Corona-Impfpflicht?

Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern rund um die Impfung


18.02.2021

Seit es den ersten Corona-Impfstoff in Österreich gibt, sind unzählige Fragen rund um die Impfung aufgetaucht. Wird es genügend Impfstoff geben, wer kann wann geimpft werden und können Menschen verpflichtet werden, sich impfen zu lassen – etwa durch den Arbeitgeber? Arbeitsrechtsexperte Dr. Michael Leitner hat die Antworten.

Gibt es in Österreich eine generelle Impfpflicht für Arbeitnehmer?

„In Österreich gibt es keine generelle Impflicht“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Michael Leitner. Das Epidemiegesetz (§17 Abs.1 Z. 3) sieht sehr wohl eine Impfpflicht für ansteckende Krankheiten vor – allerdings aktuell nur für spezielle Berufsgruppen, vor allem im Gesundheitsbereich, wie in der Krankenbehandlung, der Pflege oder für Hebammen.

 

Corona-Impfung: Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern

Wenn es um die Corona-Schutzimpfung geht, so stehen unterschiedliche Interessen einander gegenüber. „Zum einen haben Arbeitnehmer das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit sowie ein Recht auf Achtung deines Privatlebens“, erklärt Leitner. „Auf der anderen Seite steht jedoch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers den anderen Mitarbeitern gegenüber.“ Diese Interessen gilt es abzuwägen, was in der Praxis auf eine Einzelfallbetrachtung hinauslaufen könnte. Was also bedeutet das für eine mögliche Corona-Impfpflicht durch Arbeitgeber?

 

Können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zur Corona-Impfung verpflichten?

Bevor diese Frage beantwortet werden kann, gilt es laut Dr. Michael Leitner zunächst drei wichtige Aspekte abzuklären: „Zu allererst muss einmal sichergestellt werden, dass überhaupt genügend Impfstoff verfügbar ist.“ Denn ist kein Impfstoff vorhanden, kann niemand eine Impfung voraussetzen. „An zweiter Stelle gilt es dann abzuklären, ob durch den Impfstoff ein sogenannter Fremdschutz gegeben ist“, führt Leitner weiter aus. Denn noch ist nicht klar, ob die aktuell verfügbaren Impfstoffe nur die geimpfte Person selbst oder auch andere schützen können. „Nur wenn auch der Fremdschutz sichergestellt ist, wird die Frage einer Impfpflicht überhaupt interessant“, gibt der Arbeitsrechtsexperte zu bedenken. „Und dann gilt es an dritter Stelle abzuklären, ob auch andere Mittel als die Impfung eingesetzt werden können, die ebenfalls einen Schutz vor Ansteckung gewährleisten.“

Wie sich die gesetzliche Lage entwickeln wird, lässt sich aktuell jedoch nicht voraussagen. Denkbar wäre beispielsweise eine Impfpflicht für spezielle Berufe (im Gesundheitsbereich oder mit viel Kontakt zu anderen Menschen). Eine weitere Möglichkeit wäre, zwar keine generelle Impfpflicht einzuführen, aber den Arbeitgebern die Entscheidung freizustellen, ob sie im Unternehmen eine Impfpflicht einführen möchten oder nicht. Darüber kann zum momentanen Zeitpunkt jedoch nur spekuliert werden.

 

Dürfen Arbeitgeber Informationen über den Impfstatus ihrer Mitarbeiter verarbeiten?

„Beim Impfstatus von Personen handelt es sich – wie bei allen medizinischen Daten – um sensible Daten“, gibt Leitner zu bedenken. „Und die Verarbeitung solcher Daten bedarf der Einwilligung der Mitarbeiter“. Diese Einwilligung kann zudem jederzeit revidiert werden.

 

Wie sieht es bei Dienstreisen bezüglich einer Impfung aus?

Ob eine Dienstreise ohne Impfung überhaupt angetreten werden kann, wird zukünftig von den gesetzlichen Regelungen und Einreisebestimmungen der einzelnen Länder abhängen. Je nachdem wie diese ausgestaltet sind, kann es sein, dass gewisse Dienstreisen ohne einer Corona-Schutzimpfung gar nicht mehr möglich sind.

Eine weitere sehr wichtige Frage betrifft die Entgeltfortzahlung im Krankenstand. „Wenn jemand dienstlich in ein Land reist, in dem ein höheres Ansteckungsrisiko besteht, sich tatsächlich mit Corona ansteckt und daher einen Krankenstand antritt, stellt sich die Frage der Entgeltfortzahlung“, so Dr. Michael Leitner. Hier muss ihm zufolge abgewogen werden: Ist das Verschulden des Arbeitnehmers durch die fehlende Impfung so groß, dass ihm keine Entgeltfortzahlung zusteht? Oder liegt die Schuld beim Arbeitgeber, der seinen Mitarbeiter in ein Land mit erhöhtem Ansteckungsrisiko geschickt hat? Die Frage, wem das Risiko zuzuschreiben ist, könnte künftig darüber entscheiden, ob einem Mitarbeiter in einem solchen Fall eine Entgeltfortzahlung zusteht, oder nicht.

 

Kann ein Mitarbeiter gekündigt werden, weil er sich nicht impfen lassen möchte?

Auch um diese Frage zu beantworten, müssen zunächst die drei bereits beschriebenen Aspekte geklärt sein: Genügend Impfstoff vorhanden? Fremdschutz gegeben? Andere Mittel gegen Ansteckung verfügbar? Zudem ist Dr. Leitner zufolge auch die potenzielle Ansteckungsgefahr zu evaluieren. Ist diese gegeben, kann eine Versetzung oder im schlimmsten Fall auch eine Kündigung gerechtfertigt sein, sofern durch eine Impfung auch der Fremdschutz gegeben wäre und der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachzukommen versucht.

 

Impfung als Einstellungsargument?

Was bedeutet das für die Zukunft? Kann es sein, dass man künftig keinen Job mehr bekommt, wenn man keine Corona-Schutzimpfung vorweisen kann? Dr. Michael Leitner meint, dass die Frage nach dem Corona-Impfstatus eine zulässige Frage im Bewerbungsgespräch werden könnte. Das bedeutet, dass Bewerber die Frage auch wahrheitsgemäß beantworten müssen (im Gegensatz zu den unzulässigen Fragen im Bewerbungsgespräch, die man nicht beantworten muss bzw. bei denen man in einigen Fällen sogar lügen darf bei der Beantwortung). Grundsätzlich sind Fragen zum Gesundheitszustand und zu Krankheiten unzulässig. Eine Ausnahme sind Krankheiten, die ansteckend oder leicht übertragbar sind (Aids oder HIV-Infektionen). Besteht somit eine Gefahr für Leben und Gesundheit anderer im Betrieb Tätiger, wird man jedenfalls ein Fragerecht des Arbeitgebers anerkennen müssen – dies auch hinsichtlich des COVID-Impfstatus.

Man könnte also in Zukunft Gefahr laufen, einen Job nicht zu bekommen, wenn man keine Corona-Schutzimpfung vorweisen kann. Leitner kann sich jedoch auch vorstellen, dass es hier zu einer Abwägung kommen könnte, je nachdem, um welche Stelle es sich handelt, ob man seine Tätigkeit allein verrichtet, oder im Berufsalltag viel Kontakt zu anderen Menschen hat.

 

Dr. Michael Leitner ist Spezialist im Arbeitsrecht. Seine Rechtsanwaltskanzlei für Arbeitsrecht in Wien ist auf die unterschiedlichen Themen des Arbeitsrechts spezialisiert.

 

Bildnachweis: ffikretow/Quelle: istockphoto.com

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