Die 30 Stunden Woche

Weniger arbeiten, mehr vom Leben!


18.07.2018

Nach vier Jahren Angestelltendasein in einer juristischen Kanzlei hat es Miriam gereicht: Sie kündigt ihren 40 Stunden-Job und sucht sich eine Teilzeitstelle als juristische Beraterin bei einer NGO. „Ich wollte einfach nicht mehr jeden Tag die Woche im Büro sitzen“, erklärt die junge Niederösterreicherin. „Das Wochenende war vorbei wie im Flug, und jeden Sonntagabend hat mir vor der neuen Arbeitswoche gegraut.“

Jetzt ist sie auf ihrem 20 Stunden-Posten ganz zufrieden. „Auch wenn damit natürlich finanzielle Einbussen verbunden sind, habe ich doch mehr freie Zeit für Hobbys, Familie und Freunde“, beschreibt sie ihre neue Lebenssituation. „Das würde ich nie mehr gegen ein höheres Einkommen eintauschen – mir ist meine Zeit mehr wert als Geld.“ Wie wichtig ist dir das Gehalt?

 

Jeder Vierte in Österreich arbeitet Teilzeit

So wie Miriam geht es immer mehr Menschen: Laut Statistik Austria waren 28,7% aller Österreicher 2017 teilzeit beschäftigt – in Zahlen also mehr als eine Million Menschen. Vor allem Frauen wählen bevorzugt das Modell der Teilzeitarbeit: 47,7% arbeiteten im Jahresschnitt in Teilzeitjobs, während sich nur 11,8% aller Männer für das Modell entschieden.

Während bei vielen Frauen immer noch familiäre Betreuungspflichten hinter dem geringen Stundenausmaß stehen, ist das Modell der Teilzeitarbeit vor allem bei jungen Fachkräften und Absolventen aus ganz einem anderen Grund immer beliebter: Es lässt abseits der 12-Stunden-Tage Zeit für ein Privatleben, das den Namen auch verdient – und ist damit ganz im Sinne der viel zitierten Work-Life-Balance.

 

Zeit als Statussymbol: Die 30 Stunden-Woche

Das hat auch eine oberösterreichische Marketing-Firma erkannt. Das Online Marketing-Unternehmen eMagnetix stellt ab Oktober 2018 die gesamte Firma auf eine 30 Stunden-Arbeitswoche um – und zwar bei vollem Gehalt. „Unsere Zielgruppe ist vorwiegend die jüngeren Generation“, erzählt Geschäftsführer Klaus Hochreiter. „Für Millenials steht die Work Life-Balance an erster Stelle ihrer Bedürfnisse und Erwartungen, sie ist wichtiger als hohes Gehalt oder ein dicker Firmenwagen. Zeit ist das neue Statussymbol – und genau da setzen wir mit der 30 Stunden-Woche an.“

Während viele Firmen mit flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitstellen werben, ist das Besondere bei eMagnetix der volle Lohnausgleich: Mitarbeiter arbeiten zwar nur 30 Stunden die Woche, werden aber für 40 Stunden bezahlt. Hochreiter: „Anders wäre das auch gar nicht möglich. Wenn wir das Gehalt reduzieren, müssen sich die Leute Zweitjobs suchen und verlieren Pensionsansprüche – das ist nicht im Sinne unserer Maßnahme.“

 

Mehr Zeit zum Leben – und gesündere Ernährung

Bereits im Herbst vergangenen Jahres gab es einen Testlauf, bei dem die verkürzte Arbeitswoche einer genauen Prüfung unterzogen wurde. „Es war unheimlich spannend zu sehen, was sich plötzlich verändert, wenn die Leute mehr Zeit zum Leben haben“, erzählt Hochreiter. „Unser Test fand im Spätherbst statt, wenn es schon früh dunkel wird. Unsere Mitarbeiter konnten mit der 30 Stunden-Woche zum Teil schon um 14 Uhr heimgehen – und sind zum ersten Mal bei Tageslicht aus dem Büro gekommen. Dafür hatten wir sensationelle Rückmeldungen.“ Wir zeigen dir wie du auch am Arbeitsplatz gesünder leben kannst.

