Kollektivvertrag

Die kollektive Rechtsgestaltung im österreichischen Arbeitsrecht


13.10.2020

Was ist ein Kollektivvertrag und welche Inhalte deckt dieser ab? Was ist der Zweck und welcher Kollektivvertrag gilt für mich? Wir haben die häufigsten Fragen zum Thema Kollektivvertrag für dich zusammengetragen.

Was ist ein Kollektivvertrag, wer schließt diesen ab und wie muss er hinterlegt und kundgemacht werden?

Unter einem Kollektivvertrag versteht man eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Gewerkschaft auf der Seite der Arbeitnehmer und der Wirtschaftskammer oder einem freiwilligen Arbeitgeberverband auf der anderen Seite. Ein Kollektivvertrag gilt für eine Branche und legt Regelungen über Entgelt- und Arbeitsbedingungen fest.

Um gültig zu werden, muss der Kollektivvertrag nach Abschluss beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hinterlegt werden. Die Kundmachung erfolgt innerhalb einer Woche im Amtsblatt der Wiener Zeitung. Generell beginnt die Gültigkeit des Kollektivvertrags mit dieser Kundmachung in der Wiener Zeitung – es sei denn, der Kollektivvertrag enthält selbst ein Datum, zu dem er gültig wird.

 

Was ist der Zweck des Kollektivvertrags und welche Vorteile ergeben sich dadurch für mich?

Der Kollektivvertrag hat den Zweck, Rechte und Ansprüche von Arbeitnehmern festzulegen, die gesetzlich nicht geregelt sind, oder aber auch, um Regelungen zu vereinbaren, die günstiger sind als die gesetzlichen Bestimmungen. Dadurch sorgen Kollektivverträge für faire Arbeitsbedingungen.

 

Was wird in einem Kollektivvertrag geregelt?

Zu den Inhalten des Kollektivvertrags zählen die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Für Arbeitnehmer besonders wichtig sind die regelmäßigen Einkommenserhöhungen durch die Festsetzung von Mindestlöhnen und Mindestgehältern. Auch Zuschläge für Schichtarbeit, Feiertagsarbeit, Überstunden oder Mehrstunden sowie Gefahrenzuschläge werden festgelegt. Sonderzahlungen und Arbeitszeitbestimmungen sind ebenso Bestandteile, wie die Regelung von Freizeitansprüchen (z.B.: Umzugstage).

 

Was bedeutet Kündigungsfrist, Jubiläumsgeld oder Urlaub nach Kollektivvertrag?

Generell gelten die gesetzlichen Bedingungen. Ein Kollektivvertrag kann jedoch günstigere Regelungen festlegen. Es kann jedoch auch vorkommen, dass dein Arbeitsvertrag keine genaueren Informationen zu einzelnen Sachverhalten beinhaltet, sondern lediglich auf den Kollektivvertrag verweist. Ein Kollektivvertrag kann beispielsweise die Länge einer Kündigungsfrist festlegen, die dann auch für dich anwendbar ist. Ebenso den Urlaubsanspruch oder den Anspruch auf diverse Jubiläumszahlungen.

 

Welche Rechtswirkung hat der Kollektivvertrag?

Der Kollektivvertrag hat eine Normwirkung. Das bedeutet, dass er innerhalb des Geltungsbereiches (z.B. innerhalb der Branche) unmittelbar rechtsverbindlich ist. Außerdem ist er unabdingbar, d.h. dass die darin vereinbarten Regelungen nicht durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Arbeitsvertrag abgeschwächt oder verschlechtert werden dürfen. Es besteht jedoch das Günstigkeitsprinzip: Wenn du einen Arbeitsvertrag hast, der günstigere Regelungen vorsieht, gelten für dich natürlich diese.

 

Kollektivvertrag vs. Arbeitsvertrag – was gilt, was ist wichtiger?

Für dich am wichtigsten ist dein individueller Arbeitsvertrag, der nur für dich persönlich gilt. Darin hast du Bedingungen ausgehandelt bezüglich Arbeitszeit, Gehalt, Pflichten, Überstundenregelungen (All-in, Überstundenpauschale) etc. Dieser Vertrag ist nur für dich als Einzelperson gültig.

