschlüsse und Ausbildungen, die man inzwischen erwerben kann und die von Staat zu Staat voneinander abweichen, sind sehr verschieden. Darum sollten Arbeitgeber den Fokus auf die tatsächlichen Kompetenzen und Erfahrungen der Bewerber*innen legen und nicht nur auf den Abschluss blicken.
Der zweite Schritt ist eine Marktanalyse, um festzustellen, inwelchen Ländern sich die gewünschten Fachkräfte befinden, und um zu überprüfen, wie die dortige Arbeitsmarktsituation aussieht.
Im nächsten Schritt sollten Arbeitgeber sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Wichtig sind Regelungen der Ausländerbeschäftigung sowie niederlassungs- und aufenthaltsrechtliche Vorgaben. Diese variieren je nach in Frage kommendem Land. Die administrativen und rechtlichen Anforderungen bei der Anstellung von Personen aus dem EU- bzw. EWR-Raum sowie der Schweiz sind niedriger als bei Personen aus Drittstaaten. Zu den Drittstaaten zählt seit dem 1.1.2021 übrigens auch das Vereinigte Königreich.
In weiterer Folge geht es um das Employer Branding am ausländischen Markt. Aufgrund des globalen Wettbewerbs um die besten Köpfe muss ein Arbeitgeber auch in Marketing investieren. Für internationale Bewerber*innen spielen – zusätzlich zu den tätigkeitsbezogenen Kriterien und erforderlichen Sprachen – auch andere Faktoren eine Rolle. Wichtig ist für Kandidat*innen etwa der Ablauf des Bewerbungsprozesses, die Unterstützung durch den Arbeitgeber, die benötigten Dokumente, Übersetzungen und Beglaubigungen, das Onboarding im Unternehmen und vieles mehr. Ich empfehle außerdem, die Stellenanzeigen neben Englisch auch in der jeweiligen Landessprache zu verfassen, sodass eine größere Zielgruppe erreicht wird.
Entscheidend ist auch die Ausschreibung derStellenanzeige. Dabei stehen Arbeitgebern viele Kanäle offen. Ist die Zielgruppe speziell Studierende bzw. Absolventen, empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit ausländischen Hochschulen, um Networking direkt „an der Quelle“ zu ermöglichen. Der letzte Schritt ist das eigentliche Bewerbungsverfahren. Die Durchführung einer oder mehrerer Bewerbungsrunden auf elektronischem Wege ist sicher sinnvoll. Bei Interviews von Drittstaatsangehörigen vor Ort in Österreich müssen Arbeitgeber vorab prüfen, ob ein Visum erforderlich ist.
Vor Anstellung der Bewerber*in sind alle rechtlichen Voraussetzungen zu kontrollieren und in weiterer Folge einzelfallbezogen Meldepflichten einzuhalten. Hier besteht ein Unterschied zwischen EU/EWR bzw. Schweiz einerseits und Drittstaaten andererseits. Die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen liegt im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Ein umfassendes und individuelles Gespräch mit einer Rechtsberatung ist vor der Einstellung internationaler Fachkräfte also unumgänglich.
Welche rechtlichen Aspekte sind schon während des Auswahlprozesses zu beachten, welche danach?
Arbeitgeber sollten diese zwei Zeitabschnitte zusammen betrachten, denn die Auswahl von neuen Mitarbeitenden richtet sich nach den praktischen und rechtlichen Möglichkeiten der Beschäftigung in Österreich. Dabei spielt auch die Staatsangehörigkeit der Fachkraft eine Rolle. Handelt es sich um einen EU/EWR- oder Schweizer Bürger, gelten grundsätzlich die europarechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit, zudem findet das Ausländerbeschäftigungsgesetz keine Anwendung: Es gibt demnach keine Meldepflichten beim Arbeitsmarktservice.