Wieder andere hätten sich bedingt durch die plötzlich vorhandene Freizeit neue Hobbys gesucht, mehr Sport gemacht oder sich gesünder ernährt. „Wo die Leute sonst erst spätabends aus der Arbeit kamen und maximal Zeit für ein Fertiggericht hatten, war jetzt plötzlich Zeit zum Einkaufen und Kochen“, lacht Hochreiter. „Und auch die Hausarbeit wurde bei einigen wieder gerechter aufgeteilt – weil der berufstätige Partner auf einmal früher zu Hause war und mehr Zeit hatte mitzuhelfen.“

 

Studien bestätigen: Teilzeit macht leistungsfähig

Dass die 30 Stunden-Woche funktioniert und leistungstechnisch sogar Sinn macht, bestätigen auch Studien: So haben etwa australische Forscher herausgefunden, dass die optimale Arbeitswoche aus drei Tagen arbeiten und vier freien Tagen besteht. Zumindest die Generation 40 Plus soll dann nämlich am leistungsfähigsten sein, wenn sie weniger als 25 Stunden die Woche arbeiten.

Das hat sich auch eine deutsche IT-Firma aus Bielefeld zu Herzen genommen: Seit einiger Zeit arbeiten Mitarbeiter der „Rheingans Digital Enabler“ nur noch fünf Stunden pro Tag, und das an fünf Tagen die Woche. „Nach acht Stunden kann doch kein Mensch mehr kreativ sein. Man muss die Leute auch mal durch den Wald laufen lassen“, sagt Geschäftsführer Lasse Rheingans.

 

Organisatorisches Talent ist gefragt

Um die Arbeit von 40 Stunden in eine 30 Stunden-Woche zu packen, braucht es neben organisatorischem Talent vor allem eines: optimale Prozessabläufe. Hochreiter und sein Team haben etwa interne Termine radikal umorganisiert und gestrafft. Gleichzeitig gibt es Zeitfenster, in denen Mitarbeiter völlig ungestört arbeiten können – und das Handy wurde kurzerhand auch vom Schreibtisch verbannt.

Zuviel Ablenkung, findet Hochreiter – und packt sein eigenes Mobilgerät auch gleich in die Schublade. „Was wir machen, muss jeder im Unternehmen leben – auch und gerade die Geschäftsführung. Ich kann meinen Mitarbeitern ja schlecht vorschreiben, was sie zu tun haben, wenn ich selbst etwas völlig anderes vorlebe.“

 

30 Stunden-Woche: „Fit, ausgeglichen und ausgeruht“

Die Erfahrung hätte gezeigt, dass der Umstieg auf die 30 Stunden-Woche allen zugute kommt, sagt Hochreiter: „Die Mitarbeiter sind fit, ausgeglichen und ausgeruht. Unsere Kunden profitieren von motivierten und leistungsfähigen Leuten. Und wir als Firma haben ein gutes Argument mehr, die besten Leute an Bord zu holen.“ Jedoch heißt das nicht, dass nicht Teilzeitbeschäftigte auch Burnout gefährdet sein können.

Gerade in ländlichen Gebieten müsse man heute mehr bieten, um die besten Köpfe anzusprechen, ist er überzeugt: „Als regionales Unternehmen sind wir wie viele andere Betriebe auch mit dem Fachkräftemangel konfrontiert. Die besten Köpfe wandern ab, und qualifizierte Mitarbeiter sind schwer zu bekommen. Dagegen helfen keine politischen Maßnahmen, das müssen wir selbst in die Hand nehmen.“

Info: eMagnetix

Bildnachweis: www.istockphoto.com

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