#nextstepfemalefuture: Wo stehen Arbeitnehmerinnen in Österreich heute?

Während mittlerweile vielfach Arbeitskräfte fehlen, sind Frauen immer noch in gewissen Branchen und Führungsebenen unterrepräsentiert und werden im Recruiting nur selten gezielt angesprochen. Die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt ist nach wie vor deutlich: Hier die aktuelle Faktenlage.

 

Weibliche Führungskräfte deutlich unterrepräsentiert

So hat das Beratungsunternehmen Ernst & Young vor Kurzem erhoben, dass Frauen in Führungspositionen weiterhin deutlich unterrepräsentiert sind: Nur 14 der derzeit 192 Vorstandsmitglieder der im Wiener Börse Index gelisteten Unternehmen sind weiblich. Selbst bei gleichen Bildungsabschlüssen waren Frauen stärker in mittleren Positionen vertreten, während Männer häufiger in Führungspositionen aufstiegen.

Auch international schneidet Österreich schlecht ab. Der Women’s Work Index 2020, der den wirtschaftlichen Status von Frauen in 33 OECD-Ländern analysiert, zeigt: Im Gegensatz zu den Spitzenreitern Island, Schweden und Slowenien liegt Österreich unter den OECD-Ländern nur auf Platz 25. Das ist um ganze zwölf Plätze schlechter als noch im Jahr 2000.

 

 

Insgesamt hat sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen seit 1994 zwar deutlich erhöht, allerdings fast ausschließlich als Folge der Ausweitung von Teilzeitarbeit: Im Zeitraum zwischen 1994 und 2020 stieg die Teilzeitquote von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren von 39% auf 72% an. Allerdings können Teilzeitbeschäftigungen die wirtschaftliche Unabhängigkeit und finanzielle Absicherung von Frauen während ihres Erwerbslebens als auch in der Pension gefährden.

Denn: Die unbezahlte Betreuungs- und Pflegearbeit im familiären Bereich lastet weiterhin hauptsächlich auf den Schultern von Frauen. Die damit einhergehenden Berufsunterbrechungen wirken sich direkt auf ihre Karriereverläufe aus. Nicht nur das, die Situation hat sich bedingt durch die Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns sogar noch verschärft, zeigt eine StepStone-Umfrage vom Herbst 2020  unter mehr als 1900 Arbeitnehmerinnen und Jobsuchenden in ganz Österreich.

 

Corona verschärft Ungleichheit zwischen Geschlechtern

Demnach hat jede zweite Frau den Eindruck, dass die Corona-Krise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft hat und Frauen wieder vermehrt in traditionelle Rollen gerutscht sind. Dass dies kein individueller Eindruck einzelner überforderter Frauen ist, zeigt eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien: Demnach haben Frauen in Paarhaushalten mit Kindern im ersten Lockdown täglich rund 14 Stunden gearbeitet – knapp 9,5 Stunden davon waren ohne Bezahlung.

Auch in den oberen Etagen gehen Frauen siebenmal häufiger davon aus, dass sich ihre Karrierechancen aufgrund von COVID-19 verschlechtert haben, als dies bei den Karrierechancen der Männer der Fall ist. Das zeigt eine Untersuchung von Deloitte Österreich und WoMentor unter mehr als 600 weiblichen Führungskräften, die auch fast doppelt so häufig wie ihre männlichen Kollegen über negative Folgen der Pandemie auf den eigenen Bonus und fast viermal so oft über negative Auswirkungen auf die eigene Beförderung berichten.

 

 

 

Geschlechtergerechtigkeit als Wirtschaftsboost

Zudem berichtet nur knapp die Hälfte von einer strategischen Verankerung von Gleichstellung in den Unternehmenszielen. Ein Viertel sieht hier ein bloßes Lippenbekenntnis oder nimmt überhaupt keine Bedeutung des Themas wahr. „Das ist eindeutig ein Rückschritt hinter bereits Erreichtes“, kommentiert StepStone Geschäftsführer Nikolai Dürhammer. Denn: „Wer Frauen auch in Krisensituationen nicht mitdenkt, verliert die Hälfte aller Talente aus den Augen und vertut die Chance, Bewerberinnen für sich zu gewinnen. Jetzt wo die Wirtschaft nach Corona wieder anzieht und alle händeringend nach Mitarbeitern suchen, wäre das die Gelegenheit, auch ganz gezielt Mitarbeiterinnen zu suchen und zu fördern.“

Laut einer Studie des European Institute for Gender Equality könnte eine Förderung der Geschlechtergleichstellung im Bestfall zu einer Steigerung des Bruttoinlandproduktes von sieben Prozent führen. An motivierten Arbeitnehmerinnen mangelt es jedenfalls nicht: Laut der Stepstone-Umfrage geben 95% aller Befragten an, dass ihnen ihr Job sehr oder eher wichtig ist; knapp ein Viertel wünscht sich eine Frauenquote im Management.

 

Frauenquoten im staats(-nahen) Sektor

Neben der Frauenquote für den öffentlichen Dienst von 45 % soll nun auch der Frauenanteil in staatsnahen Unternehmen auf 40 Prozent angehoben werden. Bei Neubestellungen von Aufsichtsräten in börsennotierten Unternehmen sowie in Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ist einen Mindestanteil von 30 Prozent für Frauen und Männer im Aufsichtsrat vorgesehen. Bei Nichteinhaltung dieser Zielvorgabe bleibt das Mandat unbesetzt.

