Frauen in der Baubranche – Bald auf der Überholspur?

So gehen Frauen ihren Weg in der Männerdomäne. Ein Erfahrungsbericht.


25.10.2017

Frauen sind in der Baubranche aktuell noch stark unterrepräsentiert. Bettina Seeland ist 27 Jahre alt und Projektleiterin in einem Ingenieurbüro. Sie erklärt, welche Ausrüstung am ersten Arbeitstag parat liegt und dass niemand in der Branche beißt.

Frau Seeland, Sie sind Projektleiterin bei iC consulenten Ziviltechniker GesmbH. Frauen sind im Baugewerbe noch immer die Ausnahme. Wie haben Sie es geschafft, mit so jungen Jahren die männliche Konkurrenz hinter sich zu lassen?

Für Menschen, die ambitioniert und engagiert sind, ist in diesem Job immer Platz. Es stellt sich relativ schnell ein gewisser Erfolg ein, weil es viele Projekte gibt und gute Leute immer gesucht werden. Ich habe mich als Kind bereits für Bau und Gebäude interessiert, daher war es naheliegend mit 14 Jahren in die HTL zu wechseln. Das war damals eine goldrichtige Entscheidung und ich habe danach an der FH Campus Wien das Studium „Bauingenieurwesen – Baumanagement“ abgeschlossen. Nach dem Studium habe ich bei einem Projektmanagement-Büro angefangen und bin nach zwei Jahren in mein jetziges Ziviltechnik-Büro gewechselt.

 

Wie ist es für Sie für eines der größten Ingenieurbüros zu arbeiten?

Wir haben in Österreich ca. 400 MitarbeiterInnen und weltweit über 500. Ganz toll ist, dass alle unterschiedlichen Fachbereiche in einem Haus vertreten sind. Man kann hervorragend bereichsübergreifend arbeiten und Problemstellungen über den eigenen Fachbereich hinaus lösen. Dementsprechend große und spannende Projekte betreuen wir.

Mein Hauptprojekt ist ein Wohnbau mit vierzig Wohnungen im Luxusbereich. Dort bin ich auf der Baustelle und koordiniere die Firmen. Es sind rund 30 bis 50 Arbeiter auf der Baustelle und es gibt eine bestimmte Hierarchie: Ich bespreche mich mit den Bauleitern und den Polieren und diese geben die Anweisungen an ihre Arbeiter weiter.

Zurzeit erweitern wir auch einen Medcampus  um mehrere Gebäude. Als Bauaufsicht ist man generell für den Ablauf auf der Baustelle, für Termine, Kosten und die Qualität verantwortlich. In diesem Projekt mache ich das Kosten- und Termincontrolling für die örtliche Bauaufsicht. Ich berichte regelmäßig an die Auftraggeberin und gebe Status-Updates.

 

Was macht Ihren Beruf so spannend?

Man weiß nie genau, was auf einen zukommt. Kein Tag ist gleich und es ist dementsprechend sehr abwechslungsreich: Man arbeitet mit verschiedenen Firmen, Bauleitern und dem Planerteam, also mit vielen unterschiedlichen Menschen, zusammen. Bauprojekte verlaufen nie linear und es wird nie langweilig.

 

Was war bisher die größte Herausforderung, der Sie sich als Führungskraft stellen mussten?

In dem Wohnbauprojekt leite ich die örtliche Bauaufsicht und koordiniere ein Team von etwa 10 Personen. Die größte Herausforderung war, dass ich vor einem halben Jahr begonnen habe, die wöchentliche Baubesprechung zu leiten. Am Anfang war ich sehr nervös, aber im Endeffekt ist es „learning by doing“. Nach ein paar Wochen hatte ich mich bereits gut in dieser Rolle eingefunden.

Es kann auch passieren, dass die Wogen hochgehen, da generell schon ein rauerer Ton herrscht. Klar gibt es Dinge, die man ausdiskutieren muss, aber im Endeffekt haben wir es bis jetzt immer geschafft, Lösungen zu finden. Es geht schließlich um viel Geld und da ist es ganz normal, dass es unterschiedliche Interessen und Meinungen gibt. Das nehme ich nicht persönlich.

 

Hat man es in der Baubranche als Frau schwerer oder gibt es auch Vorteile, zahlenmäßig in der Minderheit zu sein?

Ich kenne nur meine eigenen Erfahrungen und würde sagen, dass es schon Vorteile bringt, weil man als Frau jedenfalls auffällt. In Besprechungen bin ich oft die einzige Frau und noch dazu mit 27 Jahren noch sehr jung. Prinzipiell glaube ich, dass das Geschlecht keine Rolle spielt. Es kommt einfach darauf an, fachlich kompetent zu sein und auch so aufzutreten. Ich fühle mich als Frau jedenfalls absolut nicht benachteiligt.

Ein Grundstock an Selbstbewusstsein muss vorhanden sein. Vieles habe ich mir auch erarbeitet. Es sind klassische Dinge wie laut und deutlich zu sprechen, einen aufrechten Gang und eine gute Mimik und Gestik zu haben. Die Körpersprache ist neben der fachlichen Kompetenz enorm wichtig.

 

Sollte es in Ihrer Branche eine verpflichtende Frauenquote für Führungspositionen geben?

Viel wesentlicher ist, an der Einstellung der Arbeitgeber zu arbeiten. Davon halte ich mehr als einer Quote. Wenn die Politik und Unternehmen mehr daran arbeiten, Beruf und Familie besser vereinbar zu machen und beispielsweise dafür sorgen, dass es gesellschaftlich akzeptiert ist, dass Männer eine Zeit lang bei den Kindern zuhause bleiben und mit keinen Karriereeinbußen zu rechnen haben, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch Führung in Teilzeit sollte forciert werden. Wenn in diesen Punkten etwas weitergeht, denke ich dass sich das Verhältnis von Männern und Frauen in der Branche angleichen wird. Generell denke ich, dass Jobs noch viel diverser werden sollten, damit es gar keine Frauen- oder Männerberufe mehr gibt.

 

Haben Sie einen Tipp für junge Frauen, die einen ähnlichen Karriereweg wie Sie anstreben?

Wenn Sie für die Branche brennen, dann machen Sie sich nicht zu viele Gedanken darüber, ob Sie den Job können oder nicht. Einfach ausprobieren und machen, möglichst selbstbewusst sein und der Rest kommt dann von alleine. Es beißt niemand und die Branche ist definitiv besser als ihr Ruf.

 

Bekommt man am ersten Arbeitstag neben dem Laptop auch gleich einen Bauhelm überreicht?

Es war tatsächlich so, dass auf meinem Schreibtisch am ersten Tag sowohl ein Helm als auch eine Warnweste gelegen sind (lacht).

 

Ein Tipp an mein jüngeres Ich vor Berufsstart?

Ich dachte, ich müsste immer Hosen tragen und kurze Haare haben (lacht). Heute würde ich mir keine Gedanken mehr machen, was das richtige Outfit ist. Die fachliche Kompetenz und ein souveränes Auftreten zählen viel mehr.

Fotocredit: Bettina Seeland

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