Frauen in der IT

Die Geschäftsführerin von Avanade Österreich und für den Minerva-Award im Bereich Tech nominierte Autorin Christiane Noll spricht im Interview mit Stepstone über IT-Girls, den Gender Bias im Recruiting, Ermutigung und Diversität.

 

“Ich will Begeisterung für die IT schaffen und mit den bestehenden Vorurteilen brechen, damit Frauen und Mädchen neue Chancen wahrnehmen.”

Christiane Noll, Autorin von “IT-Girls” und Geschäftsführerin von Avanade Österreich

Frau Noll, was steckt hinter dieser Aussage?

Ob Sie Werbetexterin sind, oder Tischlerin – IT und Digitalisierung betreffen Sie. Es gibt fast keine Jobs mehr, wo diese Themen nicht präsent sind. Und ich bin überzeugt, dass Mädchen, wenn man sie sehr früh an IT und Digitalisierung heranführt, auch das Interesse daran entdecken würden. Das wiederum würde die Chancen für uns als Frauen in der Arbeitswelt verbessern. Das Klischee, dass sich Buben eher für Mathe interessieren als Mädchen, zeigt schon, dass in diesem Bereich sehr differenziert wird. Stattdessen sollten wir aber Interesse wecken und Möglichkeiten aufzeigen.

 

War das die Motivation für Ihr Buch?

Ja, genau darum habe ich „It-Girls“ geschrieben, weil es eben wichtig ist zu zeigen, was alles möglich ist. Viele haben das Bild im Kopf: IT heißt, ich sitze irgendwo im Keller zwischen Pizzaschachteln und leeren Cola-Dosen und hacke den ganzen Tag in meinen Computer rein und denken sich ‚Boah, das ist überhaupt nicht meins.‘ Ich möchte gerne aufzeigen – auch mit dem Buch – wie vielfältig die IT ist. Kennen Sie die Vollpension? Die haben während der Pandemie Digital-Backkurse angeboten. Da gab es viele Menschen, die ohne Digitalisierung vereinsamt wären, so aber eine Aufgabe bekommen haben. Vielleicht ist das für manche eine banale Sache, aber für Menschen, die Technologie kaum kennen, ist es eine große Challenge. Ich sehe es als meine Aufgabe, die Voraussetzungen in der Welt zu verbessern, damit mehr Menschen diese Offenheit, Kreativität und die Möglichkeiten der IT sehen.

 

Seit Jahren fehlen Fachkräfte in der IT – könnten mehr Frauen in der IT das Fachkräfteproblem lindern?

Definitiv! Das Buch soll dazu motivieren, von diesem Klischeedenken wegzukommen! Mädchen sollten nicht denken, IT ist nichts für mich, sondern eher ‚boah wie cool, die Google-Chefin hat Mediendesign studiert, die Finanzvorständin der Telekom hat ihre Karriere im Tourismus begonnen‘ etc. Frauen sollen sehen, dass ihnen die Wege offenstehen und es auch viele unterschiedliche Jobs in der Branche gibt. Bei Avanade arbeiten Wirtschaftspsycholog*innen, die Kund*innen in die Digitalisierung begleiten und auch das ist eine Art der Unterstützung in der IT.

 

Hat die Einstellungspolitik/das Recruiting von Unternehmen auch einen Anteil an der Schieflage – Stichwort „Gender Bias“? 

Ich war früher überhaupt kein Fan von Quoten, weil ich mir gedacht habe, dass wir das nicht nötig haben, aber es ist notwendig und es verändert auch Dinge. Mittlerweile gibt es in vielen Unternehmen ganz klare Richtlinien, immer mehr Unternehmen bekennen sich offen dazu, dass sie mehr Frauen in Führungspositionen haben wollen und bewusst mehr Frauen einstellen möchten. Das wird aktuell von jedem Unternehmen, das ich kenne, massiv gefördert. Dennoch ist es immer noch so, dass sich Frauen nicht bewerben, wenn sie in der Stellenanforderung fünf Kriterien lesen und nicht alle davon erfüllen. Wenn Männer ein oder zwei Kriterien erfüllen, bewerben sie sich meist trotzdem, sie sind da mutiger.

 

Welche Rolle spielt das Schulsystem, die Sozialisierung von Mädchen in unserer Gesellschaft? Wo muss man ansetzen?

Theoretisch ist es relativ einfach – man müsste bei den Lehrer*innen und Kindergärtner*innen anfangen, sie im Umgang mit IT schulen und aufzeigen, wie sie das weitervermitteln können. Ziel sollte es sein, Kindern schon in jungem Alter die Angst vor Technologie zu nehmen und den Umgang mit IT zu lernen. Vielleicht auch schon in der Volksschule Frauen einzuladen, um sie zu fragen: ‚Was machst denn eigentlich du, wie funktioniert dein Beruf, was bedeuten IT und Digitalisierung‘? Ich denke, das würde schon viel auslösen und verändern.

 

“Ziel sollte es sein, Kindern schon in jungem Alter die Angst vor Technologie zu nehmen und den Umgang mit IT zu lernen.”

Christiane Noll, Autorin von “IT-Girls” und Geschäftsführerin von Avanade Österreich

Wie können Unternehmen aktiv werden? Was wäre ein denkbarer Ansatz?

