Aufbruch der Berufs-Stereotype

Die erste männliche Hebamme Österreichs gibt im Interview Einblicke in seinen beruflichen Alltag.


05.10.2017

Der Storch ist männlich und bringt die Kinder, aber die Hebamme ist weiblich. Geschlechterspezifische Berufs-Stereotype sind aktuell noch weit verbreitet. Stepstone/Jobnews möchte Männer und Frauen dabei unterstützen, ihre eigenen Karrierewege zu gehen, abseits von teilweise stereotypen Rollenbeschreibungen wie „typischen“ Männer- bzw. Frauenberufen. In unserem Interview baten wir Jonathan Dominguez Hernandez, die erste männliche Hebamme Österreichs zum Interview.

Herr Dominguez Hernandez, Sie haben in England als erster männlicher Student das Hebammenstudium abgeschlossen und sind die erste männliche Hebamme in Österreich. Wie fühlen Sie sich in dieser „Vorreiter-Rolle“?

Für mich sind der Beruf und das Handwerk der Hebamme schon immer wichtiger gewesen, als der männliche Pionier zu sein. Allerdings bin ich mir meiner Verantwortung bewusst, ein Vorbild für andere männliche Hebammen zu sein und versuche mich dementsprechend zu verhalten. Ich muss auch zugeben, dass ich mich noch immer daran gewöhnen muss als eine Sensation gesehen zu werden.

 

Woher kam Ihr Interesse an diesem Beruf?

Ich habe meine Karriere als Gesundheits- und Krankenpfleger begonnen; nach dem dreijährigen Studium und mehrjähriger Praxiserfahrung habe ich dann das Hebammenstudium aufgenommen. Als Gesundheits- und Krankenpfleger habe ich viel mit Kindern zusammengearbeitet. Einige gesundheitliche Probleme, die diese Kinder hatten sind während der Schwangerschaft, der Geburt oder danach entstanden. Dies hat mich zu dem Entschluss gebracht, Hebamme zu studieren, um mein Wissen zu erweitern und die Familien mit wissenschaftlich fundiertem Wissen zu unterstützen. Außerdem genieße ich meine Arbeit mit den werdenden Eltern, die Unterstützung während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett.

 

Wurden Sie während Ihrer Ausbildung bzw. werden Sie aktuell aufgrund Ihres Geschlechts anders behandelt als die weiblichen Hebammen? Falls ja, wie?

Während meiner praktischen Ausbildung zur Hebamme stieß ich auf unterschiedliche Meinungen: Viele der Hebammen fanden es befremdlich, einen Mann zur Hebamme auszubilden und waren distanziert. Auch heute empfinden einige Hebammen eine gewisse Distanz, wenn ich ihnen gegenübertrete.

 

Denken Sie, dass es Unterschiede gibt, wie ein Mann bzw. eine Frau die Aufgabe als Hebamme wahrnimmt? Wenn ja, welche?

Grundsätzlich sollte es keinen Unterschied geben. Wir sind alle Hebammen, die nur ein Ziel vor Augen haben: Die beste Betreuung und Unterstützung für die Familien. Im Detail kann es schon einmal leichte Unterschiede geben, wie zum Beispiel Wortwahl, Berührung und wie ich meine Skills ausführe. Es gab jedoch nie negatives Feedback von den Familien, dass sie sich eine andere Betreuung erwartet oder gewünscht hätten.

 

Sie kommen aus Spanien und sagen selbst, dass es dort nicht ungewöhnlich ist, als männliche Hebamme zu arbeiten. Warum ist das in Ländern wie Österreich noch eine Sensation?

In Spanien ist es gängig, dass sowohl Frauen als auch Männer den Beruf der Hebamme ausüben und es wird nicht nach dem Geschlecht geurteilt, sondern über die Qualität der Fähigkeiten. Der Hebammenberuf in Österreich ist traditionellerweise ein frauendominierter Beruf. Diese Tradition zu durchbrechen ist nicht einfach.

 

Wie reagieren Patientinnen und deren Partner auf Sie?

Die Mehrzahl der betreuten Frauen und deren Partner hatten keine Probleme von mir betreut zu werden. Ausnahmen waren lediglich Familien mit religiösem Hintergrund, wie Muslime. Manchmal sehen Frauen mich überrascht an, aber sobald sie mich kennen lernen, nehmen sie mich als Hebamme an.

 

Gibt es eine lustige Anekdote, die Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Eines Abends, als ich über den Parkplatz des Krankenhauses zur Arbeit ging, fiel mir eine Frau auf, die sich im Vierfüßlerstand auf dem Boden befand. Als ich näherkam, bemerkte ich, dass sie gerade ein Kind bekam. Sie meinte, dass ihr Mann gerade zum Kreißsaal gelaufen ist, um Hilfe zu holen. Ich bot ihr meine Hilfe an und half ihr bei der Geburt ihrer Tochter. Da es draußen sehr kalt war, haben wir das Baby gleich in Hautkontakt zur Mutter gegeben und es mit meiner Jacke zugedeckt. Gleich darauf kam Hilfe aus dem Kreißsaal. Gemeinsam haben wir Mutter und Baby in die Wärme gebracht.

Dies war ein schönes und doch sehr unerwartetes Geburtserlebnis!

 

Sie lehren auch an der FH IMC Krems. Was möchten Sie zukünftigen Hebammen – egal ob männlich oder weiblich – mit auf den Weg geben?

Mein Ziel ist es, den Studierenden ans Herz zu legen, unseren Beruf wissenschaftlich fundierter zu machen, jegliche Betreuung begründen zu können und die Familie im Mittelpunkt unserer Arbeit zu sehen, ohne Bezug zu ihrer ethnischen Herkunft. Außerdem gibt es zu wenige Hebammen in der Welt –  Ich möchte dazu beitragen, dass sich mehr Personen für diesen wunderbaren Beruf interessieren und diesen ausüben.

 

Welche Maßnahmen sind für Sie erfolgsversprechend, sodass zukünftig mehr Männer als Hebamme arbeiten möchten?

Die Gesellschaft muss realisieren, dass der Beruf Hebamme nicht nur für Frauen bestimmt ist, sondern für jede Person, die eine Leidenschaft für diesen Beruf zeigt. Öffentliche Interviews wie dieses können eine Veränderung unterstützen. Darüber hinaus denke ich, dass das österreichische Hebammengremium mehr Werbung für männliche Hebammen machen sollte.

 

Welche Tipps haben Sie für Menschen parat, die keinen „klassischen“ geschlechtsspezifischen Beruf ausüben möchten und sich teilweise deshalb in der Gesellschaft behaupten müssen?

Mein Rat lautet, dass man den Beruf ausüben soll, der für einen selber passt und für den man Leidenschaft empfindet. Sein Ziel vor Augen sollte man nie aufgeben, obwohl die Gesellschaft eventuell etwas Anderes rät.

Bildrechte: IMC FH-Krems

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