Daneben lassen flexible Arbeitszeiten und Modelle wie Jobsharing Frauen, aber auch Männern mehr Raum für Familie und Privatleben. Umgesetzt wird das etwa bereits beim Verein ABZ*Austria, die ein Jobsharing-Modell für Führungskräfte anbieten, wie Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin Manuela Vollmann erzählt: „Männer wollen ihre Kinder gleichberechtigt betreuen und versorgen.“ Tatsächlich zeigen immer mehr Studien und Umfragen den wachsenden Wunsch vieler Männer, stärker als bis dato an der Kindererziehungs- und Betreuungsarbeit teilzuhaben.

 

Geteilte Betreuungsarbeit schafft Karrierechancen

In der Praxis jedoch lässt sich der Wunsch, Elternkarenz oder Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, nicht leicht umsetzen: Insbesondere in männerdominierten Branchen scheint es oft einen Mangel an betrieblichen Gleichstellungsstrategien zu geben, stellt ein Projekt des Sozialministeriums fest. Dabei kann eine partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungs- und Erwerbsarbeit zu einem besseren und früheren Wiedereinstieg von Müttern sowie zu besseren Karrierechancen und Einkommen von Frauen beitragen, bestätigt ein Forschungsbericht des österreichischen Instituts für Familienforschung.

Die Autorinnen fordern, dass für eine gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an der Arbeitswelt vor allem Väter explizit in die Verantwortung für die Versorgung von Kindern und/oder älteren Angehörigen mit einbezogen werden müssen. „Teilzeiterwerbstätigkeit müsste sich auch für Väter in Unternehmen als Norm etablieren, ähnlich wie die bereits weitgehend akzeptierte Karenz von Vätern“, schreiben die Studienautorinnen.

 

Gütesiegel für Geschlechtergerechtigkeit

Arbeitgeber, die sich mit großer Familienfreundlichkeit und Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben brüsten, sollten diese Angebote auf beide Geschlechter ausweiten, fordern sie: „Nur so werden sie als elterlich-geteilte Aufgabe begriffen und nicht hauptsächlich von Frauen in Anspruch genommen.“ Das würde sowohl weibliche Berufsbiografien entlasten und nicht nur ihre ökonomische Lebenslage verbessern, sondern auch Karrierewege öffnen.

Vorbilder, die sich in diese Richtung engagieren, gibt es hierzulande bereits: So verleiht das Bundesministerium für Wirtschaft und Digitalisierung das Gütesiegel equalitA an Arbeitgeber, die Frauen innerbetrieblich fördern und für Geschlechtergerechtigkeit innerhalb des Betriebes sorgen. In diesem Jahr wurden unter anderem die Österreichische Post AG, die gemeinnützige Genossenschaft Alpenland, Bipa, Accenture und Kapsch ausgezeichnet.

 

Fazit: Es tut sich was

Auch wenn die Ausgangslage schwierig ist: Österreichs Frauen lassen es sich nicht nehmen, aktiv am Arbeitsleben teilzuhaben – und fordern völlig selbstverständlich gleiche Rechte ein. Arbeitgeber, die darauf eingehen und für mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz sorgen, haben jedenfalls gute Karten im Kampf um die besten Fachkräfte: Schließlich stellen Frauen mittlerweile die Mehrheit aller Hochschulabsolventinnen und mischen kräftig am Arbeitsmarkt mit: In 99 Prozent aller österreichischen Gemeinden sind mehr Frauen berufstätig als noch vor 15 Jahren.

 

Wer sie und ihr Know-how an Bord holen will, tut gut daran, moderne Lebensentwürfe mitzudenken und Raum zu schaffen für wandelnde Bedürfnisse, die unterschiedliche Lebensabschnitte mit sich bringen. Helle Köpfe gibt es schließlich genug – ihnen ein Arbeitsumfeld zu bieten, in dem sie sich einbringen können und Unternehmen damit nach vorne bringen, ist nun Aufgabe der Arbeitgeber.

 

INFO:

Mit dem „FairPlusService“ hat das österreichische Ministerium für Arbeit ein kostenfreies Beratungs- und Coachingangebot für Unternehmen aus dem Niedriglohnsektor und deren Mitarbeiterinnen ins Leben gerufen, um Betriebe direkt von der Förderung ihrer weiblichen Angestellten profitieren zu lassen und so einen aktiven Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zu leisten.

Auch das Wiener Frauenservice gibt Unternehmen Instrumente an die Hand, um die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz zu fördern: So gibt es unter anderem einen Analysefragebogen und eine Toolbox zum Thema kostenlos im Netz zum Download.

 

Weiterführende Links:

https://www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/

https://www.wko.at/site/FIW/Wir–ber-uns/Zahlen–Daten–Fakten/frauen-fakten2017.pdf

https://www.wko.at/site/zukunftfrauen/start.html

https://www.wko.at/site/fiw/start.html?shorturl=unternehmerinat

https://www.clubalpha.at/

 

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