Was natürlich sehr hilft ist, wenn Unternehmen Frauen gezielt fördern und sich nach außen und innen dazu bekennen: ‚Wir wollen als Unternehmen so und so viel Frauenanteil haben, wir sind davon überzeugt, dass Diversität erfolgreicher macht.‘ Wenn es im Unternehmen dieses Commitment und Role Models, Communitys oder spezielle Programme gibt, dann bringt das sehr viel. Role Models inspirieren dazu zu denken: Da kann man hinkommen. Ich kann das auch schaffen.
Was ich auch wichtig finde, ist Sprache: Man müsste sich stärker dessen bewusstwerden, wie man im Unternehmen, in Ausschreibungen oder in internen Förderprogrammen spricht. Unsere Sprache ist eher eine Männersprache und unser System ist sehr männlich dominiert, weil es so gewachsen ist. Jetzt müssen wir eben versuchen, ein paar Dinge zu ändern, unsere Sprache ist ein Teil davon. Eine Freundin von mir hat einmal einen Test mit ihrer Tochter gemacht. Sie hat zu ihr gesagt: ‚Zeichne mal so einen Chef von einer Firma.‘ Die Tochter hat daraufhin natürlich einen Mann gezeichnet. Wenn wir Kindern gegenüber aber stärker von Chef oder einer Chefin, einer Managerin, usw. sprechen, hätte sie vielleicht eine Frau gezeichnet. Diese Bilder zu verankern, macht auch einen großen Unterschied.

 

Was bedeutet Diversität in der Arbeitswelt für Sie?

Es ist durch Studien hinreichend belegt, dass diverse Teams erfolgreicher sind und ich denke, man sollte das nicht nur bei dem Mann-Frau-Thema belassen. Diversität bedeutet ja viel mehr – das Alter, ebenso wie unterschiedliche Herkunft spielen hier auch eine wichtige Rolle. Als Beispiel: Ich habe kürzlich jemanden eingestellt, der bei einem anderen Unternehmen freigestellt wurde, weil er 60 ist. Er bringt irrsinnig viel Erfahrung mit. Ich denke, dass auch dieser Aspekt von Diversität mehr gefördert werden müsste.

 

Welchen Beitrag sollten Unternehmen/HR-Experten für mehr Diversität in IT und Tech leisten und welchen Nutzen hätten sie davon?

Ganz wichtig: Frauen in Führungspositionen zu bringen. Unternehmen sollten Programme entwickeln, um solche Role Models zu schaffen. Sie sollten sich fragen, wie sie Frauen dazu motivieren können, in die IT-Branche zu gehen. Es gibt so wahnsinnig viele Communities in Wien, die sich da gegenseitig unterstützen. Ich finde, jede davon ist erwähnenswert und trägt dazu bei, dass es Veränderung gibt. Beispielsweise Women in ICT, New It Girls oder Women for Cyber. Der Nutzen ist klar, von gemildertem Fachkräftemangel und erfolgreicheren diversen Teams haben wir ja bereits gesprochen. Und ich bin überzeugt, dass Frauen in Führungspositionen die Unternehmenskultur positiv beeinflussen: Eine Bekannte von mir ist im Vorstand eines sehr großen Unternehmens in Österreich. Sie hat mir erzählt, dass sich die Umgangsformen ändern, wenn sie beim Vorstandsmeeting dabei ist. Wenn sie nach dem Urlaub zurück ist, freuen sich die anderen, dass sie wieder da ist. Also ich glaube, es ist dann weniger rau und respektvoller.

 

Sehen Sie Unterschiede in weiblicher und männlicher Kommunikation?

Ich erlebe, dass Frauen oft zu achtsam im Umgang miteinander sind, wohingegen Männer oft unverblümter und damit zielstrebiger sind. Das habe ich auch mit den Role Models aus meinem Buch diskutiert: Eine Frau denkt, ‚die kann ich jetzt nicht anrufen, die hat so viel Stress‘, ‚die kann jetzt bestimmt nicht, die ist sicher gerade in einem Termin‘ und nimmt falsche Rücksicht. Wir sind achtsamer, denken mehr über andere nach und nehmen uns damit zurück. Ich versuche dem entgegenzuwirken und als Vorbild voranzugehen und zumindest im eigenen Unternehmen gelingt es mir schon sehr gut.  

 

Wie erleben Sie die Reaktionen auf Ihr Buch?

Ich finde es spannend, dass wenn man etwas von sich nach außen trägt, man immer Feedback zurück bekommt und ich war verwundert, aber zu dem Buch habe ich durchwegs nur positives Feedback bekommen. Viele schätzen, dass ich damit eine wichtige Thematik aufzeige und dabei sehr diverse Beispiele bringe: Alt und Jung, aus Forschung und Wirtschaft, Jungunternehmerinnen und Erfahrene. Damit wollte ich zeigen, wie vielfältig das Arbeitsfeld IT ist und wie unterschiedlich auch die Wege sind, um dort hinzukommen, wo die Frauen jetzt sind und das ist wohl angekommen.

 

Christiane Noll ist seit Oktober 2016 Chefin der Avanade Österreich GmbH. In dieser Position ist sie für die Geschäftsentwicklung in Österreich verantwortlich. Im Fokus dabei steht, Kund*innen bei ihrer digitalen Transformation mit IT-Lösungen beratend zu begleiten. Avanade unterstützt Unternehmen und Organisationen mit einem sogenannten »Intelligent Operations«-Ansatz. Kund*innen werden über den kompletten Produktlebenszyklus aus einem »Digital Studio« heraus mit einer Mischung aus vor-Ort- und Offshore-Ressourcen unterstützt. Außerdem ist Frau Noll Autorin. Mit ihrem Buch „IT Girls – Wie Frauen die IT prägen“ möchte sie Frauen für die IT-Branche ermutigen und die Diversität der Möglichkeiten zeigen.

Das Interview führte Nicole Inez Fuchs
Bildnachweis: istock/PeopleImages

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