Bei drittstaatsangehörigen Fachkräften ist das anders: Sie benötigen mitunter schon vor der Einreise nach Österreich ein (vorläufiges) Visum für den kurzfristigen Aufenthalt, etwa für ein persönliches Bewerbungsgespräch. In weiterer Folge braucht es einen entsprechenden (längerfristigen) Aufenthalts- bzw. Beschäftigungstitel, der zum Aufenthalt und zur Erwerbstätigkeit in Österreich berechtigt. Die Erteilung dieses Titels ist abzuwarten, erst danach darf die Person beschäftigt werden.
Für drittstaatsangehörige Fachkräfte kommen in der Praxis vor allem die Blaue Karte EU oder die Rot-Weiß-Rot Karte in Betracht. Die Rot-Weiß-Rot Karte sieht Beschäftigungsmöglichkeiten für unterschiedliche Fachkräfte vor, etwa für besonders Hochqualifizierte, für Mangelberufe, Schlüsselkräfte oder Studienabsolvent*innen. Jeder dieser Titel ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Die Blaue Karte EU kommt hauptsächlich für besonders hochqualifizierte Drittstaatsangehörige (mit einem entsprechenden Hochschulstudium) und einem gut bezahlten Arbeitsplatz in Frage.
Den passenden Aufenthalts- und Beschäftigungstitel sollten Sie immer im Einzelfall prüfen und rechtzeitig beantragen – und bereits während des Auswahlprozesses darauf achten, dass die anzustellende Fachkraft die objektiven Kriterien erfüllt. Die rechtzeitige Prüfung ist für einen effizienten Prozess entscheidend. Die Praxis zeigt nämlich, dass Arbeitgeber die Dauer des Bewilligungsprozesses oft unterschätzen. Zu beachten ist außerdem: Arbeitgeber müssen den Anfang und das Ende der Beschäftigung einer drittstaatsangehörigen Fachkraft innerhalb von drei Tagen beim AMS melden, auch wenn es hier Ausnahmen gibt. Die Unterlassung der verpflichtenden Meldung kann für Arbeitgeber eine Geldstrafe bis zu 2.000 Euro nach sich ziehen. Es empfiehlt sich, Kopien der Bewilligungen, Bestätigungen und Aufenthaltstitel im Betrieb für den Fall einer behördlichen Kontrolle bereit zu halten.
Welche Tipps geben Sie Unternehmen für diesen Prozess?
Als Arbeitgeber sollten Sie den Prozess in drei Phasen teilen: Die „Vor-Phase“, in der Sie die zu besetzende Stelle konkretisieren und attraktiv gestalten. In diesem Stadium sollten Sie sich auch fragen, an wen sich die Stellenanzeige richtet und wie man diese Zielgruppe am besten erreicht. Eine grobe Vorab-Analyse der rechtlichen Voraussetzungen macht in diesem Stadium bereits Sinn.
In der „Bewerbungsphase“ findet der Bewerbungsprozess statt, angefangen bei der Veröffentlichung der Stellenanzeige über die vorab definierten Kanäle, bis hin zur Auswahl und Entscheidung. Ich empfehle, die finale Zusage an den Bewerber von der erfolgreichen Beschäftigungsbewilligung abhängig zu machen. Eine entsprechende Bedingung sollte jedenfalls schriftlich in die Zusage bzw. in den Dienstvertrag aufgenommen werden.
In der „Finalisierungsphase“ müssen Sie sämtliche rechtlichen Vorgaben im Detail prüfen, die Beantragung der erforderlichen Bewilligungen durchführen und allfällige Meldepflichten eruieren.
In der Regel sind die ersten zwei Phasen inhouse zu bewältigen. Bei der Ermittlung und Beantragung des korrekten Aufenthalts- und Beschäftigungstitels sowie der bestehenden Meldepflichten empfiehlt es sich aber, Rechtsexpert*innen heranzuziehen. An dieser Stelle nie zu vergessen: die Verpflichtung zur Anmeldung zur Sozialversicherung beim zuständigen Krankenversicherungsträger vor Arbeitsantritt – und in weiterer Folge zur Abmeldung mit Ende der Beschäftigung. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Fachkraft.
Wie lange dauert ein solcher Prozess?