Sofern dein Unternehmen über einen Betriebsrat verfügt, kann es in deinem Unternehmen Betriebsvereinbarungen geben. Das sind Vereinbarungen, die zwischen deinem Arbeitgeber und deinem Betriebsrat für dich ausgehandelt wurde. Diese Vereinbarungen gelten auf Unternehmensebene.

Eine Stufe darüber befindet sich dann der Kollektivvertrag, der für einen gesamten Bereich, eine gesamte Branche gilt. Generell darf dein Arbeitsvertrag keine Regelungen vorsehen, die schlechter sind als jene des für dich zur Anwendung kommenden Kollektivvertrages. Es macht daher Sinn, sich den Kollektivvertrag anzusehen und mit dem individuellen Arbeitsvertrag abzugleichen.

 

Welcher Kollektivvertrag gilt für mich?

Welcher Kollektivvertrag für dich gilt, hängt generell davon ab, bei welchem Unternehmen und in welcher Branche du tätig bist bzw. welcher Fachgruppe dein Arbeitgeber bei der Wirtschaftskammer angehört. In deinem Dienstzettel und/oder Arbeitsvertrag muss der anzuwendende Kollektivvertrag angegeben sein. Darüber hinaus muss in jedem Unternehmen der anwendbare Kollektivvertrag zur Einsicht aufliegen. Du kannst deinen Kollektivvertrag zudem kostenlos online hier einsehen: Kollektivvertrag-Informationsplattform des ÖGB sowie Kollektivvertragsdatenbank der Wirtschaftskammer.

 

Was bedeutet Bezahlung nach Kollektivvertrag?

Die Anmerkung „Bezahlung nach Kollektivvertrag“ findet sich in manchen Stellenanzeigen bzw. kann auch Bestandteil des Arbeitsvertrages sein. Damit ist gemeint, dass du jenes Gehalt bekommst, das im Kollektivvertrag für deine Verwendungsgruppe als Mindestgehalt festgelegt ist. Für die Einstufung sind zudem die Jahre der Berufserfahrung ausschlaggebend.

 

Ist der Kollektivvertrag brutto oder netto?

In der Regel sind die Mindestsätze der Gehaltstabellen in Kollektivvertragen – sofern nicht anders vermerkt – brutto angegeben.

 

Welche Kollektivverträge gibt es?

Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, denn jährlich werden in Österreich über 450 Kollektivverträge abgeschlossen. Diese gelten entweder für eine Branche, eine Berufsgruppe oder noch spezifischer. Außerdem wird zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden. Es kann daher manchmal schwierig sein, selbst herauszufinden, welcher für einen selbst gilt. Deswegen muss in jedem Unternehmen der anwendbare Kollektivvertrag zur Einsicht aufliegen.

Hier geht’s zu den häufigsten Kollektivverträgen:

 

Gilt der Kollektivvertrag auch für mich, wenn ich kein Mitglied der Gewerkschaft bin?

Hier kommt die sogenannte Außenseiterwirkung zur Geltung: Man muss in Österreich kein Mitglied der abschließenden Gewerkschaft sein, damit der Kollektivvertrag für einen anwendbar ist.

Was passiert bei einem Verstoß gegen den Kollektivvertrag?

Wenn dein Arbeitsvertrag etwas regelt, das gegen den Kollektivvertrag verstößt, so ist dies strafbar und bringt Sanktionen mit sich. Wenn du davon betroffen sind, wende dich in diesem Fall an die Arbeiterkammer, die den Sachverhalt für dich überprüfen kannst und dir rechtliche Auskunft geben kann.

Was versteht man unter einem Mindestlohntarif und wann kommt dieser für mich zur Anwendung?

Der Mindestlohntarif ist eine Rechtsvorschrift über die Mindestentgelte für jene Branchen, die durch keinen Kollektivvertrag abgedeckt sind. Sollte dein Arbeitgeber also keiner kollektivvertragsfähigen Körperschaft angehören, die durch einen Kollektivvertrag Mindestlöhne und Mindestgehälter aushandelt, kommt der Mindestlohntarif zum Einsatz. Die Bestimmungen des Mindestlohntarifs sind – wie auch die Regelungen des Kollektivvertrags – unmittelbar rechtsverbindlich. Es gelten dieselben Rechtswirkungen wie beim Kollektivvertrag: Normwirkung, Unabdingbarkeit, Günstigkeitsprinzip.

 

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