Eine Pauschalaussage ist aufgrund des Zusammenspiels verschiedenster Faktoren nicht möglich. Jedenfalls müssen Arbeitgeber eine gewisse Zeitspanne einplanen. Die Rot-Weiß-Rot Karte können Sie etwa 8 Wochen vor geplantem Beginn beantragen. Die Behörde hat also jedenfalls 8 Wochen Entscheidungszeit. Vor erfolgreicher Erteilung sind Arbeitsleistungen nicht gestattet. Einfluss können Sie als Arbeitgeber aber nehmen, indem Sie möglichst präzise Informationen zu den erforderlichen Dokumenten an die Bewerber*innen weitergeben. Damit können Sie den Beurteilungs- und Entscheidungsprozess bei den Behörden vereinfachen und beschleunigen.
Wo können sich Unternehmen Unterstützung holen? Bei staatlichen oder privaten Agenturen?
Unterstützung erhalten Sie beispielsweise über die Austrian Business Agency (ABA) oder über die Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Natürlich unterstützen auch Kanzleien wie jene meines Teams bei Taylor Wessing in allen rechtlichen Fragestellungen zum Thema und begleiten Arbeitgeber durch den gesamten Bewilligungsprozess.
Mit welchen typischen Schwierigkeiten sollte man rechnen?
Jede Anstellung mit einem Auslandsbezug ist mit einem zusätzlichen administrativen Aufwand verbunden. Das reibungslose und schnelle Finalisieren hängt stark von der Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Dokumente ab. Grundsätzlich wird eine Beglaubigung und Übersetzung der erforderlichen Dokumente notwendig sein. Teilweise ist auch die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen schwierig. Auf EU-, EWR- und Schweiz-Ebene ist vieles einheitlich geregelt, sodass sich der Aufwand in Grenzen hält. In Bezug auf Drittstaaten ist eine Einzelfallprüfung notwendig.
Welche Zielgruppen sind im Prozess besonders einfach oder schwierig?
Die Beschäftigung von Fachkräften aus dem EU- bzw. EWR-Raum und der Schweiz ist aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit einfacher. In Zusammenhang mit anderen Ländern müssen Sie mit etwas mehr Zeit und Vorbereitungsarbeit rechnen. Ein Aufenthalts- und Beschäftigungstitel, der zur Erwerbstätigkeit und zum Aufenthalt berechtigt, ist erforderlich. Manche Titel sind schwieriger, manche sind leichter zu bekommen. Für besonders Hochqualifizierte sowie Fachkräfte in Mangelberufen – wie etwa aktuell für das Jahr 2024 Diplomingenieur*innen für Maschinenbau, Ärzt*innen oder Erzieher*innen – entfällt eine Arbeitsmarktprüfung. Für diese Zielgruppen ist der Eintritt in den österreichischen Arbeitsmarkt erleichtert. In Bezug auf IT-Fachkräfte entfällt für die Blaue-Karte EU z.B. das Erfordernis eines besonderen Hochschulabschlusses, wenn der Kandidat ersatzweise eine entsprechende zumindest dreijährige praktische Erfahrung nachweisen kann. Außerdem gibt es Erleichterungen für junge Menschen bzw. Studierende oder Studienabsolvent*innen. Abgesehen davon gilt: Je besser eine Fachkraft qualifiziert ist, desto einfacher ist es, eine Beschäftigungserlaubnis in Österreich zu erlangen.
Dr. Karolin Andréewitch-Wallner
Rechtsanwältin und Partnerin bei Taylor Wessing
Österreich
Dr. Karolin Andréewitch-Wallner ist Rechtsanwältin und Partnerin im
Arbeitsrechtsteam von Taylor Wessing Österreich. Ihre Schwerpunkte liegen in
den Bereichen kollektives Arbeitsrecht, Arbeitszeit, „Global Mobility“ sowie
Mitarbeiterbeteiligung und Gleichbehandlung. Dr. Andréewitch-Wallner ist
externe Lektorin an der Fachhochschule Wiener Neustadt und trägt regelmäßig zu
arbeitsrechtlichen Themen vor.
Autor: Daniel Auer
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